Regie: Jonathan Levine, Drehbuch: Dan Sterling und Liz
Hannah, Musik: Marco Beltrami und Miles Hankins
Darsteller: Charlize Theron, Seth Rogen, O'Shea Jackson Jr.,
June Diane Raphael, Ravi Patel, Bob Odenkirk, Andy Serkis, Alexander Skarsgård,
Randall Park, Tristan D. Lalla, Lisa Kudrow, Lil Yachty, Boyz II Men
FSK: 12, Dauer: 125 Minuten.
Fred Flarsky (Seth Rogen, "Steve Jobs") ist ein talentierter und mutiger,
aber auch eigenwilliger und rebellischer investigativer Journalist, der
gerade seine Arbeit gekündigt hat, weil der Verlag von Parker
Wembley (Andy Serkis, "Black Panther"), einem skrupellosen, rechtskonservativen Medienmogul á la Rupert Murdoch, aufgekauft wurde. Um ihn
aufzuheitern, nimmt sein bester Freund Lance (O'Shea Jackson Jr., "Godzilla II") Fred auf eine
exklusive Party mit, auf der dessen Lieblingsband Boyz II Men auftritt. Fred ist
begeistert, doch dann erblickt er jemanden: Charlotte Fields (Charlize Theron, "Mad Max: Fury Road"),
umschwärmte US-Außenministerin und potentielle Präsidentschaftsanwärterin, ist
im Publikum. Und Charlotte ist die frühere, drei Jahre ältere Babysitterin von
Fred und zugleich die Liebe seines Lebens! Zu seinem Erstaunen erkennt
Charlotte ihn wieder, beide sind sich immer noch sympathisch – und weil
Charlottes einziger Schwachpunkt laut Umfragen ist, daß sie zu wenig humorvoll
rüberkommt, bietet sie Fred spontan einen Job als Redenschreiber an. Fred
akzeptiert und so reisen sie gemeinsam durch die Welt, wobei sie sich nicht
nur im platonischen Sinne näherkommen …
Kritik:
150.000 Zuschauer – dies ist das Maximum an Zuschauern, das
Jonathan Levines ("50/50") einfallsreiche politische RomCom in Deutschland insgesamt erreichen kann (während ich dies schreibe,
sind es 125.000 und der Film liegt in den Charts nach vier Wochen nur noch auf
Platz 18); viele Hollywood-Großproduktionen schaffen das am Starttag innerhalb
weniger Stunden. Natürlich ist "Long Shot" mit einem Budget von $40
Mio. deutlich günstiger in der Produktion gewesen, trotzdem stellt die
Performance des Films nicht nur in Deutschland (wo Sommerhitze das Ergebnis
noch weiter drückte) einen neuerlichen Tiefpunkt im Niedergang des
Komödien-Genres in den letzten Jahren dar. Dabei ist es noch gar nicht so lange
her, daß die "Hangover"-Trilogie oder diverse Melissa
McCarthy-Komödien weltweit unglaublich erfolgreich liefen. Doch spätestens ab
2018 reihte sich eine Enttäuschung an die nächste, von "Game Night"
über "Bad Neighbors 2" bis hin zu nun "Long Shot" –
dabei konnten all diese Werke sogar mit soliden bis hervorragenden Kritiken
protzen. Woran liegt's? Vielleicht ist es eine Phase der Übersättigung, die
in ein oder zwei Jahren wieder vorbei ist. Vielleicht liegt es an den Streaming-Plattformen,
die einerseits relativ viele Komödien produzieren (allen voran Netflix mit dem
Exklusivdeal mit Adam Sandler) und andererseits durch den Sehkomfort von den
eigenen vier Wänden aus dafür sorgen, daß sich viele Zuschauer nur noch für
echte Eventfilme in die Kinos bewegen. Vielleicht liegt es ja am Titel,
denn mit einer Ausnahme hat mich jede Person, mit der ich mich über den Film
unterhalten habe, gefragt, was "Long Shot" eigentlich bedeuten soll (der
Begriff ist u.a. im Wettgeschäft gebräuchlich und läßt sich ungefähr mit
"Außenseiterchance" übersetzen – der deutsche Untertitel
"Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich" ist hierfür zwar eine
ordentliche Umschreibung, aber wohl doch zu sperrig, als daß er von
potentiellen Zuschauern überhaupt wahrgenommen würde …). Woran es auch liegen
mag, für die Vielfalt im Kinoprogramm ist es sehr bedenklich, daß klassische
"Mittelware" wie Komödien oder auch Thriller immer weniger und
zugleich erfolgloser werden. Dabei hätte gerade "Long Shot" viel mehr Besucher verdient gehabt, denn der Film ist hochkarätig besetzt,
hat ein spannendes Setting und ist vor allem extrem witzig (wenn der Humor
phasenweise auch ziemlich derb ausfällt)!
Genauer betrachtet ist "Long Shot" allerdings ein
Film, der sogar drei (Sub-)Genres geschickt miteinander vermischt: Komödie,
Liebesfilm und Politfilm. Die Kombination der ersten beiden ist nicht ungewöhnlich und als "romantische Komödie" bekannt, doch die
Polit-Komponente ist es, die "Long Shot" von der Masse
abhebt. Erfreulicherweise gelingt es Regisseur Levine auf Grundlage des
Drehbuchs von Liz Hannah ("Die Verlegerin") und Dan Sterling
("Das Interview"), allen drei Genres gerecht zu werden – dafür ist die Dauer von zwei Stunden genau passend, während viele andere
Genrevertreter der letzten Jahre etwas in die Länge gezogen wirkten (die
klassische 90 Minuten-Komödie gibt es im Kino ja nur noch selten). Natürlich kann
sich "Long Shot" der politischen Thematik trotzdem nicht so
tiefgehend annehmen wie ein echter Politfilm, was sich in erster Linie
dadurch auswirkt, daß Charlotte in ihrem politischen Wirken selbst profunde
Hindernisse letztlich unglaubwürdig leicht überwindet. Das läßt sich angesichts
des komödiantischen Schwerpunkts jedoch gut verschmerzen, zumal die Filmemacher
damit auch bewußt eine optimistische Botschaft verbinden dürften ("Politik
muß nicht immer schmutzig sein, manchmal setzen sich auch Ehrlichkeit und
Offenheit durch"), die in der Trump-Ära etwas naiv wirken mag, aber gerade
deshalb bitter nötig ist. Apropos Trump: Der vom "Better Call Saul"-Star Bob Odenkirk amüsant verkörperte amtierende
US-Präsident Chambers ist deutlich an Trump angelehnt, ohne ihn einfach
nur billig zu kopieren. Bis zu dem Zeitpunkt, in dem er via Twitter eine
internationale Krise auslöst, würde der etwas einfältige und sehr ichbezogene
Chambers trotz TV-Vergangenheit auch locker als Bush-Parodie durchgehen;
jedenfalls reicht er in Sachen Bösartigkeit bei weitem nicht an Trump heran,
weshalb man gut über ihn lachen kann, ohne gleich an die düstere Realität
erinnert zu werden. Weniger subtil gestaltet ist der einflußreiche Medienmogul
Parker Wembley (wieder einmal kaum zu erkennen: Andy "Gollum" Serkis), der sehr
offensichtlich von Rupert Murdoch inspiriert ist. Hierzu passend werden
die politischen Entwicklungen immer wieder von diversen fiktiven Nachrichtensendern kommentiert, von denen einer überdeutlich (sogar die
Farben des Logos stimmen überein) bis parodistisch den rechten Propagandasender Fox News
repräsentiert. Bemerkenswert fand ich übrigens die Reaktionen, die Wembley bei der
von mir besuchten Kinovorstellung auslöste: Ich kann mich beim besten Willen
nicht daran erinnern, in meiner gut 25-jährigen "Kinokarriere" schon
einmal so deutlich und vernehmbar kollektives angeekeltes Aufstöhnen erlebt
zu haben, sobald eine Figur die Szenerie betritt …
Bezüglich der komödiantischen Elemente gibt es kaum etwas zu
kritisieren: Die Gagdichte ist von Anfang bis Ende hoch, die Treffersicherheit
zum Glück ebenfalls und obwohl ich überhaupt kein Freund von Fremdschäm-Humor
bin, gelingt es speziell Seth Rogen mit seiner typischen liebenswert-naiven
Teddybär-Art, selbst peinlichste Situationen in erster Linie unglaublich witzig
rüberzubringen. Die eigentlich für dramatische Rollen bekannte
OSCAR-Gewinnerin Charlize Theron muß sich aber keineswegs hinter Rogen
verstecken. Sie gibt einen perfekten Gegenpart in den verbalen
Schlagabtäuschen ab und kann sogar die meines Erachtens lustigste Sequenz des
Films für sich verbuchen, in der sie betrunken und bekifft die erwähnte,
vom Präsidenten via Twitter ausgelöste internationale Krise bewältigen muß und
das zwar nicht unbedingt mit Stil und Eleganz erledigt, dafür aber höchst effizient
– und, wie gesagt, unfaßbar lustig. Achja, und für die vermutlich romantischste
Sexszene der Filmgeschichte sorgen Theron und Rogen auch noch (ja, das ist
ironisch gemeint – irgendwie aber auch nicht …), wobei die Liebesgeschichte
zwischen den auf den ersten Blick sehr unterschiedlichen Charakteren generell überraschend authentisch wirkt; das liegt nicht nur an der erstaunlich
guten Chemie zwischen Theron und Rogen, sondern auch daran, daß diese Romanze
gut geschrieben ist und sich nachvollziehbar entwickelt. Nebenfiguren wie
die beiden engsten Berater von Charlotte und Freds bester Freund kommen ob der Dominanz des zentralen Duos ziemlich kurz und fallen recht
klischeehaft aus, erhalten aber alle ein oder zwei gute Momente – das gilt auch
für die vor allem in den 1990er Jahren erfolgreiche R&B-Band Boyz II Men,
die nicht nur den Hintergrund für das Wiedersehen von Charlotte und Fred
bildet, sondern inklusive eines guten Oneliners clever in den Filmauftakt
eingebunden ist. Insgesamt ist "Long Shot" zweifellos einer der witzigsten
Filme, die ich in den letzten Jahren im Kino gesehen habe. Bleibt zu hoffen,
daß das – wenn schon nicht im Kino – wenigstens nach der
Heimkinoveröffentlichung noch mit vielen Käufen gewürdigt wird.
Fazit: "Long Shot – Unwahrscheinlich, aber nicht
unmöglich" ist eine ungemein witzige, dabei durchaus intelligente romantische Komödie mit politischem Setting, die mit vielen guten Gags und zwei
hervorragenden Hauptdarstellern begeistert.
Wertung: 8,5 Punkte.
Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger Bestellungen über einen der amazon.de-Links in den Rezensionen oder über das amazon.de-Suchfeld in der rechten Spalte freuen, für die ich eine kleine Provision erhalte.
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