Nach der ersten großen Welle von Kritikerpreisen geht die Awards Season stets in die Phase der Gilden- respektive Gewerkschaftspreise über - verliehen also von Filmschaffenden aus den unterschiedlichen Sparten selbst. Da Kritiker und Filmschaffende bekanntlich nicht immer den gleichen Geschmack oder die gleiche Gewichtung der Bedeutung der einzelnen Aspekte eines Films haben, kann das OSCAR-Rennen durch die Gilden durchaus einen ganz anderen Verlauf nehmen, in der Regel sind es aber einzelne Namen, die einen deutlichen Schub erhalten oder umgekehrt in Vergessenheit geraten. Die meisten Gilden verkünden ihre Nominierungen dieses Mal erst im neuen Jahr, eine Ausnahme macht die mit Abstand größte Gewerkschaft - die der Schauspieler -, die gestern ihre Kandidaten für ihre SAG Awards bekanntgaben. Dies sind im Filmbereich in den OSCAR-relevanten Kategorien:
Hauptdarstellerin:
- Judi Dench, "Victoria & Abdul"
- Sally Hawkins, "Shape of Water"
- Frances McDormand, "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri"
- Margot Robbie, "I, Tonya"
- Saoirse Ronan, "Lady Bird"
Hier ist es Dame Judi Dench, die den oben erwähnten Schub durch diese Nominierung erhalten könnte, denn wiewohl sie von Beginn an zu den realistischen Anwärterinnen auf eine OSCAR-Nominierung zählte, ist die Konkurrenz doch so stark, daß ihr zuletzt (trotz der Golden Globe-Nominierung am Montag, die es aber in der schwächer besetzten Komödien-Sparte gab) eher Außenseiterchancen eingeräumt wurden. Daß sie nun hier mit Meryl Streep ("Die Verlegerin"), Jessica Chastain ("Molly's Game") und auch Emma Stone ("Battle of the Sexes") drei höher eingeschätzte Konkurrentinnen verdrängen konnte, steigert ihre Aussichten auf eine weitere Academy Award-Nominierung ganz erheblich. Für Meryl Streep, neben Ronan und Hawkins die eigentliche Topfavoritin, ist die Nicht-Nennung dagegen ein unerwarteter Rückschlag.
Hauptdarsteller:
- Timothée Chalamet, "Call Me by Your Name"
- James Franco, "The Disaster Artist"
- Daniel Kaluuya, "Get Out"
- Gary Oldman, "Die dunkelste Stunde"
- Denzel Washington, "Roman J. Israel, Esq."
Offensichtlich stehen die Schauspieler deutlich weniger auf Steven Spielbergs "Die Verlegerin" als die Kritiker, bei denen der historische Journalismus-Thriller sehr schnell zum Topfavoriten aufstieg. Bei den SAG Award-Nominierungen geht er durch Tom Hanks' Fehlen komplett leer aus, dafür schafft Denzel Washington als Anwalt bereits seine zweite nicht wirklich erwartete Nominierung der Woche. Und daß die Academy Denzel Washington sowieso liebt, zeigen seine bislang acht OSCAR-Nominierungen - so wie es aussieht, könnte im Januar die neunte dazukommen ... Sicher ist das aber nicht, denn mit Daniel Day-Lewis und Jake Gyllenhaal gibt es noch zwei weitere starke Konkurrenten, die sich um einen der fünf Plätze streiten - wobei Day-Lewis bislang eigentlich (wie Hanks) als gesetzt angesehen wurde. Für Topfavorit Oldman und Newcomer Chalamet gilt das nach den SAG Awards weiterhin, die Chancen von Kaluuya und Franco haben sich vergrößert. Übrigens: Gewählt werden konnte "Die Verlegerin" definitiv, allerdings
wurden die Screener (wie auch beim ebenfalls komplett übergangenen
"Der seidene Faden") später versandt als bei den hier nominierten Filmen
- möglicherweise haben sie einige Stimmberechtigte also einfach nicht mehr
rechtzeitig anschauen können. Dennoch: Ein gutes Omen für die OSCARs sind die fehlenden SAG Award-Nominierungen für dieses Duo natürlich nicht.
Nebendarstellerin:
- Mary J. Blige, "Mudbound"
- Hong Chau, "Downsizing"
- Holly Hunter, "The Big Sick"
- Allison Janney, "I, Tonya"
- Laurie Metcalf, "Lady Bird"
Holly Hunter kann die überraschende Nicht-Nominierung bei den Golden Globes wettmachen, dafür fehlt Octavia Spencer ("Shape of Water"). So wie es aktuell aussieht, werden sich wohl diese beiden um den fünften Platz duellieren, die anderen vier scheinen sicher zu sein. Wobei ich weiterhin eine posthume Nominierung für "Star Wars"-Ikone Carrie Fisher für möglich halte (bei den bisherigen Preisen war "Episode VIII" vermutlich noch nicht wählbar, da er aus Angst vor Spoilern erst kurz vor dem Kinostart präsentiert wurde) - nachdem ich den Film gesehen habe (Kritik folgt wahrscheinlich erst am Dienstag), halte ich die Chance jedoch für gering, da ihre Rolle doch kleiner ausgefallen ist als ich es erwartet hatte.
Nebendarsteller:
- Steve Carell, "Battle of the Sexes"
- Willem Dafoe, "The Florida Project"
- Woody Harrelson, "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri"
- Richard Jenkins, "Shape of Water"
- Sam Rockwell, "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri"
Bei den bisherigen Preisen wurde für Martin McDonaghs Tragikomödie "Three Billboards" meist Rockwell statt Harrelson nominiert, hier haben es beide geschafft - nicht auszuschließen, daß sie auch zusammen bei den OSCARs auftauchen. Dafür ging mit "Call Me by Your Name" ein anderer Film mit zwei aussichtsreichen Nebendarstellern (Armie Hammer, Michael Stuhlbarg) hier leer aus. Ziemlich überraschend taucht hingegen Steve Carell auf - vor allem deswegen überraschend, weil er in der Tenniskomödie "Battle of the Sexes" eigentlich ein Hauptdarsteller ist! Aber angesichts der großen Konkurrenz in dieser Kategorie ist es vielleicht nicht schlecht für ihn, daß er plötzlich als Nebendarsteller gehandelt wird; vielleicht ja auch bei den OSCARs?
Ensemble:
- The Big Sick
- Get Out
- Lady Bird
- Mudbound
- Three Billboards Outside Ebbing, Missouri
Gewissermaßen die SAG Award-Entsprechung zum "Bester Film"-OSCAR. Das Fehlen von "Die Verlegerin" ist auch hier bemerkenswert, ebenso fehlt etwas überraschend "Dunkirk", dafür kommt die Nominierung für "Mudbound" relativ unerwartet.
Den Ehrenpreis für sein Lebenswerk erhält Morgan Freeman.
Den Ehrenpreis für sein Lebenswerk erhält Morgan Freeman.
Alle Nominierungen inklusive der TV-Kategorien gibt es als PDF-Datei auf der Homepage der SAG Awards.
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