Originaltitel: It
Regie: Andy Muschietti, Drehbuch: Chase Palmer, Cary
Fukunaga, Gary Dauberman, Musik: Benjamin Wallfisch
Darsteller: Jaeden Lieberher, Sophia Lillis, Bill Skarsgård,
Jeremy Ray Taylor, Finn Wolfhard, Jack Dylan Grazer, Chosen Jacobs, Wyatt
Oleff, Nicholas Hamilton, Owen Teague, Jackson Robert Scott, Stephen Bogaert, Megan Charpentier,
Javier Botet
FSK: 16, Dauer: 135 Minuten.
Es ist ein regnerischer Herbsttag im Oktober 1988 in der
ländlich geprägten Kleinstadt Derry, als der kleine Georgie Denbrough
(Jackson Robert Scott, der demnächst eine Hauptrolle in der TV-Serie
"Locke and Key" nach einer Comicreihe von Stephen Kings Sohn Joe Hill
übernehmen wird) beim Spielen mit seinem Papierschiff verschwindet – in
die Kanalisation hinabgezogen von dem dämonischen Clown Pennywise (Bill
Skarsgård, "Atomic Blonde"). Da das niemand gesehen hat, gilt Georgie
auch im kommenden Sommer noch offiziell als vermißt – wie etliche
weitere Kinder des Ortes. Viele Erwachsene scheinen die Hoffnung, sie lebend wiederzufinden, aufgegeben zu haben, nur Georgies Teenager-Bruder
Bill (Jaeden Lieberher, "Midnight Special", TV-Serie "Masters of
Sex") sucht unverdrossen nach ihm. Unterstützung bekommt der leicht stotternde
Außenseiter dabei von den drei übrigen Mitgliedern des "Clubs der
Verlierer", denen sich nach und nach drei weitere Jugendliche anschließen,
darunter als einziges Mädchen die leicht burschikose Beverly (Sophia Lillis). Tatsächlich kommen sie Pennywise
– der nur eine Gestalt der myseriösen Macht "Es" ist, die hinter dem Verschwinden der Kinder steht – näher, was aber nur bedingt eine gute Nachricht ist. Denn der bösartige Clown
ist noch immer auf der Suche nach Kinderseelen und bedient sich der größten
Ängste der Heranwachsenden, um sie direkt in seine teuflischen Fänge zu treiben …
Kritik:
Unglaublich, aber wahr: "Es" ist die
erste Stephen King-Adaption, die ich auf diesem Blog bespreche! Dabei ist es natürlich keineswegs so, daß ich keine kennen würde.
"The Green Mile", "Zimmer 1408" und "Der Nebel"
(eventuell auch "Die Verurteilten") habe ich sogar im Kino gesehen, aber das ist eben schon eine ganze Weile her.
In den letzten Jahren waren die wenigen King-Kinofilme Flops, die ich gar nicht
erst angeschaut habe (das "Carrie"-Remake, "Der Dunkle Turm"),
die interessanteren Adaptionen fand man eher in Serienform
("Dead Zone", "Haven", "11.22.63", "Mr.
Mercedes"). Zu den Top 5 meiner persönlichen
Lieblings-King-Filme zählt neben "Carrie", "Dolores",
"Die Verurteilten" und "The Green Mile" Rob Reiners "Stand by
Me – Das Geheimnis eines Sommers" aus dem Jahr 1986. Dieser wunderbar
nostalgische Coming of Age-Film mit River Phoenix ist zwar kein typischer
King-Stoff, doch ganz fremd ist das Genre dem Großmeister des Horrors auch
nicht. Und so kann es kaum verwundern, daß zu seinen erfolgreichsten Romanen
der 1500 Seiten starke "Es" zählt, der eine stark an "Stand by
Me" erinnernde Coming of Age-Geschichte mit gruseligen Horrorelementen
kombiniert (und so wohl Hauptinspirationsquelle für J.J. Abrams' 1980er Jahre-Kino-Hommage "Super 8" war). Das Buch habe ich bislang nicht gelesen
und kann deshalb keine direkten Vergleiche ziehen, aber die (nach einem
TV-Zweiteiler mit "The Rocky Horror Picture Show"-Star Tim Curry in der
Pennywise-Rolle) Neuverfilmung unter der Regie des Argentiniers
Andy Muschietti ("Mama") beschränkt sich sinnigerweise darauf, nur
einen Teil der Vorlage zu erzählen – einen weiteren gibt es dann 2019, wenn die
27 Jahre später spielende Fortsetzung in die Kinos kommt. Eine solche
Fortsetzung war übrigens von Anfang an geplant und daß sie definitiv kommen wird,
ist quasi seit dem Tag des US-Kinostarts klar, denn "Es" avancierte
in den USA innerhalb kurzer Zeit zum kommerziell erfolgreichsten Horrorfilm
aller Zeiten, im Rest der Welt lief er ebenfalls höchst erfolgreich (in Deutschland
etwa löste er mit mehr als drei Millionen Kinogängern "The Green
Mile" als bestbesuchte King-Adaption ab). Das ist nicht unverdient, da
"Es" fraglos ein guter Film mit vielen Stärken ist – an die besten
King-Verfilmungen reicht er aufgrund einiger Längen und etwas zu vieler
Stereotypen jedoch nicht ganz heran.
Die beiden größten Stärken von "Es" sind leicht zu
benennen: Die ungemein effektiv in Szene gesetzten Gruselmomente und die von exzellent
gecasteten Darstellern gespielte verschworene Truppe vermeintlicher Loser.
Die wird interessanterweise fast wie in einem Multi-Superhelden-Film
eingeführt, in dem ein Mitglied nach dem anderen "rekrutiert" wird
und man es auf diese Weise besser kennenlernt. Zumindest gilt das für die letzten drei,
denn das zentrale Quartett ist bereits zu Beginn des Films unzertrennlich und
für eine bessere Unterscheidbarkeit relativ stereotyp gezeichnet, indem eine
ungewöhnliche Eigenart in den Vordergrund gestellt wird. Bei Bill ist es sein
Stottern, bei Eddie (Jack Dylan Grazer, "Tales of Halloween") seine
kränkliche Konstitution, Richie (Finn Wolfhard, TV-Serie "Stranger
Things") denkt ständig nur an Sex und der kurz vor seiner Bar Mitzwa
stehende Stan (Wyatt Oleff, der junge Peter Quill in "Guardians of the Galaxy") hat eine Keimphobie. Mir persönlich ist das etwas zu
plakativ und unelegant, doch es läßt sich nicht leugnen, daß es funktioniert:
Obwohl sie fast nur im Team zu sehen sind, kann man die "Verlierer"
schnell gut voneinander unterscheiden. Bei den drei nach und nach dazustoßenden
Neuzugängen ist das sogar noch leichter, denn Beverly ist das einzige Mädchen,
Ben (Jeremy Ray Taylor) ist pummelig und Heimschüler Mike (Chosen Jacobs,
TV-Serie "Hawaii Five-O") ist schwarz. Gemein haben sie alle, daß sie
Zielscheiben des älteren Nachwuchs-Psychopathen Henry Bowers (Nicholas Hamilton,
"Der Dunkle Turm") und seiner Bande sind, was sie naturgemäß nur noch
stärker zusammenschweißt. Erneut muß ich jedoch einen Mangel an Subtilität
anprangern, denn Sheriff-Sohn Henry und seine Freunde sind nicht einfach
typische Mobber, nein, speziell Henry erfüllt so ziemlich jedes "künftiger
Serienkiller"-Klischee. Ähnlich sieht es bei den Erwachsenen aus, die im
besten Fall nutzlos sind und im schlimmsten hochkriminell. Das erfüllt zwar durchaus einen dramaturgischen Zweck, weil es den für den Kampf gegen Pennywise nötigen Reifeprozeß der Teenager beschleunigt; trotzdem hätte "Es" eine solch
auffällige Schwarz-Weiß-Malerei gar nicht nötig gehabt –
sie sorgt aber dafür, daß der Film im Vergleich zu "Stand by Me" oder
"Super 8" insgesamt deutlich weniger authentisch rüberkommt.
Dafür entschädigt jedoch das harmonische Zusammenspiel
der sieben "Loser", deren Verhalten und Abenteuer trotz mancher
Fremdschäm-Momente (je nach Zuschauer vermutlich mehr oder weniger) wohlige
Erinnerungen an die eigene Jugend weckt. Wie in "Super 8" (dem Film,
der Elle Fanning zum Durchbruch verhalf) ist es auch bei "Es" das
einzige Mädchen in der Runde, das den stärksten Eindruck hinterläßt: Sophia Lillis
ist als Beverly hinreißend, sie wechselt scheinbar spielerisch von
trotzigem Selbstbewußtsein über stille Verzweiflung und jugendliche
Ausgelassenheit hin zu zarter Verletzlichkeit, bei der man sie einfach nur
in die Arme nehmen möchte. Obwohl bei allen sieben kurz auf ihre familiären
Hintergründe eingegangen wird (die bei keinem sonderlich schön sind – wie gesagt:
hier gibt es fast nur nutz- und verständnislose Erwachsene), ist Beverlys die
interessanteste und drastischste, womit sie neben Bill mit seiner hartnäckigen
Suche nach den Vermißten rasch zum emotionalen Zentrum von "Es"
avanciert. Daß sich gleich zwei der Jungs aus dem "Club" in die von
Richie nicht zu Unrecht mit 1980er Jahre-Teenie-Ikone Molly Ringwald
verglichene Beverly verlieben, hätte für meine Begriffe jedoch nicht unbedingt sein
müssen; auch Beverlys gezwungenermaßen passive Rolle im Finale (die der ursprüngliche Drehbuch-Entwurf von "True Detective"-Regisseur Cary Fukunaga noch nicht vorsah) wirkt unnötig altmodisch-klischeehaft. Andere Dinge hätten dafür ruhig ausführlicher thematisiert werden können. Speziell nach der finalen Konfrontation mit Es/Pennywise bleiben doch einige Fragen offen (nicht nur solche, die vielleicht bewußt für die Fortsetzung aufgespart werden).
Hinsichtlich der Horrorelemente legt schon der Prolog mit
Georgies Verschwinden die Meßlatte hoch, denn die Entführung des naiven Kindes
wird genüßlich in die Länge gezogen mit einem längeren Dialog zwischen Georgie
und Pennywise, der den übernatürlichen Clown prompt als das große Übel der Story etabliert – auch dank der eindrucksvollen, zwischen charismatischer
Verlockung und abstoßend-furchterregender Irrheit changierenden Leistung des
schwedischen Schauspielers Bill Skarsgård (einer der vielen Söhne von
"Avengers"-Star Stellan Skarsgård). Den direkten Vergleich mit der
Kultstatus besitzenden Leistung von Tim Curry in der gleichen Rolle im TV-Film von
1990 kann ich nicht ziehen, da ich den nie gesehen habe; Erinnerungen an Heath
Ledgers Joker in "The Dark Knight" dürften aber unvermeidlich sein,
wobei Skarsgård diesen Vergleich nicht zu scheuen braucht – wenngleich sein
Pennywise bei weitem keine so komplexe Figur ist wie der Joker, da er nach dem starken Prolog "nur" noch als klassisches Schreckgespenst fungiert. Das tut er jedoch
(trotz mitunter unnötig kompliziert erscheinender Vorgehensweise) ausgesprochen effektiv, wobei Regisseur Andy Muschietti vor allem zu Beginn
erstaunlich zeigefreudig vorgeht. Die deutsche FSK 16-Freigabe ist definitiv
verdient, allerdings fand ich ein paar Szenen für einen Film mit
ausschließlich jugendlichen Protagonisten dennoch unnötig explizit. Höchstes Lob
verdient dafür die Umsetzung der Ängste der Jugendlichen, die Pennywise
geschickt gegen sie wendet; besonders Stans Nemesis – eine Frau mit unheimlich
verzerrtem Gesicht aus einem Gemälde – ist eindrucksvoll in Szene gesetzt, aber
auch sonst geizt Muschietti nicht mit starken und effektvollen Gruselszenen, ohne auf
billige Jumpscares zurückzugreifen, wobei mir Mikes erste Begegnung mit Es/Pennywise besonders gut gefallen hat. Gelungen ist außerdem die musikalische
Untermalung durch den britischen Hans Zimmer-Schüler Benjamin Wallfisch
("Blade Runner 2049"), die wenig spektakulär daherkommt, aber stets
den richtigen Ton setzt mit gefühlvollen, klavierlastigen Melodien in den
Coming of Age-Szenen und angemessen unheimlichen, phasenweise an Jerry Goldsmiths
legendären "Alien"-Score erinnernden Gruselklängen in den
Horrorsequenzen. Diese atmosphärischen wie auch inszenatorischen Stärken im Zusammenspiel mit dem reizvollen Teenager-Cast sorgen dafür, daß "Es" insgesamt richtig gut funktioniert und man sich auf die Fortsetzung freuen darf (die zwar 27 Jahre später spielen, aber Flashbacks enthalten wird, womit die jungen Schauspieler wieder an Bord sein werden).
Fazit: "Es" ist eine spannende, sehr stimmungsvolle Kombination aus Coming of Age-Story und Horrorfilm, die mit
guten Jungdarstellern und einem grausigen Antagonisten glänzt, jedoch ein paar
erzählerische Längen offenbart und bei der Figurenzeichnung etwas zu
holzschnittartig vorgeht.
Wertung: 7,5 Punkte.
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