Regie: Adrian Molina und Lee Unkrich, Drehbuch: Adrian
Molina und Matthew Aldrich, Musik: Michael Giacchino
Sprecher der Originalfassung: Anthony Gonzalez, Gael García
Bernal, Benjamin Bratt, Alanna Ubach, Renée Victor, Jaime Camil, Alfonso Arau, Ana
Ofelia Murguía, Herbert Siguenza, Sofía Espinosa, Gabriel Iglesias, Natalia Cordova-Buckley,
Edward James Olmos, Cheech Marin, John Ratzenberger, Lee
Unkrich, Adrian Molina
FSK: 0, Dauer: 105 Minuten.
Der zwölfjährige Miguel (in der Originalfassung gesprochen
von Anthony Gonzalez) hat einen großen Traum: Er will unbedingt Musiker werden,
so wie es einst sein Ururgroßvater war. Über den weiß Miguel ansonsten allerdings überhaupt nichts,
was mit dem gigantischen Hindernis zusammenhängt, das der Erfüllung seines
Traumes im Wege steht: Da Miguels Ururgroßvater seine Familie zugunsten seiner
Musikerkarriere verließ, wurde er nicht nur weitestgehend aus der
Familiengeschichte getilgt (einzig seine inzwischen selbst uralte Tochter Coco hat
noch positive Erinnerungen an ihn) – seitdem ist auch jegliche Form der Musik
tabu! Miguel hält das nicht davon ab, heimlich das Gitarrespielen zu üben, doch
als er an einem Musikerwettbewerb teilnehmen will, wird ihm das strikt verboten
und seine Gitarre zerstört. Der trotzige Miguel will trotzdem auftreten und zu diesem Zweck das Instrument seines Idols, des lange verstorbenen Ernesto de la
Cruz (Benjamin Bratt, "Doctor Strange"), aus dessen Grabmal ausborgen. Das führt allerdings dazu, daß er – obgleich sehr wohl noch am Leben –
irgendwie im Totenreich landet, wo er unbedingt innerhalb einer Nacht Ernesto
finden muß, um wieder in die Welt der Lebenden zurückzukehren. Mehr oder
weniger hilfreiche Unterstützung bekommt er dabei von dem etwas tollpatschigen, jedoch liebenswürdigen Straßenhund Dante und von dem windigen Héctor (Gael García
Bernal, "Babel"), der Ernesto kennt und seinerseits Miguels Hilfe
benötigt, um nicht für immer in Vergessenheit zu geraten …
Kritik:
Seit dem Jahr 2012 war Marvels "The Avengers" der
erfolgreichste Film aller Zeiten in Mexiko (nicht inflationsbereinigt). Im
Herbst 2017 wurde Joss Whedons Superhelden-Spektakel dann nicht nur
entthront, sondern sogar noch weit abgehängt: von "Coco". Angesichts
der Tatsache, daß mit "Toy Story 3" und "Minions" zwei
weitere Animationsfilme zu den zehn erfolgreichsten Filmen des Landes zählen,
scheinen die Mexikaner ein gewisses Faible für
Animationsfilme zu haben – und daß Pixars neues Werk auch noch eine explizit
mexikanische Geschichte rund um den ob seiner ziemlich einzigartigen Natur
mittlerweile weltweit bekannten "Tag der Toten" ("Día de los
Muertos") erzählt, reichte offensichtlich locker aus, um die
Filmbegeisterten in Scharen in die Lichtspielhäuser strömen zu lassen. Gleichwohl
ist "Coco" keineswegs ein rein mexikanisches Phänomen, er
funktioniert global sehr gut. Das ist nicht wirklich verwunderlich,
schließlich handelt es sich eben um einen Pixar-Film, noch dazu um einen, bei
dem mit Lee Unkrich (gemeinsam mit Adrian Molina) einer der renommierteste
Filmemacher des populären Studios Regie führte, der zuvor unter anderem die
"Toy Story"-Trilogie, "Die Monster AG" und "Findet
Nemo" mitverantwortete. Mit den besten Pixar-Filmen kann "Coco"
meines Erachtens qualitativ trotzdem nicht mithalten, dafür ist die ziemlich lineare Story zu überraschungsarm und vorhersehbar präsentiert. Daß
der zweifach OSCAR-prämierte "Coco" dennoch ein gutes, auf jeden Fall empfehlenswertes Pixar-Werk
ist, liegt daran, daß die dramaturgischen Mängel durch hörenswerte Musik, sehr charmante
Figuren und vor allem ganz viel Herz weitgehend wettgemacht werden.
Eigentlich hat Pixar ja bereits des Öfteren bewiesen, daß
sie ihre Animationsfilme mit einer anspruchsvollen und relativ komplexen
Handlung anreichern können – etwa bei den "Toy Story"-Filmen,
"Oben" oder "Alles steht Kopf". Die Erzählstruktur von
"Coco" kommt dagegen nach einer recht langatmigen Einführung
vergleichsweise simpel daher: Der sympathische Miguel – übrigens die erste
nicht-weiße Pixar-Hauptfigur! – durchstreift mit Dantes und Héctors Hilfe die
Lande der Toten, um Ernesto zu finden und wieder ins Reich der Lebenden
zurückzukehren. Natürlich gibt es auf seiner Reise neben den obligatorischen
amüsanten Aufeinandertreffen mit manchmal mehr, manchmal weniger skurrilen Gestalten (unter ihnen
die mexikanische Malerin und Nationalheldin Frida Kahlo, gesprochen von Natalia
Cordova-Buckley aus "Marvel's Agents of S.H.I.E.L.D.")
auch ein paar dramatische Wendungen – die bedauerlicherweise geradewegs
aus dem Klischeehandbuch stammen und einigermaßen film- und/oder
serienaffine Zuschauer kaum werden überraschen können. Zudem muß ich einräumen, daß
mich schon die Prämisse mit der extrem musikaversen Familie, die aus komplett
blödsinnigen Gründen bereit ist, mit einem Handstreich Miguels Lebenssinn zu
zerstören, ziemlich genervt hat. Klar, das ist bewußt überzeichnet, um
möglichst viel Komik aus dieser Übertreibung zu ziehen (was auch halbwegs
gelingt), aber selbst unter Berücksichtigung des in Mexiko wohl deutlich
überdurchschnittlich ausgeprägten Hangs zum Aberglauben finde ich diesen zentralen Storyaufhänger (der Miguels ungewolltes Abenteuer überhaupt
erst nötig macht) arg dämlich und überkonstruiert – da hätte man mit Sicherheit
eleganter vorgehen können.
Vielleicht ist die Prämisse auch deshalb so überzogen, weil
den Filmemachern bewußt wurde, daß das Skript für Pixar-Verhältnisse relativ
wenig Humor enthält. Das wäre für sich genommen nicht negativ zu bewerten,
im Zusammenspiel mit der überraschungsarmen Story ist es jedoch sicherlich nicht ideal.
Gerade Kenner von Tim Burtons famosem, thematisch ähnlichen Stop
Motion-Grusical "Corpse Bride" dürften erstaunt registrieren, wie (verhältnismäßig)
wenig Komik "Coco" aus der Totenreich-Geschichte letztlich
herausholt. Doch die Autoren Adrian Molina und Matthew Aldrich (der zuvor nur
den Actionfilm "Cleaner" mit Samuel L. Jackson aus dem Jahr 2007
schrieb) setzen offensichtlich bewußt andere Schwerpunkte in ihrem Drehbuch und
geben statt Humor lieber ganz viel Gefühl den Vorrang. Das ist keine schlechte
Entscheidung, denn wenngleich die Emotionalität der Story die
dramaturgischen Mängel nicht komplett wettmachen kann, sorgt sie dafür,
daß sich "Coco" von vielen Genrekollegen abhebt. Tod und Erinnerung, der
Familienzusammenhalt und die mexikanische Kultur stehen im
Zentrum und diese Themen werden lobenswert ernsthaft behandelt. Gerade die
Idee, wonach die Menschen nach ihrem Tod zunächst in einer eindrucksvoll
gestalteten, fröhlichen und sehr farbenfrohen sowie teilweise vom unverwechselbaren
Art déco-Stil inspirierten Totenwelt landen, wo sie dann irgendwann den
endgültigen Tod erleiden, sobald sie von den Lebenden vergessen werden, erdet
die Geschichte und verleiht ihr Tiefe, zudem sorgt sie für einen melancholischen
Unterton, der "Coco" sehr gut zu Gesicht steht. Und so vorhersehbar
Miguels Reise auch verlaufen mag, wenn sie schließlich an ihrem
unvermeidlichen, hochemotionalen Endpunkt anlangt, erntet "Coco" die
Früchte der sorgfältigen und liebevollen Figurenzeichnung und geht richtig ans
Herz …
Die visuelle Pracht, die hier dank der häufigen
Kameraschwenks über das riesige Totenreich in 3D besonders beeeindruckt, ist
man von Pixar ja seit jeher gewohnt, auch das Figuren- und Kreaturendesign (mit
phantasievoll ausgestalteten tierischen Geisterführern) ist wieder einmal über jeden
Zweifel erhaben. Eher ungewöhnlich für Pixar ist der musikalische
Schwerpunkt, denn durch Miguel und Ernesto spielt die Musik eine ganz wichtige
Rolle. Michael Giacchino ("Planet der Affen: Survival") hat einen gefühlvollen, sinnigerweise lateinamerikanisch geprägten Score geschaffen, der gut mit den (in
der deutschen Synchronfassung übersetzten) Songs der OSCAR-gekrönten
"Die Eiskönigin"-Komponisten Robert Lopez und Kristen Anderson-Lopez sowie
von Germaine Franco und Adrian Molina harmoniert. Vor allem das zentrale,
sowohl von Ernesto als auch von Héctor und Miguel gesungene Wiegenlied
"Remember Me" vom Ehepaar Lopez ist ein wahrer Ohrwurm, der mit einem OSCAR ausgezeichnet wurde – aber auch die übrigen Songs wie das
melancholische Volkslied "La Llorona", das von Miguels Ururgroßmutter
Imelda (Alanna Ubach, "Natürlich blond") kraftvoll vorgetragen wird, wissen
zu gefallen. Und angesichts dieser Stärken bei visueller Gestaltung, Musik und
Figurenzeichnung kann man die angesprochenen Storyschwächen
verzeihen, denn "Coco" liefert letzten Endes ganz einfach gute
Unterhaltung.
Fazit: "Coco – Lebendiger als das Leben!" ist ein für Pixar-Verhältnisse
relativ humorarmer 3D-Animationsfilm, der tief in die mexikanische Folklore
eintaucht und eine zu vorhersehbare Story mit guter Musik, interessanten
Figuren und ganz viel Herz wettmacht.
Wertung: 8 Punkte.
Vorfilm:
OLAF TAUT AUF (3D, 2017):
Originaltitel: Olaf's Frozen Adventure
Regie: Kevin Deters und Stevie Wermers, Drehbuch: Jac
Schaeffer, Musik: Christophe Beck und Jeff Morrow.
Sprecher der Originalfassung: Josh Gad, Idina Menzel,
Kristen Bell, Jonathan Groff
FSK: 0, Dauer: 22 Minuten.
Disneys neuer "Die Eiskönigin"-Kurzfilm, der vor
"Coco" zu sehen ist, sorgte von Anfang an für Furore – allerdings
nicht wirklich im positiven Sinne. Vielmehr waren vor allem in Amerika so viele
Zuschauer verärgert, daß Disney nach ein paar Wochen sogar beschloß, "Olaf
taut auf" nicht länger zu zeigen. Vor allem drei Gründe für den Unmut der
Kinogänger gibt es: Erstens waren offenbar einige ganz besonders leidenschaftliche
Pixar-Fans verärgert, daß es nicht – wie sonst üblich – einen Pixar-Vorfilm
gab, sondern einen vom Mutterkonzern Disney; zweitens strapaziert die in
der Tat bemerkenswerte Länge von 22 Minuten die Geduld vieler Zuschauer; und
drittens mißfällt wohl etlichen Besuchern die Kombination der weihnachtlichen
"Olaf taut auf"-Thematik mit der "Tag der Toten"-Geschichte von
"Coco". In Europa, wo "Coco" einige Wochen
näher an Weihnachten in die Kinos kam, war Letzteres kein großes Problem,
speziell die Länge sorgte aber zumindest vereinzelt für Verärgerung.
Das ist bedauerlich, denn "Olaf taut auf" ist in meinen Augen ein ausgesprochen gelungener Kurzfilm (den ich wie "Coco" in der Originalfassung sah, zur Synchronfassung kann ich also nichts schreiben). Zugegeben, der recht konventionelle "Olaf taut auf" ist bei weitem nicht so kunstvoll gemacht wie manche Pixar-Vorfilme, dafür macht er einem bekennenden Weihnachts-Fan wie mir richtig Spaß. Die pannenreichen Erlebnisse des liebenswerten Schneemanns Olaf (im Original: Josh Gad, in der Synchronfassung: Hape Kerkeling), der unter den Einwohnern von Arendelle Weihnachtsbräuche zusammenträgt, damit die Königin Elsa und ihre Schwester Anna – die wegen Elsas Zauberkräften als Kinder nie eine eigene Feiertagstradition entwickeln konnten – sich die beste davon aussuchen können, sind zwar nicht gerade OSCAR-verdächtig gut geschrieben. Aber dafür sind sie umso unterhaltsamer und amüsanter mit etlichen richtig guten Gags und Slapstick-Einlagen sowie gleich vier neuen, diesmal von Elyssa Samsel und Kate Anderson geschriebenen Songs, von denen zwar keiner deutlich herausragt, die jedoch allesamt Laune machen.
Das ist bedauerlich, denn "Olaf taut auf" ist in meinen Augen ein ausgesprochen gelungener Kurzfilm (den ich wie "Coco" in der Originalfassung sah, zur Synchronfassung kann ich also nichts schreiben). Zugegeben, der recht konventionelle "Olaf taut auf" ist bei weitem nicht so kunstvoll gemacht wie manche Pixar-Vorfilme, dafür macht er einem bekennenden Weihnachts-Fan wie mir richtig Spaß. Die pannenreichen Erlebnisse des liebenswerten Schneemanns Olaf (im Original: Josh Gad, in der Synchronfassung: Hape Kerkeling), der unter den Einwohnern von Arendelle Weihnachtsbräuche zusammenträgt, damit die Königin Elsa und ihre Schwester Anna – die wegen Elsas Zauberkräften als Kinder nie eine eigene Feiertagstradition entwickeln konnten – sich die beste davon aussuchen können, sind zwar nicht gerade OSCAR-verdächtig gut geschrieben. Aber dafür sind sie umso unterhaltsamer und amüsanter mit etlichen richtig guten Gags und Slapstick-Einlagen sowie gleich vier neuen, diesmal von Elyssa Samsel und Kate Anderson geschriebenen Songs, von denen zwar keiner deutlich herausragt, die jedoch allesamt Laune machen.
Fazit: Man mag darüber streiten, ob die Plazierung
eines dermaßen langen Kurzfilms vor einem abendfüllenden Animationsfilm die beste
Entscheidung war, aber für sich genommen erzählt "Olaf taut auf" eine
zwar wenig anspruchsvolle, dafür aber umso unterhaltsamere Geschichte, die
gekonnt schönste Weihnachtsstimmung verbreitet.
Wertung: 8,5 Punkte.
Bei COCO bin ich ganz deiner Meinung. Ich kam zu einer ähnlichen Wertung, auch wenn ich etwas kritischer an die Sache heranging.
AntwortenLöschenBei OLAF TAUT AUF sieht das aber anders aus. Der gefiel mir so gar nicht, weil er auch absolut nichts Neues zu erzählen hat. Es ist halt der tollpatschige Olaf, der den beiden Schwestern helfen will. Dieses Grundkonzept ist im Grunde der Subplot zu FROZEN. Ich fand die 20 Minuten zu anstrengend.
So ähnlich ging es mir beim letzten "Eiskönigin"-Kurzfilm "Partyfieber" - "Olaf taut auf" hat bei mir dagegen einfach den richtigen Nerv getroffen, vermutlich forciert durch die Weihnachtsthematik und meine (damalige) Weihnachtsstimmung. ;-) Außerdem glaube ich wirklich, daß auch die Frage "Original- oder Synchronfassung" eine wichtige Rolle spielt. Ich habe mir "Olaf taut auf" ein paar Wochen später auf Deutsch bei RTL angeschaut und da gefiel er mir nicht mehr so gut - vor allem Hape Kerkeling finde ich im Vergleich zu Josh Gad im Original nicht so richtig passend besetzt ...
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