Regie:
Frédéric Berthe, Vincent Jamain und Jérémy Minui, Drehbuch: Clélia Constantine,
Clothilde Jamin, Chloé Glachant und Nicolas Clément, Musik: Alexandre Fortuit
Darsteller:
Tomer Sisley, Hélène de Fougerolles, Yannig Samot, Philypa Phoenix, Côme Levin,
Pauline Cheviller, Aliocha Itovich, Aminthe Audiard, Gabriel Caballero
Als Capitaine Hélène Bach (Hélène de Fougerolles, "Fanfan
der Husar") eine Stelle in einem Pariser Polizeirevier antritt, lernt
sie schnell den vorlauten Rechtsmediziner Raphaël Balthazar (Tomer Sisley,
"Largo Winch") kennen. Obwohl sie sich von den flotten, nicht selten
zynischen Sprüchen des gutaussehenden Pathologen zunächst genervt zeigt, kann
auch sie sich nicht lange dessen großem Können und Wissen sowie seinem Charisma
entziehen. Gemeinsam mit Bachs Partner Jérôme Delgado (Yannig Samot) und
Balthazars Assistenten Fatim (Philypa Phoenix, "Der geheime Roman des
Monsieur Pick") und Eddy (Côme Levin, "Das unerwartete Glück der
Familie Payan") lösen sie die schwierigsten Fälle, die von einem
ermordeten Richter und einer toten Anhalterin bis hin zu am Ufer der Seine
gefundenen Leichenteilen reichen. Was allerdings niemand ahnt: Balthazars
Energie und Lebensfreude sind größtenteils nur Fassade, in Wirklichkeit
überdeckt der Pathologe damit nur seine anhaltende Trauer um seine vor sechs
Jahren ermordete Frau Lise (Pauline Cheviller), mit der er in seiner Phantasie
noch immer jeden Tag spricht. Als Balthazar durch Zufall erfährt, daß eine Leiche
gefunden wurde, die eine kleine, aber sehr spezifische Ähnlichkeit mit der von
Lise aufweist, mutmaßt er sofort, daß der wahre Mörder noch frei
herumläuft und tötet und an seiner Stelle ein Unschuldiger im Gefängnis sitzt.
Insgeheim beginnt Balthazar mit neuen Nachforschungen …
Kritik:
Die Krimiserie ist im Grunde genommen seit der Erfindung des
Fernsehens das mit Abstand beliebteste Serien-Genre und das wird sich aller
Voraussicht nach auch bis weit hinein in das Streaming-Zeitalter nicht großartig
verändern. Krimis sind einfach eine Allzweckwaffe, mit dem Konzept "Ermittler
suchen Kriminelle" kann sich im Grunde genommen jeder identifizieren und
man kann es praktischerweise in so gut wie allen nur denkbaren Facetten
ausgestalten: Es gibt humoristische Krimis, ernste Krimis, Fantasy-Krimis, klassische "Whodunits" á la Agatha Christie, Krimis mit Horrorelementen, historische Krimis und was einem noch so alles
einfällt, zudem funktioniert das Genre sowohl als Procedural (mit in sich
abgeschlossenen Episoden, also dem klassischen "Fall der Woche") als
auch als Serial (mit einer durchgehenden Story, die eine komplette Staffel
abdeckt, manchmal sogar mehr als eine). Im Krimi-Land Deuschland sind neben
den unzähligen heimischen und den ebenfalls traditionell sehr zahlreich
vertretenen US-Krimiserien vor alle britische und seit einiger Zeit skandinavische
Vertreter höchst populär. Eher selten sind hingegen erstaunlicherweise
Krimiserien aus unserem Nachbarland Frankreich auf deutschen Bildschirmen
vertreten, obwohl die Franzosen das Genre auch nicht weniger ausgiebig bedienen als
beispielsweise die Skandinavier. Ein Beispiel dafür ist "Balthazar",
ein sehr klassischer Vertreter der humoristischen Krimiserie mit ernsten
Untertönen, vergleichbar vielleicht mit der US-Serie "The Mentalist"
oder dem kanadischen Genrevertreter "Cardinal" – auch wenn deren
Qualität schon wegen der mit nur sechs jeweils knapp einstündigen Episoden kurzen ersten Staffel
(noch) nicht erreicht wird, die kaum genügend Zeit hat, um das gesamte Ensemble
wirklich zu etablieren. Grundsolide Krimikost wird aber sehr wohl geboten und
daß Raum für Steigerungen besteht, ist ja an sich keine schlechte Sache …
Wie viele erfolgreiche Krimiserien setzt
"Balthazar" auf ein ungleiches Duo unterschiedlichen Geschlechts im Mittelpunkt – hier der sprücheklopfende, aber hochintelligente Pathologe
und die nüchterne und professionelle Polizeihauptkommissarin. Das bewährte
Rezept funktioniert auch in "Balthazar", wenngleich die Chemie
zwischen den Darstellern Tomer Sisley und Hélène de Fougerolles nicht quasi auf
den ersten Blick ersichtlich ist (wie es z.B. bei den US-Serien "The
Mentalist" oder "Castle" der Fall war), sondern wie beim kanadischen Vertreter "Private Eyes" einige Folgen braucht, um sich zu entwickeln. Und das romantische Potential der beiden wird zwar bereits
angedeutet, bleibt aber schon wegen ihrer (kriselnden) Ehe und der Tatsache,
daß er den Tod seiner Frau noch nicht ansatzweise verarbeitet hat, im
Hintergrund. Wobei das nicht unbedingt schlecht sein muß, schließlich haben
u.a. die beiden erwähnten US-Serien damit zu kämpfen gehabt, daß der
"Kriegen sie sich oder kriegen sie sich nicht?"-Aufhänger spätestens
nach ein paar Staffeln überstrapaziert wirkte. Dennoch bleibt festzuhalten, daß
die Beziehung zwischen Balthazar und Bach in dieser ersten Staffel nur sehr
bedingt dazu beiträgt, das Publikum bei der Stange zu halten (wobei sich Männern zugeneigte Zuschauer zumindest darüber freuen dürfen, daß Tomer Sisley ähnlich häufig seinen nackten muskulösen Oberkörper präsentiert wie ein gewisser Ross Poldark ...). Auch die Nebenfiguren
im Stammensemble – Balthazars Assistenten und Bachs Partner – deuten ihr
erzählerisches Potential erst an; man sieht und hört ihnen gerne zu, echtes
Profil dürfen sie jedoch noch nicht entwickeln.
Das sollte sich in der zweiten
Staffel tunlichst ändern, denn funktionierende Nebenfiguren sind seit jeher ein
wichtiges Element einer guten Krimiserie. Nicht unerwähnt soll übrigens bleiben, daß die Mordopfer meist nicht wirklich schön anzusehen sind und auch bei den Obduktionen dem Publikum nur wenig verborgen bleibt – die deutsche Altersfreigabe ab 16 Jahren hat also ihre Berechtigung. Punkten kann "Balthazar" dafür mit den Kriminalfällen. Diese sind fast alle abwechslungsreich, gut konstruiert und wendungsreich,
wenngleich es den drei Regisseuren der ersten Staffel nur selten gelingt (so
richtig eigentlich nur im Staffelfinale), echte Spannung zu generieren. Die
Ermittlungen von Polizei und Rechtsmedizin – Balthazar spricht übrigens nicht
nur mit seiner toten Frau, sondern auch mit den Mordopfern, die er obduziert;
keine ganz neue Idee, aber durchaus effektiv – entfalten sich eher gemächlich,
zumal bedauerlicherweise immer wieder Bachs Familie und ihre Eheprobleme thematisiert werden. Klar, das Privatleben verleiht ihr etwas Tiefe, aber die
Ausgestaltung ist leider arg stereotyp bis hin zur Langeweile – den hart
arbeitenden Polizisten, der so wenig zu Hause ist, daß es seine respektive ihre
Ehe beeinträchtigt, hat man gefühlt einfach schon eine Million Mal gesehen und
zumindest in dieser ersten Staffel hat "Balthazar" dazu auch absolut
nichts Neues zu erzählen. Da sind Balthazars melancholische Zwiegespräche mit seiner toten Frau wesentlich fesselnder.
Ein wenig ärgerlich ist zudem, daß die Serie zu
Beginn ziemlich krampfhaft versucht, auch komplett krimi-unerfahrene Zuschauer mit
ins Boot zu holen. Das ist grundsätzlich legitim, aber wenn
beispielsweise Balthazar den beiden erfahrenen Polizisten allen Ernstes
erklären muß, was Schmauchspuren sind, dann wirkt das einfach albern und ist offensichtlich in Wirklichkeit an den Krimi-Neuling im Publikum gerichtet. Sicher, sowas kommt bei den meisten Krimis vor, aber die versuchen in der Regel
zumindest, es weniger plakativ zu machen, beispielsweise indem
Fachbegriffe u.ä. einem Neuling oder Außenstehenden erklärt werden. "Balthazar"
leistet sich vor allem in der ersten Staffelhälfte regelmäßig solche Szenen – das ist nicht tragisch,
aber doch ein unnötiger Störfaktor. Und es ist letztlich ziemlich
repräsentativ für die gesamte Staffel, welche routiniert gemachte Krimikost mit
einigen überdurchschnittlich gut konstruierten Fällen bietet (mein Favorit ist
Episode 3, die sich ausgehend von einer toten Anhalterin höchst unerwartet
entwickelt) und mit sympathischen Darstellern zum Dranbleiben einlädt, aber
noch einen "Unique Selling Point" vermissen läßt. Da in Frankreich
bereits die dritte Staffel der Serie läuft (die zweite war mit zehn Episoden
deutlich länger als die erste, die dritte umfaßt acht Folgen) und sich die
dortigen Einschaltquoten sehr stabil präsentieren, könnte sich das aber
durchaus noch ändern.
Fazit: "Balthazar" ist eine grundsolide
französische Krimiserie, die in der kurzen ersten Staffel mit sympathischen Figuren
und interessanten Fällen punktet, es aber an Spannung und echten Höhepunkten
etwas fehlen läßt.
Wertung: 7 Punkte.
Die erste Staffel von "Balthazar" wurde von Edel:Motion am 6. November 2020 zum Download veröffentlicht und am 13. November auf DVD (ohne Bonusmaterial). Ein Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise von Glücksstern-PR zur Verfügung gestellt.
Screenshots: © Edel:Motion
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