Regie: Greg McLean, Drehbuch: Justin Monjo, Musik: Johnny
Klimek
Darsteller: Daniel Radcliffe, Alex Russell, Joel Jackson,
Thomas Kretschmann, Lily Sullivan, Luis Jose Lopez, Jacek Koman
Bolivien, 1981: Der junge Israeli Yossi Ghinsberg (Daniel
Radcliffe, "Die Frau in Schwarz") hat sich zum Unwillen seines Vaters
(Jacek Koman, "Australia") eine einjährige Auszeit gegönnt, um die
Welt zu erkunden. In Bolivien freundet er sich mit zwei weiteren Rucksacktouristen
an, dem aus der Schweiz stammenden Lehrer Marcus (Joel Jackson) und dem bereits
seit Jahren durch die Welt reisenden US-Photographen Kevin (Alex Russell,
"Chronicle", "Unbroken"). Als Yossi eines Tages von dem
ortskundigen Österreicher Karl (Thomas Kretschmann, "Wanted") angesprochen
wird, der eine Expedition in den "echten" Dschungel abseits der
touristischen Routen plant, ist Yossi sofort Feuer und Flamme und überzeugt
schließlich auch Marcus und Kevin, mitzukommen. Zu viert bricht man also auf,
doch nach einigen Tagen hat Marcus mit wunden Füßen zu kämpfen, was die Gruppe
stark verlangsamt – angesichts der in knapp zwei Wochen bevorstehenden
Regenzeit durchaus ein Problem. Schließlich teilen sie sich in zwei Gruppen
auf, doch Yossi und Kevin werden ebenfalls voneinander getrennt, sodaß Yossi sich
schließlich mutterseelenallein im (menschen)lebensfeindlichen Dschungel findet
und mit allen Mitteln ums Überleben kämpfen muß, bis er vielleicht gerettet
wird oder selbst den Weg zurück in die Zivilisation findet …
Kritik:
Der australische Filmemacher Greg McLean hat sich einen
Namen gemacht als Regisseur und teilweise auch Autor harter, häufig sehr
zeigefreudiger Horrorfilme wie dem Backwoods-Slasher-Duo "Wolf Creek
1 + 2", dem Krokodil-Horror "Rogue" und der
Splatterkomödie "Das Belko Experiment". Mit "Jungle"
versucht McLean jedoch tatsächlich etwas Neues, wenngleich auch dieses auf
einer wahren Story beruhende Survival-Drama sich durchaus einige
Horrorelemente bewahrt. Im Vordergrund steht allerdings Yossis dramatischer und
scheinbar aussichtsloser Überlebenskampf, der Daniel Radcliffe ein weiteres Mal
die Gelegenheit gibt, in einer (auch körperlich) anspruchsvollen und ziemlich extremen Rolle zu
glänzen – wie zuvor unter anderem in dem Horrorfilm "Horns", der
skurrilen Tragikomödie "Swiss Army Man" oder dem Neonazi-Thriller
"Imperium". Die zweite Filmhälfte trägt Radcliffe fast alleine und
er sorgt damit für die meisten Höhepunkte eines guten und spannenden, aber
erzählerisch bedauerlicherweise recht unterentwickelten Abenteuerfilms.
Die Einführung der zentralen Figuren bringt McLean ziemlich
schnell hinter sich: Yossi, Marcus und Kevin lernen sich kennen und sind fast
sofort allerbeste Freunde. Dieses Tempo behält "Jungle" zunächst bei,
denn nach dem Zusammentreffen mit Karl machen sie sich nach nur kurzem Zögern
sofort auf die gefährliche Expedition – wo es mit den ersten
Schwierigkeiten ebenso schnell zu größeren Zwistigkeiten kommt. Es ist
unverkennbar, daß McLean an diesem relativ konventionellen Teil der Geschichte
kein allzu großes Interesse zeigt. Die Charaktere erhalten kaum Tiefe, wir
erfahren auch fast nichts über ihre Vergangenheit – abgesehen vom zentralen
Protagonisten Yossi, der es in dieser Hinsicht etwas besser getroffen hat.
So richtig glaubwürdig wirkt es jedenfalls nicht, wie schnell und intensiv sich
zunächst die Freundschaft zwischen den Abenteurern entwickelt, dann aber auch
die Animositäten. Da reicht es aus, daß Marcus die Gruppe wegen einer
Fußblessur verlangsamt und schon herrscht speziell zwischen ihm und dem ehrgeizigen Kevin
regelrecht Eiszeit. Natürlich ist es nachvollziehbar, daß ob
der Strapazen einer tendentiell eher dilettantisch geplanten Dschungel-Expedition nicht alles
eitel Sonnenschein ist, McLean und Drehbuch-Autor Justin Monjo (TV-Serie "Farscape") gelingt es aber
nicht, die Dynamik innerhalb des Quartetts sich authentisch und harmonisch
entwickeln zu lassen.
Für etwas Pfeffer im Beziehungsgeflecht sorgt derweil Karl, der
aufgrund seines Alters und der Tatsache, daß er der Neue in der Gruppe ist
(auch wenn die anderen sich nicht so viel länger kennen), einen gewissen
Außenseiter-Status einnimmt. McLean zeigt Karl bewußt rätselhaft und hat ihn
ideal besetzt mit dem deutschen Hollywood-Schauspieler Thomas Kretschmann, der
Karl mit genau dem richtigen Maß leichter Zwielichtigkeit und übertriebenen
Eifers in seinen naturschutz-aktivistischen Vorstellungen verkörpert, daß man
ihm niemals völlig vertraut. Er ist gewissermaßen die Unbekannte in der
Gleichung und während die anderen seiner Führung und seiner Ortskenntnis zunächst nahezu blind vertrauen (Marcus nennt ihn gar scherzhaft "Papa"),
bekommt vor allem Kevin rasch Zweifel – die letztlich in der Zweiteilung der
Gruppe resultieren. Erst ab diesem Zeitpunkt nimmt "Jungle" richtig
Fahrt auf, was zunächst einmal wörtlich zu nehmen ist mit der mit Abstand
stärksten Actionsequenz in "Jungle", einer atemberaubend intensiv
und immersiv gefilmten Floßfahrt durch einen reißenden Canyon zur treibenden Musik von Tom Tykwers Stammkomponist Johnny Klimek ("Cloud Atlas"). Großen Respekt hat sich dafür
Kameramann Stefan Duscio ("The Mule") verdient, der auch in den
ruhigeren Momenten mit vielen atmosphärischen, ja sogar idyllischen
Dschungelaufnahmen á la "Die versunkene Stadt Z" beeindruckt. In der Folge auf sich allein gestellt, zeigt
Daniel Radcliffe – der in der Originalfassung übrigens mit einem (zumindest für
mich als Laien) überzeugenden israelischen Akzent spricht – eine wahre Tour de
Force, die auch einige Ekelszenen umfaßt. Da kommt eben Greg McLeans
Horror-Vergangenheit zum Tragen, wenngleich es hier eine andere Art von Horror
ist. Yossis Überlebenskampf weckt trotz seiner größeren Beweglichkeit
Erinnerungen an Danny Boyles "127 Hours", zumal es auch bei Yossis
Geschichte kurze Flashbacks in seine Vergangenheit gibt, welche die überwiegend
sprachlose Monotonie seiner Leiden und Mühen aufbrechen. Zudem wird Yossi
von Halluzinationen geplagt, die wiederum an Werner Herzogs
Meisterwerk "Aguirre, der Zorn Gottes" gemahnen. Radcliffe zeigt in
diesem langen dritten Akt von "Jungle" eine sehr starke,
unerschrockene Leistung, die es dem Publikum leicht macht, mit ihm mitzufiebern
und zu -leiden. Festzuhalten bleibt aber auch, daß genreaffine Zuschauer kaum
etwas erleben, das es nicht schon ähnlich in früheren Survival-Filmen
zu sehen gegeben hätte.
Ein paar künstlerische Freiheiten hat sich "Jungle"
in seiner Geschichte übrigens genommen, weitgehend entspricht er aber dem, was
tatsächlich geschah (soweit es bekannt ist). Einen echten Clou hat
"Jungle" ganz zum Schluß zu bieten: Ich will natürlich nicht zu
viel verraten, aber sehr wahrscheinlich ist dies der erste Film, auf den sich
durch den abschließenden "Was wirklich geschah"-Infotext rückblickend
eine gänzlich neue Perspektive eröffnet. Was man hier erfährt, ist eine wahrlich
unerwartete, dramatische Wendung, die einen während des Abspanns mit einem
dicken Kloß im Hals zurückläßt – und mit der Erkenntnis, daß McLean ab dem
zweiten Akt auch eine ganz andere (dann aber spekulativere) Story hätte
erzählen können, die eigentlich sogar besser zu seinem bisherigen Schaffenswerk
gepaßt hätte. Ob es eine noch bessere Geschichte gewesen wäre, werden wir niemals
erfahren, aber Yossis Überlebenskampf reicht auf jeden Fall aus für einen
spannenden, intensiven Film, bei dem einem jedoch die handelnden Figuren ziemlich fremd bleiben.
Fazit: "Jungle" ist ein spannendes und eindrucksvoll
gefilmtes Survival-Drama mit einem erneut stark aufspielenden Daniel Radcliffe,
der die hauchdünne Figurenzeichnung und den Mangel an Neuem ziemlich gut
kompensiert.
Wertung: Knapp 7 Punkte.
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