Originaltitel:
Zootopia
Regie:
Byron Howard, Rich Moore und Jared Bush, Drehbuch: Jared Bush und Phil
Johnston, Musik: Michael Giacchino
Sprecher
der Originalfassung: Ginnifer Goodwin, Jason Bateman, Idris Elba, J.K. Simmons,
Jenny Slate, Shakira, Nate Torrence, Maurice LaMarche, Raymond S. Persi, Octavia Spencer, Alan
Tudyk, Tommy Chong, Kristen Bell
FSK: 0, Dauer: 109 Minuten.
Obwohl ihre Eltern wollen, daß sie in das Familiengeschäft
mit dem Anbau und dem Verkauf von Rüben einsteigt, hat die junge Häsin Judy
Hopps seit jeher nur einen Wunsch: Sie will unbedingt Polizistin in Zoomania werden, jener
Metropole, in der alle möglichen Tierarten in sechs Stadtteilen mit
verschiedenen simulierten Klimazonen friedlich miteinander leben. Dieser
scheinbaren Idylle zum Trotz ist Judys Vorhaben sehr ungewöhnlich, wird doch die Polizei von größeren und bedrohlicheren Tieren
dominiert wie Bären, Nashörnern und selbstverständlich: Bullen (okay,
eigentlich Büffel …). Doch nachdem sie die Polizeiakademie als Jahrgangsbeste
abschließt, führt an Judy kein Weg vorbei – allerdings wird sie von Chief Bogo
erst einmal dazu verdonnert, Strafzettel für Falschparker zu schreiben. Dabei
lernt sie immerhin den charmanten Fuchs-Gauner Nick Wilde kennen, der sich noch
als große – wenngleich unwillige – Hilfe bei Judys erstem großen Fall erweisen
soll, denn in Zootropolis sind mehrere Einwohner spurlos verschwunden, darunter
Mr. Otterton. Judy bekommt von Chief Bogo nur 48 Stunden, um ihn zu finden; sonst muß sie den
Polizeidienst verlassen …
Kritik:
Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Disneys "Zoomania"
ist in meinen Augen der beste amerikanische Animationsfilm seit "WALL*E",
der im Jahr 2008 in die Kinos kam! Wobei ich anmerken muß, daß ich die
englischsprachige Originalfassung gesehen habe (in der Zoomania übrigens
treffender Zootopia heißt, was in Deutschland wie auch in einigen anderen Ländern aus
lizenzrechtlichen Gründen nicht möglich war) und daher die deutsche
Synchronfassung nicht beurteilen kann – und bei Animationsfilmen spielen
Sprecherauswahl und Dialogbuch ja bekanntlich eine bedeutende Rolle. Doch da
"Zoomania" keineswegs nur mit den Sprechern überzeugen, ja sogar begeistern
kann, sondern ebenso animationstechnisch und vor allem inhaltlich, sollte das für
meine Rezension kein großes Hindernis sein. Dem Regie-Trio Byron
Howard ("Rapunzel"), Rich Moore ("Ralph reicht's") und
Jared Bush (der mit Phil Johnston auch für das hervorragende Drehbuch
verantwortlich zeichnet) ist nämlich das in diesem Genre doch eher seltene
Kunststück gelungen, die für Animationsfilme so klassische Komödienhandlung mit
Botschaft mit einem richtig guten und ernsthaft verfolgten Kriminalfall zu
kombinieren.
Diese Mischung sorgt dafür, daß eigentlich jede Art
(und Altersgruppe) von Zuschauern viele gute Gründe erhält, sich vortrefflich zu
amüsieren – ob das nun die witzigen Slapstick-Szenen sind, der gut durchdachte und dabei nicht allzu vorhersehbare Krimiplot, die sympathischen, in mehrfacher Hinsicht liebevoll
gezeichneten (übrigens allesamt aufrecht gehenden) Figuren oder gelegentliche Filmzitate (erste Lehre aus
"Zoomania": Es kann einfach nicht zu viele gute "Der
Pate"-Parodien geben!). Besonders gerne werden übrigens sympathischerweise selbstironisch typische
Disney-Klischees veralbert – eine speziell auf Englisch deutliche Anspielung
auf "Die Eiskönigin" in einer grimmigen Rede von Chief Bogo ist in
dieser Hinsicht besonders positiv hervorzuheben. Zudem wird die bei
amerikanischen Familien-Animationsfilmen unvermeidliche Message sehr
angenehm präsentiert, denn wenngleich der Aufruf gegen Diskriminierung und
Vorurteile unübersehbar ist, so wirkt er doch kaum einmal (bis auf den Schluß
vielleicht) zu aufdringlich und plakativ, ist vielmehr vergleichsweise
geschickt in die Handlung eingeflochten und bringt Kindern unaufgeregt etwas
über Gleichberechtigung und Diskriminierung bei. Zudem ist die Thematik der
sozialen Unterschiede und traditionell gehegten Vorurteile natürlich gerade in
der heutigen Zeit extrem wichtig, weshalb speziell eine unerwartete (und
unerwartet ernste) Wendung vor dem Schlußdrittel des Films hochspannend ist –
auch wenn sie sich dann etwas zu schnell wieder in Wohlgefallen auflöst. Am
Rande bemerkt ist es übrigens sehr interessant, daß "Zoomania"
ausgerechnet in China ein Megahit wurde, er zählt zu den zehn kommerziell
erfolgreichsten Filmen aller Zeiten; dabei paßt die Handlung zwar natürlich gut
in die offizielle kommunistische Lesart der Staatsführung hinein, in die von Raubtierkapitalismus, Korruption und
sozialer Ausbeutung geprägte graue Realität dagegen deutlich weniger ...
Aber bevor das jetzt doch so klingt, als ginge es in
"Zoomania" nur um Political Correctness: Das alles ist, wie gesagt,
weitgehend ziemlich subtil eingeflochten und wenn man will, kann man es auch
problemlos komplett ignorieren und sich über die Comedy und den Krimi und vor
allem die spritzigen Dialoge freuen. Denn die gibt es reichlich und vor
allem das ungleiche zentrale Paar Judy Hopps und Nick Wilde harmoniert schlicht
und ergreifend prächtig. Da gibt es nicht nur bewährte
Buddy-Movie-Elemente á la "Nur 48 Stunden" (ein Film, auf den mit der Zeit, die Judy für ihre Ermittlungen bleibt, ganz direkt angespielt wird), man fühlt sich bei den leidenschaftlichen Disputen
zwischen den beiden gar wohlig an klassische Screwball-Comedys von Billy Wilder
("Manche mögen's heiß"), Frank Capra ("Es geschah in einer
Nacht"), George Cukor ("Die Nacht vor der Hochzeit") oder Ernst
Lubitsch ("Ninotschka") erinnert – nur ohne deren sexuelle oder auch
nur romantische Komponenten. Zwischen Judy und Nick knistert es zwar wie
verrückt, aber auf einer rein platonischen Ebene, was wunderbar funktioniert.
Und es darf einfach nicht ungesagt bleiben: Judy Hopps ist einfach die
niedlichste Filmfigur seit … ach, was weiß ich, E.T. vielleicht? Auch wenn so etwas,
wie wir früh lernen, eigentlich nur andere Hasen über einen Hasen sagen dürfen
…
An dieser Stelle kommen selbstverständlich die Sprecher besonders
zum Tragen und in der Originalfassung liefern Ginnifer Goodwin (Snow White aus
der TV-Serie "Once Upon a Time") und Jason Bateman ("Juno")
als eine moderne (wie gesagt: romantikfreie) Variante des sich ständig kabbelnden Detektiv-Ehepaars Nick und
Nora Charles aus der unerreichten "Der dünne Mann"-Reihe in den 1930er Jahren
eine wahrlich herausragende Leistung ab. Idris Elba gibt einen wunderbar
knorrigen Chief Bogo ab und auch die durchgehend amüsanten Nebenrollen sind mit
Hochkarätern wie J.K. Simmons (als Bürgermeister Lionheart), Alan Tudyk,
Octavia Spencer, Kristen Bell, Tommy Chong (in einer angemessen, äh, relaxten Rolle) oder Popstar Shakira (als Popstar Gazelle)
glänzend besetzt. Ein absolutes Highlight ist außerdem der eigentliche "Die
Simpsons"-Regisseur Raymond S. Persi (in der deutschen Synchronfassung:
Comedian Rüdiger Hoffmann) als das Beamten-Faultier Flash, dessen große Szene als
erster Trailer zum Film diente, schon jetzt Kult ist und mutmaßlich ein entscheidender Faktor
für die sensationellen globalen Einspielergebnisse von "Zoomania" war.
Doch auch ansonsten gibt es viele witzige Einfälle und einige von Michael Giacchinos ("Alles steht Kopf") verspielter Musik untermalte rasante
Verfolgungsjagden durch die abwechslungreich gestalteten Klimazonen von
Zoomania. Angesichts der deutschen Altersfreigabe ohne jede Begrenzung möchte
ich jedoch anmerken, daß der recht komplexe Kriminal-Handlungsstrang (mit
einigen düsteren Momenten) für ganz kleine Zuschauer kaum nachvollziehbar sein
dürfte. Es wird manchmal vergessen, aber die FSK entscheidet eben lediglich
darüber, ob ein Film nach der Einschätzung der Prüfer für Kinder einer bestimmten
Altersstufe "schädlich" sein könnte; ob besagte Kinder der Handlung
folgen können, ist dafür weitgehend unerheblich.
Fazit: "Zoomania" ist ein wunderbar
beschwingter Animationsfilm, der inhaltlich an die besten Zeiten von Disney
erinnert, mit seiner gewitzt geschriebenen Kombination aus Comedy und Krimi und
dem herrlich zankenden zentralen Protagonisten-Paar für beste
Unterhaltung sorgt und als i-Tüpfelchen auch noch eine nicht zu platt
verkaufte, aber umso wichtigere Botschaft (nicht nur) für die kleineren
Zuschauer bereithält.
Wertung: 9 Punkte.
Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger amazon.de-Bestellungen über einen der Links in den Rezensionen oder das amazon.de-Suchfeld in der rechten Spalte freuen.
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