Kirk Douglas, geboren im US-Bundesstaat New York als der Sohn weißrussischer Immigranten unter dem Namen Issur Danielowitsch Demsky, war drei Mal für den OSCAR nominiert, erhielt einen Ehren-OSCAR und spielte die Hauptrolle in einer ganzen Reihe von Filmklassikern - doch die wichtigste Entscheidung seiner Karriere (wie er es selbst einschätzte) hatte nur indirekt mit seiner Schauspielerei zu tun: Für den Dreh von Stanley Kubricks Monumentalfilm "Spartacus" sorgte er als ausführender Produzent nicht allein dafür, daß der seit seiner Weigerung, in der McCarthy-Ära in den 1950er Jahren Kollegen als vermeintliche oder wirkliche Kommunisten zu denunzieren, auf der schwarzen Liste stehende Dalton Trumbo als Drehbuch-Autor angeheuert wurde - er bestand gegen erhebliche Widerstände auch darauf, daß Trumbo nicht (wie zuvor in etlichen, teils OSCAR-prämierten Filmen) unter Pseudonym arbeitete, sondern sein Name offen in Vor- und Abspann genannt wurde. Damit setzte er ein deutliches gesellschaftliches Zeichen gegen die fanatische Kommunistenhatz, die über Jahre hinweg für Angst, Verdächtigungen und Repressionen nicht nur, jedoch ganz besonders in der Unterhaltungsbranche sorgte. Und er rehabilitierte quasi im Alleingang einen der besten Autoren Hollywoods (die Geschichte wurde 2015 im Kinofilm "Trumbo" erzählt). Am gestrigen Mittwoch verstarb Kirk Douglas als einer der letzten ganz großen Stars aus Hollywoods "Goldener Ära" im stolzen Alter von 103 Jahren.
Douglas' Filmkarriere begann Mitte der 1940er Jahre, nachdem er den Zweiten Weltkrieg - in dem er in der US Navy diente - überstanden und bereits einige Jahre Theatererfahrung hatte. Obwohl der mit 1,75 m nicht allzu hochgewachsene Mann mit dem äußerst markanten Kinn nicht wirklich dem gängigen Schönheitsideal dieser Zeit entsprach, startete er im Kino dank seines schauspielerischen Könnens, seiner Energie und seines Charimas sowie einer cleveren Rollenauswahl direkt durch. In seinem Leinwanddebüt in einer großen, tragischen Nebenrolle in Lewis Milestones Film noir "Die seltsame Liebe der Martha Ivers" (1946) beeindruckte er so sehr, daß eine Rolle als Gangsterboß in einem weiteren Film noir folgte: Jacques Tourneurs "Goldenes Gift" (1947) mit Robert Mitchum und Jane Greer zählt zu den großen Klassikern des Genres und bedeutete für Douglas bereits den Durchbruch in Hollywood. Allerdings war er für die nächsten Jahre vorwiegend auf Schurken- respektive Antihelden-Rollen festgelegt, so erneut als Gangsterboß in Byron Haskins "Vierzehn Jahre in Sing Sing" (1947) oder als skrupelloser Boxer in "Zwischen Frauen und Seilen" (1949), für welchen er seine erste OSCAR-Nominierung erhielt. Douglas' künstlerisch erfolgreichste Dekade waren ohne Zweifel die 1950er Jahre. Seine Rollen wurden vielfältiger und ambivalenter, so überzeugte er etwa als aufstrebender Musiker in Michael Curtiz' "Der Jazztrompeter" (1950), als der Typ "harte Schale, weicher Kern" in Irving Rappers Tennessee Williams-Adaption "Die Glasmenagerie" (1950), als hartgesottener Cop in William Wylers betont authentischem "Polizeirevier 21" (1951), als Filmproduzent in "Stadt der Illusionen" (1952), in den Western "Trapper am Missouri" (1952), "Mit stahlharter Faust" (1955), "Zwei rechnen ab" (1957) und "Der letzte Zug von Gun Hill" (1959), als Seemann Ned in der aufwendigen Jules Verne-Verfilmung "20.000 Meilen unter dem Meer" (1954), als altgriechischer Sagenheld im italienischen Monumentalfilm "Die Fahrten des Odysseus" (1954), als berühmter Maler in "Vincent van Gogh - Ein Leben in Leidenschaft" (1956) und als Wikinger-Prinz in "Die Wikinger" (1958).
Drei Filme stachen in diesem Jahrzehnt aber besonders heraus: "Reporter des Satans" (1951), "Wege zum Ruhm" (1957) und "Spartacus" (1960). In Billy Wilders bitterbösem Mediendrama "Reporter des Satans" nach einer wahren Begebenheit verkörpert Kirk Douglas den zynischen Zeitungsreporter Chuck Tatum, der zwar talentiert ist, aber auch sehr schwierig um Umgang und deshalb bereits elf Mal gefeuert wurde. Als er, inzwischen bei einer kleinen Lokalzeitung angestellt, zufällig von einem nahebei in einer eingestürzten Höhle verschütteten Mann erfährt, wittert Tatum seine Chance und bauscht das Ganze mit der Hilfe eines bestechlichen Sheriffs zu einer Sensationsstory auf. Er nutzt jeden fiesen Trick, um die Bergungsarbeiten möglichst in die Länge zu ziehen und gleichzeitig sich selbst als heldenhaften Reporter darzustellen. Nein, ein Feelgood-Movie ist "Reporter des Satans" definitiv nicht, doch unter all jenen Helden- und Schurkenrollen, die er im Lauf seiner Karriere gespielt hat, ist der selbstsüchtige Zyniker Chuck Tatum jener Charakter, den ich persönlich am stärksten mit Kirk Douglas verbinde.
Als Film wohl sogar noch eindrucksvoller ist Stanley Kubricks Erster Weltkriegs-Drama "Wege zum Ruhm" geraten. Die in Schwarzweiß gedrehte Verfilmung eines Romans von Humphrey Cobb gilt nicht ohne Grund als einer der besten Filme aller Zeiten und als ein ultimativer Anti-Kriegsfilm. Douglas agiert als aufrechter französischer Colonel Dax, der inmitten des erbitterten Stellungskrieges in den französischen Schützengräben den Befehl zum Überraschungsangriff mit seinen Männern auf die Deutschen erhält - obwohl dieser offensichtlich völlig sinnlos und angesichts der erschöpften und dezimierten Truppen auch aussichtslos ist. Als der Angriff wie erwartet scheitert, sollen 100 zufällig ausgewählte Überlebende wegen "Feigheit vor dem Feind" hingerichtet werden ... "Wege zum Ruhm" - erschütternderweise wie "Reporter des Satans" auf einer wahren Begebenheit basierend - entlarvt nicht nur vortrefflich die Sinnlosigkeit des Krieges an sich, sondern prangert mit unübertroffener Schärfe militärische Inkompetenz und Ruhmsucht hoher Offiziere an, ganz nebenbei positioniert er sich außerdem deutlich gegen die Todesstrafe (was zu dieser Zeit noch eine Besonderheit war). Kurzum: Ein Meisterwerk, dem Kirk Douglas als verzweifelter, einsamer Verteidiger der Gerechtigkeit die nötige Menschlichkeit verleiht.
Und dann wäre da eben noch der bereits angesprochene, 200-minütige "Spartacus", wobei der heroische Anführer eines (historisch verbürgten) Sklavenaufstandes im antiken Rom wohl für die meisten Filmfans die prägendste Douglas-Rolle sein dürfte.
In den 1960er Jahren wurden die Highlights in Douglas' Filmographie deutlich weniger. Mit den Western "El Perdido" (1961), "Einsam sind die Tapferen" (1962) und "Die Gewaltigen" (1965), dem bitteren, in Deutschland spielenden und gedrehten Drama "Stadt ohne Mitleid" (1961), den Kriegsfilmen "Erster Sieg" (1965), "Kennwort 'Schweres Wasser'" (1965) und "Der Schatten des Giganten" (1966) sowie Elia Kazans Drama "Das Arrangement" (1969) drehte er zwar eine ganze Reihe solider bis guter Filme. Wirklich hervor sticht aus seiner Arbeit in dieser Dekade aber nur John Frankenheimers packender Politthriller "Sieben Tage im Mai" nach einem Skript des "Twilight Zone"-Schöpfers Rod Serling, in dem Kirk Douglas als Colonel Casey von einem geplanten Militärputsch gegen die US-Regierung erfährt und versucht, diesen zu verhindern. In den 1970er und 1980er Jahren war Kirk Douglas zwar weiterhin recht fleißig und versuchte sich sogar zwei Mal (mit überschaubarem Erfolg) als Regisseur. Doch nur wenige Filme blieben im Gedächtnis, darunter Brian de Palmas Science Fiction-Thriller "Teufelskreis Alpha" (1978), der Zeitreise-Thriller "Der letzte Countdown" (1980), die Komödie "Archie und Harry" (1986) und sein letzter Kinofilm "Es bleibt in der Familie" (2003), in dem er erstmals an der Seite seines Sohnes Michael Douglas und seines Enkels Cameron Douglas agierte. Nach einem schweren Schlaganfall 1995 zog er sich zunehmend aus der Öffentlichkeit zurück, ließ sich gelegentliche Auftritt in der Branche jedoch nicht nehmen - zuletzt bei den Golden Globes 2018, als er den Drehbuch-Preis überreichte. Außer für "Zwischen den Seilen" war Douglas auch für "Stadt der Illusionen" und "Vincent van Gogh" (beide unter der Leitung von Vincente Minnelli) für einen Academy Award nominiert, regulär gewann er den Goldjungen aber nie - als Trost gab es 1996 den Ehren-OSCAR für sein Lebenswerk. Zudem gewann er für "Vincent van Gogh" den Golden Globe, war drei Mal für den TV-Preis Emmy nominiert und erhielt weltweit zahlreiche weitere Ehrungen (darunter den Ehren-Bären bei der Berlinale).
Am 5. Februar 2020 starb Kirk Douglas im Alter von 103 Jahren in Beverly Hills, Kalifornien, eines natürlichen Todes. R.I.P.
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