Originaltitel:
Captain America: Civil War
Regie: Anthony und Joe Russo, Drehbuch: Christopher Markus
und Stephen McFeely, Musik: Henry Jackman
Darsteller:
Chris Evans, Robert Downey Jr., Sebastian Stan, Scarlett Johansson, Daniel Brühl, Chadwick
Boseman, Elizabeth Olsen, Paul Bettany, Anthony Mackie, Paul Rudd,
Tom Holland, Don Cheadle, Jeremy Renner, Emily VanCamp, William Hurt, Frank Grillo, Martin
Freeman, Marisa Tomei, John Slattery, Hope Davis, Alfre Woodard, John Kani, Jim
Rash, Leslie Bibb, Kerry Condon (Stimme), Stan Lee
Als ein Einsatz der neuen Avengers (also ohne Thor und Hulk,
dafür nun mit Scarlet Witch und Falcon) in Nigeria wieder einmal Kollateralschäden
in der Zivilbevölkerung verursacht, nimmt eine Entwicklung ihren Lauf, die das
Ende der Superhelden-Truppe in ihrer bisherigen Form bedeuten könnte: In
Zukunft sollen die Avengers unter Aufsicht der UNO stehen und auch nur noch auf
deren Geheiß eingreifen. Tony Stark (Robert Downey Jr., "Sherlock Holmes"), der noch
immer von Schuldgefühlen wegen des fatalen Amoklaufs seiner Schöpfung Ultron
geplagt wird, stimmt dem vom neuen US-Außenminister Ross (William Hurt, "Robin Hood")
vorgelegten Plan zu, während Steve Rogers (Chris Evans,
"Snowpiercer") aufgrund seiner Erfahrungen in der Vergangenheit ihn
rundweg ablehnt. Beide wissen etliche Superhelden auf ihrer Seite, doch auch
wenn nicht alle einverstanden sind, wollen die übrigen bei einer
UNO-Versammlung in Wien den Vertrag unterschreiben. Das allerdings wird durch
einen Bombenanschlag verhindert, scheinbar ausgeführt von Steves ehemaligem besten Freund "Bucky"
Barnes (Sebastian Stan, "Captain America"), dem von der Nazi-Geheimorganisation Hydra gehirngewaschenen "Winter
Soldier". Als Steve seinen Freund aufspürt, beteuert der, er habe nichts mit dem
Attentat zu tun – Steve will das zumindest überprüfen und stellt sich somit
endgültig gegen die Behörden und Tony Stark …
Kritik:
Eigentlich gehöre ich nicht zu jenen Menschen, die entweder
die Superhelden-Abenteuer von Marvel klar bevorzugen oder die von DC und die
jeweils anderen schon aus Prinzip nicht leiden können. Nein, mir geht es
schlicht und ergreifend um Qualität und Unterhaltsamkeit. Während Christopher
Nolans "Dark Knight"-Trilogie lag in meiner persönlichen Beliebtheitsskala
deshalb DC in Front, seitdem hat sich Marvel mit seinem immer umfangreicheren
Cinematic Universe klar in die Führungsposition geschoben. Obwohl mir also nicht
daran gelegen ist, Marvel und DC irgendwie gegeneinander auszuspielen, führt in
diesem Fall kein Weg daran vorbei, den in Deutschland arg umständlich betitelten
"The First Avenger: Civil War" und den wenige Wochen zuvor
gestarteten "Batman v Superman: Dawn of Justice" direkt miteinander
zu vergleichen. Und zwar deshalb, weil erstens beide eine ähnliche Prämisse
haben – beliebte Superhelden arbeiten plötzlich gegen- statt miteinander – und
zweitens "Civil War" unbeabsichtigt penibel aufzeigt, was DC bei
"Batman v Superman" alles falsch gemacht hat. Denn in so ziemlich
jeder Beziehung hat der dritte Captain America-Film die Nase vorn – abgesehen vom
Soundtrack, der bei "Civil War" aus der Feder von Henry Jackman ("Kingsman")
stammt und gewohnt gut und zweckmäßig ausfällt, aber nicht an die düstere
Wucht und leichte Exzentrik von Hans Zimmers und Tom Holkenborgs "Batman v
Superman"-Score heranreicht.
Einer der größten Schwachpunkte von "Batman v
Superman" war, daß der Konflikt zwischen den beiden Superhelden – so unterschiedlich
sie als Persönlichkeiten sein mögen – komplett an den Haaren herbeigezogen
wirkte und deshalb nie richtig glaubwürdig rüberkam. Bei "Civil War",
der Phase 3 des Marvel Cinematic Universe sehr vielversprechend einleitet, ist so etwas kein
Problem. Einmal liegt das daran, daß in den vorherigen Filmen – allen voran in
"Avengers: Age of Ultron" – ebenso reichlich wie vorbildlich
Vorarbeit geleistet wurde sowohl hinsichtlich des konkreten Konflikts
zwischen dem unermüdlichen Einsatz der Avengers für das Gute und den Kollateralschäden, die sie
dabei zwangsläufig hinterlassen, als auch der Figurenzeichnung der
einzelnen Superhelden. So sind in "Civil War" gar nicht
mehr allzu viele Worte nötig, um zu verdeutlichen, warum welcher Superheld welche Partei
ergreift. Iron Man zum Beispiel agiert aus Schuldgefühlen heraus, Falcon (Anthony Mackie, "The Hurt Locker")
hält loyal zu Captain America, Vision (Paul Bettany, "Der große Crash") agiert einfach
logisch/mathematisch, War Machine (Don Cheadle, "Hotel Ruanda") ist
im Kern der Befehle ausführende Soldat geblieben, Black Widow (Scarlett Johansson, "Lucy") ist zwischen ihrer engen Freundschaft mit Steve und ihrer zu Tony neigenden Überzeugung hin- und hergerissen und so weiter und so fort. Und
so kommt es, daß man sich in "Batman v Superman" lange (und ziemlich erfolglos) den Kopf über
die Beweggründe der Protagonisten zerbricht, während in "Civil War"
alles so wohlüberlegt und harmonisch dargelegt wird, daß man gar nicht auf die
Idee kommt, das anzuzweifeln.
Zusätzlich begünstigt wird das dadurch, daß der
aktuelle Konflikt viel effektiver ist als beim Konkurrenzfilm von DC Comics.
Für Steve ist die Sache durch seine Freundschaft zu Bucky persönlich, für den
alten Kriegskameraden ist er auch bereit, die Regeln zu brechen, um die
Wahrheit herauszufinden. Tony wirft ihm deshalb keineswegs zu Unrecht
Voreingenommenheit vor – ohne dabei zu bemerken, daß er selbst durch seine
Gewissensbisse (die auch noch von Außenminister Ross und Angehörigen von Opfern
des Ultron-Desasters verstärkt und gelenkt werden) mindestens ebensowenig
objektiv denkt und handelt. Und dann ist da ja auch noch der mysteriöse Zemo
(Daniel Brühl, "Rush") – anders als in den Comics übrigens weder Nazi
noch Deutscher, sondern osteuropäischer Herkunft, was auch seinen leichten
Akzent erklärt, der anfangs irritierend wirkt –, der im Hintergrund geschickt
die Fäden zieht. Zemo mag nicht so schillernd sein wie "The Avengers"-Bösewicht Loki oder wie sein mehr oder weniger direktes "Batman
v Superman"-Pendant Lex Luthor, die Handlung bringt er jedoch wesentlich
besser und authentischer voran, auch wenn seine Motivation sich als recht klischeehaft (aber deshalb nicht weniger glaubwürdig) herausstellt. Dieses Zusammenspiel aus der geleisteten Vorarbeit,
glaubwürdigen Konflikten und einem gerissenen Strippenzieher sorgt dafür, daß
der Konflikt der Superhelden in "The First Avenger: Civil War" um ein
Vielfaches natürlicher wirkt als es in "Batman v Superman" der Fall ist. Lediglich
die Frage der Verantwortlichkeit der Avengers für die materiellen und
personellen Schäden ihrer Einsätze hätte – und das ist eine Parallele zum
DC-Film – gerne noch etwas intensiver beleuchtet werden dürfen.
Stattdessen widmet sich das bereits mit "Captain America 2" bewährte Regieduo Anthony und Joe Russo – an dessen Vorgeschichte als Regisseure der kultigen Comedyserie
"Community" übrigens gleich zu Beginn durch einen netten Gastauftritt
von Jim Rash (alias Dekan Pelton) erinnert wird, der auch hier in einer Uni
arbeitet … – lieber der handfesten Umsetzung besagter Konflikte zwischen
"Team Tony" und "Team Steve". Leider zeigt sich das Marvel
Cinematic Universe auch hier konsequent, indem es für meinen Geschmack einmal mehr etwas zu
stark auf Action und etwas zu wenig auf Handlung und Dialoge setzt, wobei
"Civil War" sogar zu den actionreichsten Werken der Reihe zählen
dürfte. Keine Frage, diese Action macht riesigen Spaß und ist dabei (in gewohnt
solider bis guter 3D-Qualität, die aber nicht die Brillanz etwa von "The Jungle Book" erreicht) wahrscheinlich sogar noch etwas raffinierter
und innovativer choreographiert als man das von den Marvel-Filmen
gewohnt ist. Alle beteiligten Superhelden kommen hervorragend zur Geltung und
dürfen vor allem in den Kämpfen gegeneinander ihre bekannten Stärken zeigen und
teilweise sogar neue entwickeln (was schon deshalb notwendig ist, da ja keiner
jemanden aus dem "gegnerischen" Team ernsthaft verletzen oder gar
töten will – weshalb übrigens der Filmtitel stark übertrieben ist). Highlights setzen interessanterweise die neueren Avengers,
allen voran Scarlet Witch (Elizabeth Olsen, "Godzilla") – die mich
mit ihren Kräften schon in "Age of Ultron" begeisterte und das in
"Civil War" nahtlos fortsetzt – und der sich mit seinem schnoddrigen
Humor perfekt in die Riege einfügende Ant-Man (Paul Rudd, "Vielleicht lieber morgen"), aber auch Vision und in seinem ersten Auftritt der
neue Teenager-Spider-Man (Tom Holland, "The Impossible"). Dabei setzt
das Drehbuch auf eine ausgewogene Mischung aus Verbissenheit und Humor mit
vielen amüsanten Onelinern. Auch an Selbstironie mangelt es dem ganzen Film
nicht, wie etwa die Antwort von Peter Parkers nach Rosemary Harris (Sam
Raimis "Spider-Man"-Trilogie) und Sally Field (in den beiden
"The Amazing Spider-Man"-Filmen) diesmal von Marisa Tomei ("The Ides of March") verkörperter Tante May auf Tonys Bemerkung, er habe sie sich irgendwie
anders vorgestellt, belegt: "Uns gibt es in allen Größen und Formen" …
Trotzdem: Ein bißchen mehr Storytiefe hätte es für meinen Geschmack schon seit dürfen. Das eigentliche Finale in Sibirien geht gegenüber dem
epochalen Kampf zwischen den Avengers dementsprechend fast ein wenig unter, was auch daran
liegt, daß Zemo eben kein klassischer größenwahnsinniger Schurke mit Welteroberungsplänen ist, sondern
"nur" ein hochintelligenter Mann auf einer sehr persönlichen Mission. Die Auflösung
dieses Handlungsstrangs ist recht gelungen, aber nicht allzu spektakulär, womit es letztlich
dabei bleibt, daß Marvel in Sachen Antagonisten (abgesehen von dem grandiosen Loki)
gerade gegenüber DC immer noch einiges aufzuholen hat. Zemo, von Daniel Brühl
betont unaufgeregt und gerade deshalb so authentisch verkörpert, ist definitiv
ein Schritt in die richtige Richtung und ich bin gespannt, ob wir ihn noch
einmal zu sehen bekommen werden. Wünschenswert wäre es in jedem Fall, zumal das
Marvel Cinematic Universe bislang arg verschwenderisch mit seinen
Schurkenrollen umging, die auch kaum einmal mehr als zwei Filme überleben
durften. Schauspielerisch ist ansonsten nicht viel zu sagen zu "Civil
War": Die Avengers-Darsteller machen ihre Sache so gut wie immer, wobei Evans und Downey aufgrund der längsten Leinwandzeit auch am meisten
aus ihren Figuren herausholen können. Sebastian Stan profitiert außerdem von
seiner vergrößerten Rolle (und beweist nebenbei auch, daß er durchaus einen
guten neuen Captain America abgeben könnte, falls Chris Evans die Rolle irgendwann
abgibt), während Neuzugang Black Panther (Chadwick Boseman, "Get On Up"), Teil der Herrscherfamilie des hochentwickelten, aber lange isoliert gebliebenen afrikanischen Kleinstaates Wakanda, neugierig macht auf
seinen für Anfang 2018 eingeplanten ersten Solofilm. Auf Seiten der "Normalos"
hat Martin Freeman ("Der Hobbit") als ein hochrangiges Mitglied einer
übernationalen Antiterror-Behörde leider nur wenige Szenen, dafür liefert
William Hurt ein erfreuliches Comeback ab in der Rolle des
"Thunderbolt" Ross, in der er erstmals 2008 in "Der unglaubliche Hulk" (da noch als General Ross) agierte. Insgesamt hat Marvel wieder ein hochkarätiges Ensemble zusammengetrommelt, das harmonisch agiert und bei
dem wundersamerweise der Fülle der Figuren zum Trotz niemand zu kurz kommt. Das
Ergebnis ist der in meinen Augen neben Joss Whedons "The Avengers"
bisher beste Film aus dem Marvel Cinematic Universe (der übrigens zu nicht geringen Teilen im Studio Babelsberg sowie vor Ort in Berlin und am Flughafen Leipzig/Halle gedreht wurde).
Fazit: "The First Avenger: Civil War" ist ein
hochgradig unterhaltsames Superheldenabenteuer mit einem großen, hervorragend eingesetzten Ensemble, jeder Menge Action
und Humor und einem nicht allzu tiefschürfend, dafür jedoch sehr
glaubwürdig dargelegten zentralen Konflikt.
Wertung: 9 Punkte.
Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger amazon.de-Bestellungen über einen der Links in den Rezensionen oder das amazon.de-Suchfeld in der rechten Spalte freuen.
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