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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 19. November 2020

BALTHAZAR (2018, TV-Serie, 1. Staffel)

Regie: Frédéric Berthe, Vincent Jamain und Jérémy Minui, Drehbuch: Clélia Constantine, Clothilde Jamin, Chloé Glachant und Nicolas Clément, Musik: Alexandre Fortuit
Darsteller: Tomer Sisley, Hélène de Fougerolles, Yannig Samot, Philypa Phoenix, Côme Levin, Pauline Cheviller, Aliocha Itovich, Aminthe Audiard, Gabriel Caballero
Balthazar (2018) on IMDb Rotten Tomatoes: -; FSK: 16, Dauer: 347 Minuten.
Als Capitaine Hélène Bach (Hélène de Fougerolles, "Fanfan der Husar") eine Stelle in einem Pariser Polizeirevier antritt, lernt sie schnell den vorlauten Rechtsmediziner Raphaël Balthazar (Tomer Sisley, "Largo Winch") kennen. Obwohl sie sich von den flotten, nicht selten zynischen Sprüchen des gutaussehenden Pathologen zunächst genervt zeigt, kann auch sie sich nicht lange dessen großem Können und Wissen sowie seinem Charisma entziehen. Gemeinsam mit Bachs Partner Jérôme Delgado (Yannig Samot) und Balthazars Assistenten Fatim (Philypa Phoenix, "Der geheime Roman des Monsieur Pick") und Eddy (Côme Levin, "Das unerwartete Glück der Familie Payan") lösen sie die schwierigsten Fälle, die von einem ermordeten Richter und einer toten Anhalterin bis hin zu am Ufer der Seine gefundenen Leichenteilen reichen. Was allerdings niemand ahnt: Balthazars Energie und Lebensfreude sind größtenteils nur Fassade, in Wirklichkeit überdeckt der Pathologe damit nur seine anhaltende Trauer um seine vor sechs Jahren ermordete Frau Lise (Pauline Cheviller), mit der er in seiner Phantasie noch immer jeden Tag spricht. Als Balthazar durch Zufall erfährt, daß eine Leiche gefunden wurde, die eine kleine, aber sehr spezifische Ähnlichkeit mit der von Lise aufweist, mutmaßt er sofort, daß der wahre Mörder noch frei herumläuft und tötet und an seiner Stelle ein Unschuldiger im Gefängnis sitzt. Insgeheim beginnt Balthazar mit neuen Nachforschungen …
 
Kritik:
Die Krimiserie ist im Grunde genommen seit der Erfindung des Fernsehens das mit Abstand beliebteste Serien-Genre und das wird sich aller Voraussicht nach auch bis weit hinein in das Streaming-Zeitalter nicht großartig verändern. Krimis sind einfach eine Allzweckwaffe, mit dem Konzept "Ermittler suchen Kriminelle" kann sich im Grunde genommen jeder identifizieren und man kann es praktischerweise in so gut wie allen nur denkbaren Facetten ausgestalten: Es gibt humoristische Krimis, ernste Krimis, Fantasy-Krimis, klassische "Whodunits" á la Agatha Christie, Krimis mit Horrorelementen, historische Krimis und was einem noch so alles einfällt, zudem funktioniert das Genre sowohl als Procedural (mit in sich abgeschlossenen Episoden, also dem klassischen "Fall der Woche") als auch als Serial (mit einer durchgehenden Story, die eine komplette Staffel abdeckt, manchmal sogar mehr als eine). Im Krimi-Land Deuschland sind neben den unzähligen heimischen und den ebenfalls traditionell sehr zahlreich vertretenen US-Krimiserien vor alle britische und seit einiger Zeit skandinavische Vertreter höchst populär. Eher selten sind hingegen erstaunlicherweise Krimiserien aus unserem Nachbarland Frankreich auf deutschen Bildschirmen vertreten, obwohl die Franzosen das Genre auch nicht weniger ausgiebig bedienen als beispielsweise die Skandinavier. Ein Beispiel dafür ist "Balthazar", ein sehr klassischer Vertreter der humoristischen Krimiserie mit ernsten Untertönen, vergleichbar vielleicht mit der US-Serie "The Mentalist" oder dem kanadischen Genrevertreter "Cardinal" – auch wenn deren Qualität schon wegen der mit nur sechs jeweils knapp einstündigen Episoden kurzen ersten Staffel (noch) nicht erreicht wird, die kaum genügend Zeit hat, um das gesamte Ensemble wirklich zu etablieren. Grundsolide Krimikost wird aber sehr wohl geboten und daß Raum für Steigerungen besteht, ist ja an sich keine schlechte Sache …
Wie viele erfolgreiche Krimiserien setzt "Balthazar" auf ein ungleiches Duo unterschiedlichen Geschlechts im Mittelpunkt – hier der sprücheklopfende, aber hochintelligente Pathologe und die nüchterne und professionelle Polizeihauptkommissarin. Das bewährte Rezept funktioniert auch in "Balthazar", wenngleich die Chemie zwischen den Darstellern Tomer Sisley und Hélène de Fougerolles nicht quasi auf den ersten Blick ersichtlich ist (wie es z.B. bei den US-Serien "The Mentalist" oder "Castle" der Fall war), sondern wie beim kanadischen Vertreter "Private Eyes" einige Folgen braucht, um sich zu entwickeln. Und das romantische Potential der beiden wird zwar bereits angedeutet, bleibt aber schon wegen ihrer (kriselnden) Ehe und der Tatsache, daß er den Tod seiner Frau noch nicht ansatzweise verarbeitet hat, im Hintergrund. Wobei das nicht unbedingt schlecht sein muß, schließlich haben u.a. die beiden erwähnten US-Serien damit zu kämpfen gehabt, daß der "Kriegen sie sich oder kriegen sie sich nicht?"-Aufhänger spätestens nach ein paar Staffeln überstrapaziert wirkte. Dennoch bleibt festzuhalten, daß die Beziehung zwischen Balthazar und Bach in dieser ersten Staffel nur sehr bedingt dazu beiträgt, das Publikum bei der Stange zu halten (wobei sich Männern zugeneigte Zuschauer zumindest darüber freuen dürfen, daß Tomer Sisley ähnlich häufig seinen nackten muskulösen Oberkörper präsentiert wie ein gewisser Ross Poldark ...). Auch die Nebenfiguren im Stammensemble – Balthazars Assistenten und Bachs Partner – deuten ihr erzählerisches Potential erst an; man sieht und hört ihnen gerne zu, echtes Profil dürfen sie jedoch noch nicht entwickeln.
Das sollte sich in der zweiten Staffel tunlichst ändern, denn funktionierende Nebenfiguren sind seit jeher ein wichtiges Element einer guten Krimiserie. Nicht unerwähnt soll übrigens bleiben, daß die Mordopfer meist nicht wirklich schön anzusehen sind und auch bei den Obduktionen dem Publikum nur wenig verborgen bleibt – die deutsche Altersfreigabe ab 16 Jahren hat also ihre Berechtigung. Punkten kann "Balthazar" dafür mit den Kriminalfällen. Diese sind fast alle abwechslungsreich, gut konstruiert und wendungsreich, wenngleich es den drei Regisseuren der ersten Staffel nur selten gelingt (so richtig eigentlich nur im Staffelfinale), echte Spannung zu generieren. Die Ermittlungen von Polizei und Rechtsmedizin – Balthazar spricht übrigens nicht nur mit seiner toten Frau, sondern auch mit den Mordopfern, die er obduziert; keine ganz neue Idee, aber durchaus effektiv – entfalten sich eher gemächlich, zumal bedauerlicherweise immer wieder Bachs Familie und ihre Eheprobleme thematisiert werden. Klar, das Privatleben verleiht ihr etwas Tiefe, aber die Ausgestaltung ist leider arg stereotyp bis hin zur Langeweile – den hart arbeitenden Polizisten, der so wenig zu Hause ist, daß es seine respektive ihre Ehe beeinträchtigt, hat man gefühlt einfach schon eine Million Mal gesehen und zumindest in dieser ersten Staffel hat "Balthazar" dazu auch absolut nichts Neues zu erzählen. Da sind Balthazars melancholische Zwiegespräche mit seiner toten Frau wesentlich fesselnder.
Ein wenig ärgerlich ist zudem, daß die Serie zu Beginn ziemlich krampfhaft versucht, auch komplett krimi-unerfahrene Zuschauer mit ins Boot zu holen. Das ist grundsätzlich legitim, aber wenn beispielsweise Balthazar den beiden erfahrenen Polizisten allen Ernstes erklären muß, was Schmauchspuren sind, dann wirkt das einfach albern und ist offensichtlich in Wirklichkeit an den Krimi-Neuling im Publikum gerichtet. Sicher, sowas kommt bei den meisten Krimis vor, aber die versuchen in der Regel zumindest, es weniger plakativ zu machen, beispielsweise indem Fachbegriffe u.ä. einem Neuling oder Außenstehenden erklärt werden. "Balthazar" leistet sich vor allem in der ersten Staffelhälfte regelmäßig solche Szenen – das ist nicht tragisch, aber doch ein unnötiger Störfaktor. Und es ist letztlich ziemlich repräsentativ für die gesamte Staffel, welche routiniert gemachte Krimikost mit einigen überdurchschnittlich gut konstruierten Fällen bietet (mein Favorit ist Episode 3, die sich ausgehend von einer toten Anhalterin höchst unerwartet entwickelt) und mit sympathischen Darstellern zum Dranbleiben einlädt, aber noch einen "Unique Selling Point" vermissen läßt. Da in Frankreich bereits die dritte Staffel der Serie läuft (die zweite war mit zehn Episoden deutlich länger als die erste, die dritte umfaßt acht Folgen) und sich die dortigen Einschaltquoten sehr stabil präsentieren, könnte sich das aber durchaus noch ändern.
 
Fazit: "Balthazar" ist eine grundsolide französische Krimiserie, die in der kurzen ersten Staffel mit sympathischen Figuren und interessanten Fällen punktet, es aber an Spannung und echten Höhepunkten etwas fehlen läßt.
 
Wertung: 7 Punkte.
 
Die erste Staffel von "Balthazar" wurde von Edel:Motion am 6. November 2020 zum Download veröffentlicht und am 13. November auf DVD (ohne Bonusmaterial). Ein Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise von Glücksstern-PR zur Verfügung gestellt.
 

 

Screenshots: © Edel:Motion

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