Originaltitel:
Captain America: The Winter Soldier
Regie:
Anthony und Joe Russo, Drehbuch: Christopher Markus und Stephen McFeely, Musik:
Henry Jackman
Darsteller:
Chris Evans, Scarlett Johansson, Samuel L. Jackson, Robert Redford, Anthony
Mackie, Sebastian Stan, Frank Grillo, Cobie Smulders, Emily VanCamp, Jenny
Agutter, Alan Dale, Chin Han, Bernard White, Georges St-Pierre, Toby Jones,
Hayley Atwell, Maximiliano Hernández, Dominic Cooper, Callan Mulvey, Garry Shandling,
Steven Culp, Salvator Xuereb, Danny Pudi, Thomas Kretschmann, Elizabeth Olsen,
Aaron Taylor-Johnson, Stan Lee
Nachdem Steve Rogers (Chris Evans, "Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt") alias Captain America sich in
"The Avengers" sehr schnell an das 21. Jahrhundert gewöhnen
mußte, ist er nun mehr oder weniger regelmäßig als Nick Furys (Samuel L.
Jackson, "Django Unchained") Eingreiftruppe in Krisensituationen unterwegs, häufig zusammen mit
Black Widow (Scarlett Johansson, "Vicky Cristina Barcelona"). Die Zweifel an seiner Tätigkeit und an der
ganzen, von Fury geleiteten Geheimorganisation S.H.I.E.L.D. wachsen allerdings
beständig, denn er muß schnell herausfinden, daß "Gut" und
"Böse" nicht mehr so leicht zu trennen sind wie noch bei seinem Kampf
gegen Red Skull und dessen Geheimorganisation Hydra im Zweiten Weltkrieg. Seine
Skepsis wird rascher als befürchtet bestätigt, als S.H.I.E.L.D. zum Ziel eines
Anschlags wird, in dessen Folge Captain America und Black Widow auf Geheiß des
amerikanischen Weltsicherheitsrats-Mitglieds (und ehemaligen
S.H.I.E.L.D.-Chefs) Alexander Pierce (Robert Redford, "Der Clou") als vermeintliche
Verräter gejagt werden. Während die beiden gemeinsam mit dem Ex-Soldat Sam
Wilson (Anthony Mackie, "The Hurt Locker") alias Falcon versuchen,
der Verschwörung auf den Grund zu gehen, müssen sie sich zusätzlich mit dem
mysteriösen Auftragskiller "Winter Soldier" (Sebastian Stan,
"Black Swan") herumärgern ...
Kritik:
Die Filme aus Marvels engmaschig miteinander verflochtenem
Avengers-Universum sorgen seit einigen Jahren regelmäßig für sehr volle Kinosäle,
seit dem ersten großflächigen Superhelden-Aufeinandertreffen in Joss Whedons
Megahit "The Avengers" scheinen auch die Solo-Filme immer noch
erfolgreicher zu werden. Doch je größer der Erfolg, desto größer ist regelmäßig
auch die Anzahl der Kritiker (die beispielsweise gar nicht viel mit Superhelden
am Hut haben, sich aber durch die vielen Lobeshymnen zum Kinobesuch verleiten
lassen) – und von denen hört man oft, die Avengers-Filme wären auf Dauer
langweilig, weil ja letztlich doch alle gleich seien. Und obwohl dank des
reichhaltigen Comic-Ausgangsmaterials verschiedene Genres von Fantasy
("Thor") über Science Fiction ("Guardians of the Galaxy")
bis hin zu Kriegsfilmen ("Captain America: The First Avenger") abgearbeitet werden, ist
da schon was dran. So ist die Erzählstruktur bei den meisten Abenteuern sehr ähnlich und letztlich kommt bei allen Avengers-Filmen die Handlung etwas
zu kurz, weil – gerade im Vergleich zu Christopher Nolans
"Batman"-Trilogie auf Seiten des großen Marvel-Konkurrenten DC Comics
– zu stark auf Action und Humor gesetzt wird. Mich persönlich hat das bislang
nicht gestört, weil die einzelnen Teile für sich genommen eben meist sehr
unterhaltsam geraten sind – aber wer sich beim Avengers-Filmuniversum an dieser relativen
stilistischen Gleichförmigkeit reibt, der könnte mit dem zweiten Solo-Abenteuer
von Captain America ziemlich glücklich werden.
"The Return of the First Avenger" hält zwar die
Action hoch, fährt aber den Humorfaktor deutlich herunter – großteils
beschränkt der sich auf die witzigen Bonmots von Steves neuem Freund Sam Wilson
– und wagt sich unter der Leitung des (ganz in Marvel-Tradition)
überraschenden neuen Regieduos Joe und Anthony Russo ("Ich, du und der
Andere", TV-Serie "Community") an bislang nicht verwendete Storyelemente. Das
beginnt mit einer rasanten Geiselbefreiungs-Aktion, die (samt Handkamera-Einsatz)
auch gut in einen Jason Bourne-Film passen würde; und es wächst sich später zu
einem veritablen politischen Paranoia-Thriller in der Tradition von "Die
drei Tage des Condor", "Die Unbestechlichen" oder auch
"Der Staatsfeind Nr. 1" aus. Tatsächlich sind speziell die beiden
erstgenannten Genrevertreter aus den 1970er Jahren, in denen jeweils Robert
Redford die Hauptrolle spielt, ausdrückliche Vorbilder der "The Return of
the First Avenger"-Story. Und sie waren die Inspiration für die
Besetzung Redfords als einflußreicher Ex-S.H.I.E.L.D.-Direktor Alexander Pierce. Diese
neue Ausrichtung tut dem Film sehr gut, allerdings bringt sie auch ein Problem
mit sich: Wenn man sich so deutlich an einem meisterhaften Klassiker wie
"Die drei Tage des Condor" orientiert, dann muß man sich auch dem
direkten Vergleich mit ihm stellen. Und diesen Vergleich können Captain America
und Co. nicht gewinnen – ganz einfach deshalb, weil es sich immer noch um einen
Superhelden-Film handelt, von dem das Publikum viele spektakuläre
Actionsequenzen erwartet – und bekommt. Und damit fehlt den Russos und
dem Drehbuch-Duo Christopher Markus und Stephen McFeely (das bereits
das Skript für "Captain America: The First Avenger" schrieb und gemeinsam
mit Christopher Yost auch für "Thor – The Dark Kingdom"
verantwortlich zeichnete) schlicht und ergreifend die Zeit, um eine wirklich
ausgefeilte, komplexe und anspruchsvolle Handlung zu ersinnen. Sie holen viel
aus den Möglichkeiten eines Superhelden-Films heraus und schaffen es sogar,
unheilvolle Parallelen zur aktuellen politischen Weltlage zu ziehen, aber
letztlich bleibt "The Return of the First Avenger" dann doch mehr
Action- als Politthriller.
Die vielleicht größte Stärke des Marvel-Filmuniversums –
neben einem sehr guten Händchen für die Besetzung – ist es, daß die einzelnen Filme
konsequent und detailverliebt ineinander verwoben sind. Immer gibt es Cameos
oder zumindest Namensnennungen, die Kennern der Comics für die Zukunft schon mal das
Wasser im Mund zusammenlaufen lassen (dieses Mal beispielsweise ein gewisser
Stephen Strange), und man kann sich darauf verlassen, daß selbst kleinste
Handlungsstränge, deren Sinn man zunächst überhaupt nicht nachvollziehen kann,
möglicherweise noch Jahre später aufgelöst werden. Das trifft beispielsweise
auf die Mitglieder des Weltsicherheitsrats zu, die ihren ersten Auftritt in
"The Avengers" hatten. Da diese relativ namhaft besetzt waren, war es
umso überraschender, daß sie dort kaum mehr als einen Sekundenauftritt hatten.
Nun sind sie (allerdings in teilweise anderer Besetzung, was aber angesichts
der vergangenen Zeit ja nicht unbedingt unrealistisch ist) in wesentlich
wichtigerer Funktion zurück, und ich kann nur sagen: Jenny Agutter (britisches
Sexsymbol der 1970er Jahre, bekannt aus Filmen wie "Flucht ins 23.
Jahrhundert" oder "American Werewolf") still rocks! Auch, wie
Steve Rogers' größtenteils seit langem toten Kriegskameraden aus dem ersten
Film – und Red Skulls Top-Wissenschaftler Arnim Zola (Toby Jones, "My Week with Marilyn") in einer schönen Hommage an die philosophischen Science Fiction-Klassiker der 1970er Jahre wie
"Colossus" – geradezu liebevoll Tribut gezollt wird,
ist wirklich beeindruckend. Marvel gelingt es durch diese Detailversessenheit
immer wieder, daß man sich als Zuschauer beinahe wie ein Teil dieses
phantasievollen Universums fühlt.
Allerdings bringt genau diese Stärke auch eine kleine
Schwäche mit sich, denn spätestens seit der (nach den obligatorischen Anfangsschwierigkeiten)
harmonischen Zusammenarbeit der Superhelden in "The Avengers" kommt
bei jedem Solo-Abenteuer irgendwann der Punkt, an dem man sich fragt: Warum
ruft er jetzt nicht einfach Tony Stark / Iron Man an? Oder Bruce Banner / den
Hulk? Und wo zum Teufel treibt sich eigentlich Hawkeye rum? "The Return of
the First Avenger" macht da keine Ausnahme, eher im Gegenteil. Aber nein,
es gibt nicht einmal eine kurze Alibi-Ausrede á la "Er geht nicht ans
Telefon" (okay, etwas Originelleres wäre den Autoren wohl doch noch
eingefallen ...), sondern sie werden schlicht ignoriert. Und das ist einfach
unlogisch und unglaubwürdig. Zumal die Ereignisse dieser Geschichte – ohne zu
viel spoilern zu wollen – ziemlich umwälzende und ausgesprochen spannende Auswirkungen
auf die kommenden Filme und vor allem auf die begleitende TV-Serie "Agents
of S.H.I.E.L.D." haben werden. Aber gut, damit muß man sich wohl abfinden,
es sind nunmal die Solo-Filme, im großen Stil zusammenarbeiten werden die
Helden erst wieder in "The Avengers 2: Age of Ultron".
Bei der Besetzung der neuen Charaktere haben die
Verantwortlichen dafür wieder einmal ein gutes Gespür bewiesen: Altstar Robert
Redford verleiht seiner Rolle genau das richtige Maß an Gravität, Anthony
Mackie kommt als Steves neuer Kumpel Sam Wilson sehr sympathisch rüber, Frank
Grillo ("The Grey") überzeugt als grimmiger S.H.I.E.L.D.-Strike
Team-Anführer Brock Rumlow und Emily VanCamp (TV-Serie
"Revenge") macht als S.H.I.E.L.D.-Agentin ebenfalls eine gute Figur.
Zudem hat Samuel L. Jackson als Nick Fury in einer grandios choreographierten
Autoverfolgungsjagd-Sequenz im ersten Filmdrittel einen richtig schönen "Badass"-Auftritt
und Chris Evans und Scarlett Johansson geben ein harmonisches Team ab.
Etwas blaß wirkt dagegen leider der in der Originalfassung immerhin titelgebende "Winter Soldier". Lange Zeit
bleibt er nur ein maskierter Schurke, der es erstaunlicherweise mit Captain
Americas Kräften aufnehmen kann – und auch als seine interessanten Hintergründe
enthüllt werden, bleibt die Figur ziemlich oberflächlich. Dafür, daß er in den
Actionszenen der Haupt-Antagonist ist, ist das schon etwas enttäuschend.
Allerdings läßt das Ende stark vermuten, daß er in "Captain America
3" eine deutlich größere Rolle spielen wird.
Die Actionszenen, begleitet von der temperamentvollen Musik
von Henry Jackman ("X-Men: Erste Entscheidung"), sind
selbstverständlich wieder über jeden Zweifel erhaben, abgesehen
vielleicht von ein paar kurzen Handkamera-Sequenzen, die ja nicht jeder mag. Auffällig und durchaus angenehm ist es, daß wie bei der
angesprochenen Auto-Verfolgungsjagd im Vergleich zu den Vorgängern viel häufiger zu "Oldschool-Action"
als zu computergenerierten Effekten gegriffen wird. Der 3D-Einsatz bleibt jedoch
lange unauffällig, erst im sehenswerten Showdown kommen die Vorzüge der Technik
so richtig gut zur Geltung; dann aber ist es eindrucksvoll, wie plastisch
die Szenen wirken.
Fazit: "Captain America 2: The Return of the First Avenger" ist nicht der unterhaltsamste, wohl aber der inhaltlich anspruchsvollste der bisherigen MCU-Filme; mit seiner Mischung
aus der gewohnten Superhelden-Action mit einem angenehm altmodischem Verschwörungs-Plot weiß er gut zu unterhalten, zugleich leitet er eine interessante neue
Ausrichtung der Filmreihe ein.
Wertung: 8 Punkte.
P.S.: Wenn ich mich nicht irre, gab es seit "Iron Man" bei
jedem der nun neun Avengers-Filme mindestens eine zusätzliche Szene während des
Abspanns oder danach. Man sollte also meinen, das hätte sich inzwischen
wirklich herumgesprochen. Hat es aber offensichtlich nicht, denn wieder einmal
war ich der einzige im Kinosaal, der bis zum Schluß geblieben ist. Damit also
jeder Bescheid weiß: Wie bereits bei "Thor – The Dark Kingdom" gibt
es gleich zwei weitere Szenen: Eine längere nach dem ersten Teil des Abspanns,
die gleich drei neue Figuren einführt, die 2015 in "The Avengers 2: Age of
Ultron" eine tragende Rolle spielen werden; und eine zweite, kürzere ganz
am Ende, die vermutlich auf "Captain America 3" (2016) hinleitet.
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