Regie:
Stephen Frears, Drehbuch: Steve Coogan und Jeff Pope, Musik: Alexandre Desplat
Darsteller:
Dame Judi Dench, Steve Coogan, Anna Maxwell Martin, Sophie Kennedy Clark, Mare
Winningham, Barbara Jefford, Amy McAllister, Peter Hermann, Sean Mahon, Michelle Fairley, Ruth
McCabe, Wunmi Mosaku
FSK: 6, Dauer: 98 Minuten.
Martin Sixsmith (Steve Coogan, "In 80 Tagen um die
Welt", "Ruby Sparks") ist deprimiert. Einst ein renommierter Journalist, der dann als
einflußreicher Berater in die Politik wechselte, ist er nach einem Skandälchen
plötzlich arbeits- und antriebslos. Theoretisch will er ein Buch über russische
Geschichte schreiben, aber so richtig Lust darauf verspürt er nicht. Der Funke
der Inspiration überkommt ihn unerwartet, als er bei einer Party von einer
jungen Dame vom Catering angesprochen wird, die sich ihm als Jane (Anna Maxwell
Martin, "Geliebte Jane") vorstellt und die Geschichte ihrer Mutter
Philomena Lee (Dame Judi Dench, "Skyfall") erzählt, der vor 50 Jahren
als Teenager in Irland der unehelich geborene Sohn wegnommen und gegen ihren
Willen zur Adoption freigegeben wurde. Nach anfänglichem Zögern trifft sich der
zynische Martin mit der naiv-herzensguten alten Dame, und trotz ihrer
Gegensätzlichkeit entscheidet sich der Ex-Journalist, Philomena bei der Suche
nach ihrem Sohn zu helfen und daraus eine (von ihm eigentlich verachtete)
"Human Interest"-Story für ein Magazin zu machen ...
Kritik:
Obwohl "Philomena" insgesamt sehr positive
Kritiken (und vier OSCAR-Nominierungen) erhielt, gab es speziell in den USA
ein paar Rezensenten, die Regisseur Stephen Frears ("Gefährliche
Liebschaften", "Die Queen") eine "Haß-Kampagne" gegen
die katholische Kirche unterstellten. Eine haltlose, lächerliche
Unterstellung, denn angesichts der erwiesenen (und inzwischen ja sogar von der
irischen Kirche weitgehend eingestandenen; wer Interesse an der Thematik hat,
sollte mal nach dem "Ryan-Bericht" googlen) historischen Realität ist
Frears' Film sogar noch erstaunlich zurückhaltend inszeniert. Peter Mullan ging
da 2002 in seinem erschütterndem Drama "Die unbarmherzigen
Schwestern" deutlich aggressiver vor (und wurde dennoch von einigen Betroffenen kritisiert, in Wirklichkeit sei es viel schlimmer gewesen ...). Wobei Frears' Ansatz auch kein
Wunder ist, schließlich war das Verhalten der katholischen Kirche nicht nur
in dieser Angelegenheit von einer solch brutalen (physischen und psychischen)
Grausamkeit und Menschenverachtung, daß sie das nie wieder wird gutmachen können.
Alleine wenn man in einer bewußt dezent gehaltenen Rückblende miterleben muß,
wie während der Geburt von Philomenas Sohn trotz Steißlage und damit akuter
Lebensgefahr für Mutter und Kind kein Arzt gerufen wird (sinngemäßes Zitat aus dem Gedächtnis: "Die Schmerzen
sind Gottes Sühne für Dein sündiges Verhalten!"), ist es wahrlich nicht
mehr nötig, das irgendwie zu dramatisieren oder übertrieben in den
Vordergrund zu stellen. Stattdessen hat Stephen Frears aus dieser erschütternden
Geschichte eine tragikomische Charakterstudie zweier sehr unterschiedlicher
Persönlichkeiten gemacht, die sich nur wegen der katholischen Kirche
kennenlernen und eine ungewöhnliche Freundschaft entwickeln – und in der
Vergebung eine große Rolle spielt.
Dabei ist der atheistische Journalist Martin derjenige, den
das Verhalten der Kirche nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in der
Gegenwart (Stichwort Vertuschung) zugleich sprachlos und stinksauer macht –
Philomena dagegen hält trotz allem an ihrem Glauben fest und betont zu Martins blankem
Unverständnis sogar immer wieder, daß es die Nonnen doch letztlich nur
gut gemeint hätten. Diese konträre Sichtweise – die im Zusammenspiel mit den generell grundverschiedenen Persönlichkeiten der beiden Protagonisten im Grunde genommen einen klassischen "Culture Clash"-Ansatz mit dem entsprechenden Humorpotential ergibt – ist das zentrale Element
von "Philomena" und durchzieht den Film vom Anfang bis zum Ende. Das
funktioniert wunderbar, weil Hauptdarsteller Coogan gemeinsam mit Jeff Pope auf
Grundlage des Buches, das der echte Martin Sixsmith schließlich über seine Erlebnisse
schrieb, ein einfühlsames, intelligentes und von feinem Humor durchzogenes Drehbuch schrieb, das eben keine bloße
Anklage gegen die katholische Kirche ist. Und es funktioniert auch und vor allem deshalb, weil
die beiden Hauptrollen perfekt besetzt sind.
Dame Judi Dench, eine der besten britischen Schauspielerinnen aller Zeiten, ist mit ihren 79 Jahren zwar eigentlich deutlich zu alt für die Rolle der Philomena Lee, die damals (2003) etwa 65 war; aber für die Story macht das keinen Unterschied, zumal man Dench die fast 80 Jahre nicht wirklich ansieht. Philomenas Zwiespalt der Gefühle gerade angesichts der Enthüllungen, die Martins Recherchen vor Ort in Irland und den USA (immer in Philomenas Begleitung) ergeben, könnte wohl niemand nuancierter und nachdrücklicher darstellen als Dench, die aber auch komisches Talent offenbart. Alleine eine Szene, in der Philomena auf dem Flughafen dem halb entsetzten, halb amüsierten Martin haarklein die haarsträubende Handlung des Groschen-Liebesromans erzählt, den sie gerade gelesen hat, ist ein unnachahmliches Highlight – auch von Steve Coogans Seite, wohlgemerkt. Denn der in Großbritannien sehr populäre Comedian, als Co-Autor und Produzent treibende Kraft bei der Verwirklichung des Films, nimmt sich schauspielerisch angenehm zurück und überläßt Judi Dench uneitel die besten Szenen, bringt aber vor allem mimisch immer wieder etwas Humor hinein und harmoniert hervorragend mit der Grand Dame des britischen Kinos. Als in ihrem Zynismus gar nicht immer sympathische, aber sehr glaubwürdige Identifikationsfigur des Publikums verkörpert Coogan als Martin Sixsmith auch den Zorn auf das, was Philomena und so erschreckend vielen anderen Betroffenen unter dem verlogenen Banner der Barmherzigkeit angetan wurde, sehr überzeugend. Dafür hätte er durchaus eine OSCAR-Nominierung verdient gehabt, aber er mußte sich mit zwei anderen (geteilten) begnügen: für das Drehbuch und als Produzent in der Königskategorie "Bester Film". Nominiert wurde aber natürlich Judi Dench, auch die feinfühlige Musik von Alexandre Desplat ("Argo") fand Berücksichtigung.
Dame Judi Dench, eine der besten britischen Schauspielerinnen aller Zeiten, ist mit ihren 79 Jahren zwar eigentlich deutlich zu alt für die Rolle der Philomena Lee, die damals (2003) etwa 65 war; aber für die Story macht das keinen Unterschied, zumal man Dench die fast 80 Jahre nicht wirklich ansieht. Philomenas Zwiespalt der Gefühle gerade angesichts der Enthüllungen, die Martins Recherchen vor Ort in Irland und den USA (immer in Philomenas Begleitung) ergeben, könnte wohl niemand nuancierter und nachdrücklicher darstellen als Dench, die aber auch komisches Talent offenbart. Alleine eine Szene, in der Philomena auf dem Flughafen dem halb entsetzten, halb amüsierten Martin haarklein die haarsträubende Handlung des Groschen-Liebesromans erzählt, den sie gerade gelesen hat, ist ein unnachahmliches Highlight – auch von Steve Coogans Seite, wohlgemerkt. Denn der in Großbritannien sehr populäre Comedian, als Co-Autor und Produzent treibende Kraft bei der Verwirklichung des Films, nimmt sich schauspielerisch angenehm zurück und überläßt Judi Dench uneitel die besten Szenen, bringt aber vor allem mimisch immer wieder etwas Humor hinein und harmoniert hervorragend mit der Grand Dame des britischen Kinos. Als in ihrem Zynismus gar nicht immer sympathische, aber sehr glaubwürdige Identifikationsfigur des Publikums verkörpert Coogan als Martin Sixsmith auch den Zorn auf das, was Philomena und so erschreckend vielen anderen Betroffenen unter dem verlogenen Banner der Barmherzigkeit angetan wurde, sehr überzeugend. Dafür hätte er durchaus eine OSCAR-Nominierung verdient gehabt, aber er mußte sich mit zwei anderen (geteilten) begnügen: für das Drehbuch und als Produzent in der Königskategorie "Bester Film". Nominiert wurde aber natürlich Judi Dench, auch die feinfühlige Musik von Alexandre Desplat ("Argo") fand Berücksichtigung.
Fazit: "Philomena" ist eine sehr bewegende
Tragikomödie über die inspirierende Geschichte einer realen Person mit
bewundernswerter innerer Stärke, die einfach nicht hassen will, obwohl ihr
großes Unrecht geschehen ist; Regisseur Frears inszeniert dies unspektakulär
und verläßt sich ganz auf das Können seiner beiden Hauptdarsteller und die
Qualitäten des empathischen Drehbuchs.
Wertung: 8,5 Punkte.
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