Regie und Drehbuch: Geoffrey Fletcher
Darsteller: Alexis Bledel, Saoirse Ronan, James Gandolfini,
Danny Trejo, John Ventimiglia, Marianne Jean-Baptiste, Tatiana Maslany, Cody
Horn
Die soeben volljährig gewordene Daisy (Saoirse Ronan,
"Abbitte") und ihre ein paar Jahre
ältere Freundin Violet (Alexis Bledel, "Sin City", TV-Serie
"Gilmore Girls") verdienen ihre Brötchen als Auftragsmörderinnen.
Obwohl sie sich eine schulmädchenhafte Unschuld bewahrt zu haben scheinen und
für ihr großes Idol, die Popsängerin Barbie Sunday (Cody Horn, "Magic
Mike"), schwärmen, geht vor allem Violet hochgradig professionell vor.
Normalerweise. Denn als das Killer-Duo vom schmierigen Gangsterboß Russ (Danny
Trejo, "Machete") den vermeintlich kinderleichten Auftrag erhält, Michael
(James Gandolfini, "Killing Them Softly") aus dem Weg zu räumen, der nicht die geringsten Anstalten macht, sich zu wehren oder zu verstecken, begehen die jungen Frauen
einen folgenreichen Fehler: Sie kommen mit ihrem potentiellen Opfer ins
Gespräch anstatt es unverzüglich ins Jenseits zu befördern ...
Kritik:
"Violet & Daisy" ist das Regiedebüt des 2010 für
sein Drehbuch zum Sozialdrama "Precious" OSCAR-gekrönten Geoffrey
Fletcher – und eine der unkonventionellsten Coming of Age-Stories der
Filmgeschichte. Fletcher vermischt in seiner Tragikomödie rabenschwarzen Humor
mit großen Emotionen und begeistert das Publikum durch die glaubwürdige
Figurenzeichnung, die ausgefeilten Dialoge und drei ganz starke Hauptdarsteller.
Zumindest den Teil des Publikums, der nicht aufgrund des Trailers mit einer ziemlich fehlgeleiteten Erwartungshaltung an den Film herangegangen ist. So sind die
überdrehten Actionszenen zwar ungemein unterhaltsam und rasant inszeniert,
aber nur vergleichsweise spärlich gesät. Im Mittelpunkt des Interesses von
Regisseur und Autor Fletcher steht ganz offensichtlich die ungewöhnliche
Beziehung zwischen Violet, Daisy und dem lebensmüden Michael.
Überwiegen zunächst noch die teilweise richtig durchgeknallten
komödiantischen Elemente der Geschichte, so kristallisiert sich im Verlauf der
leider nur rund 90 Minuten zunehmend eine wunderbare Melancholie heraus, die
alle drei Protagonisten betrifft. Einerseits gilt dies, weil das Profikiller-Dasein für
zwei hübsche, intelligente junge Frauen wohl kaum das Ziel ihrer Träume ist;
andererseits aber auch, weil Violet und Daisy hartnäckig Michaels Geschichte nachspüren.
Dabei entwickelt sich vor allem zwischen der feinfühligen Daisy und Michael eine
zarte und sehr gefühlvolle Vater-Tochter-Beziehung, in der zwei gequälte Seelen
sich einander öffnen und gegenseitig helfen. Davon profitiert auch die scheinbar so hartgesottene Violet, die sich
zwischenzeitlich anderen Problemen widmen muß.
Der Tonfall von "Violet & Daisy" erinnert
wohltuend an die Filme von Wes Anderson und im Zusammenspiel von Komik, Action
und tiefer Melancholie auch an Rian Johnsons ("Looper") brillanten Highschool-Film noir
"Brick", einen meiner absoluten Lieblingsfilme. Fletcher gelingt es
vortrefflich, die lustigen und die ernsten Momente miteinander zu kominieren,
sodaß man in der einen Minute noch schallend über den "Internal Bleeding
Dance" (der hoffentlich niemals zum Partytrend werden wird ...) lacht und
in der nächsten angesichts der tiefen Traurigkeit, die die Gespräche
zwischen Michael und Daisy durchzieht, heimlich eine Träne verdrückt. Streng genommen
entwickelt sich die Handlung in der zweiten Filmhälfte der poppigen
Inszenierung samt gelungenem Song-Soundtrack zum Trotz übrigens ziemlich konservativ, was
sicherlich nicht jedem Zuschauer oder Kritiker gefallen wird. Aber in diesem
Zusammenhang funktioniert es einfach.
Daß Fletchers Film so wunderbar funktioniert, verdankt er natürlich auch den Schauspielern. Jungstar Saoirse Ronan stellt einmal
mehr ihre großen Fähigkeiten unter Beweis und Alexis Bledel, die nach "Sin
City" und dem Ende der TV-Serie "Gilmore Girls" leider ein wenig
in der Versenkung verschwand, fasziniert als Violet (die übrigens
ursprünglich von Carey Mulligan gespielt werden sollte, welche aber aus
Termingründen absagen mußte), hinter deren so abgebrüht erscheinender Fassade es innerlich brodelt, nicht nur mit ihren strahlend blauen Augen.
Übertrumpft werden beide allerdings von James Gandolfini, der den
schwerfälligen, von den Enttäuschungen seines Lebens gezeichneten und
todessehnsüchtigen Michael mit einer solchen Wärme und Glaubwürdigkeit
porträtiert, daß man diesen traurigen Mann als Zuschauer einfach nur in den Arm
nehmen möchte. Zwei kurze, aber ebenfalls gelungene Gastauftritte von Danny Trejo
und Marianne Jean-Baptiste ("Lügen und Geheimnisse", TV-Serie
"Without a Trace") runden die starke Besetzung ab.
Bezeichnend für Geoffrey Fletchers bei allem schwarzen Humor
stets warmherziges Skript ist auch, daß er bei der Geschichte von Violet und
Daisy völlig auf eine erotische Komponente verzichtet. Gerade weil sich diese
angesichts der erwähnten Schulmädchenhaftigkeit der beiden
Mädels wie auch der generellen Genrezugehörigkeit des Films anbieten würde, ist es höchst erfrischend, daß "Violet &
Daisy" zugunsten der wirklichen Geschichte nicht diesen kommerziell verlockenden Weg einschlägt. Das mag etwas prüde
klingen, aber angesichts der Unzahl an Genrefilmen der letzten Jahre, die sehr offensiv auf die
Reize ihrer meist spärlich bekleideten weiblichen Darsteller setzen, ist
Fletchers behutsames Vorgehen schlicht und ergreifend eine willkommene
Abwechslung.
Fazit: "Violet & Daisy" beginnt als drastische Action-Komödie und endet als berührendes Charakter-Drama. Eine Wandlung, die für
manchen Zuschauer wohl schwer zu akzeptieren sein wird; wer jedoch flexibel
genug ist, der darf sich über geschliffene Dialoge, bizarre Gags und drei tolle
Hauptdarsteller freuen.
Wertung: 9 Punkte.
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