Originaltitel: Fantastic Beasts: The Crimes of Grindelwald
Regie: David Yates, Drehbuch: J.K. Rowling, Musik: James Newton Howard
Darsteller: Eddie Redmayne, Katherine Waterston, Johnny Depp, Jude Law, Zoë Kravitz, Ezra Miller, Callum Turner, Dan Fogler, Alison Sudol, William Nadylam, Claudia Kim, Carmen Ejogo, Brontis Jodorowsky, Kevin Guthrie, Ingvar Eggert Sigurdsson, Wolf Roth, Ólafur Darri Ólafsson, Victoria Yeates, David Wilmot, Jamie Campbell Bower, Toby Regbo
Großbritannien im Jahr 1927: Nach seinen tumultartigen Erlebnissen bei seiner Suche nach phantastischen Tierwesen in New York wurde der verschrobene Magizoologe Newt Scamander (Eddie Redmayne, "Die Entdeckung der Unendlichkeit") mit einem Ausreiseverbot belegt. Das könnte aufgehoben werden, wenn Newt einwilligt, unter seinem großen Bruder Theseus (Callum Turner, "Green Room") als Auror für das Zaubereiministerium zu arbeiten und dabei speziell den magiebegabten Waisenjungen Credence Barebone (Ezra Miller, "Vielleicht lieber morgen") zu töten, vor dessen gewaltigem Machtpotential die Zauberer große Angst haben. Zugleich ist es genau deshalb Ziel des aus der Haft entflohenen Fanatikers Gellert Grindelwald (Johnny Depp, "Mord im Orient Express"), Credence für seine Mission zu rekrutieren, den Frieden zwischen Menschen und Zauberern zu beenden und die Reinblüter an die Macht zu bringen. Auf die Bitte seines Mentors Albus Dumbledore (Jude Law, "Sherlock Holmes"), der als Jugendlicher eine enge Beziehung zu seinem Mitschüler Grindelwald hatte, macht sich Newt schließlich doch auf den Weg nach Paris, wo er mit der Hilfe seiner in New York kennengelernten Auroren-Freundin Tina Goldstein (Katherine Waterston, "Alien: Covenant"), deren gedankenlesender Schwester Queenie (Alison Sudol, TV-Serie "Dig") und dem nichtmagischen Jacob (Dan Fogler, "Europa Report") Credence finden will, bevor das dem Zaubereiministerium oder Grindelwald gelingt …
Kritik:
In vielen Rezensionen zum zweiten von geplanten fünf Teilen der Spin-Off- respektive Prequel-Reihe zur "Harry Potter"-Reihe – dessen Skript wie beim Vorgänger aus der Feder von Potter-Schöpferin Joanne K. Rowling stammt – ist zu lesen, "Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen" leide unter typischen Problemen eines Mittelteils. Das ist nicht komplett falsch, trotzdem möchte ich widersprechen und korrigieren: "Grindelwalds Verbrechen" leidet meiner Meinung nach unter den typischen Problemen eines ersten Teils einer Reihe. Ja, das klingt komisch, aber für mich wirkt "Grindelwalds Verbrechen" viel stärker wie ein einleitendes Kapitel als es beim ersten Film "Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind" der Fall war. Klar, da gab es die Handlungsstränge um Credence und den von Colin Farrell verkörperten finsteren Zauberer Percival Graves, die hier mehr oder weniger nahtlos fortgeführt werden – doch im Kern konzentrierte sich der Film auf Newts turbulente Abenteuer beim Versuch, magische Kreaturen einzufangen, bevor sie zu Schaden kommen oder selbst zu viel Schaden verursachen. Damit einher ging trotz der bereits recht düsteren Nebenhandlungsstränge eine wunderbar leichte und spielerische Note, die beim Publikum immer wieder wohliges Staunen über die phantasievoll gestalteten Kreaturen und die Filmwelt voller liebevoller Details hervorrief. Der schrullige Newt und seine sympathischen neuen Gefährten wurden zudem dem Publikum von Regisseur Yates mit leichter Hand nahegebracht, sodaß der Film – wiewohl nicht mit einer großartigen Story gesegnet – über weite Strecken wie aus einem Guß wirkte. Auf "Grindelwalds Verbrechen", wiederum von Potter-Veteran Yates inszeniert, trifft das leider nicht mehr so zu, hier werden noch mehr wichtige Figuren eingeführt als zuvor, was aber deutlich schwerfälliger geschieht und das Abenteuer immer wieder ausbremst. Deshalb ist "Grindelwalds Verbrechen" zwar immer noch ein guter Film für Fans von J.K. Rowlings phantasievollem Potter-Universum, bleibt aber einigermaßen deutlich hinter der Qualität seines Vorgängers zurück.
Dabei machen sich die neuen Figuren wohlgemerkt keineswegs schlecht, tatsächlich wachsen auch sie einem im Laufe der mehr als zwei Stunden zunehmend ans Herz und beinhalten viel Potential für die kommenden Fortsetzungen (zumindest die Überlebenden, versteht sich …). Nur dauert das erheblich länger als im ersten Film und gelingt auch nicht im gleichen Ausmaß, da sie nicht so harmonisch in die sowieso ein wenig zu zerfaserte und ohne überzeugenden Spannungsbogen daherkommende Handlung eingebunden sind wie damals Newt, Tina und ihre Gefährten. Das liegt wiederum auch darin begründet, daß bei den meisten Neuzugängen lange unklar bleibt, zu welcher Seite sie gehören – eigentlich eine gute Sache, aber in dieser Ballung mit etwas zu viel erzählerischer Bremskraft ausgestattet, die durch die Tatsache verstärkt wird, daß sie sich selbstverständlich die knapp bemessene Screentime mit den bereits bekannten Helden teilen müssen. Den größten Eindruck unter den Neulingen hinterläßt Newts Jugendliebe Leta Lestrange (Zoë Kravitz, "Mad Max: Fury Road"), die nun ausgerechnet mit seinem Bruder Theseus verlobt ist – das führt zum Glück nicht wirklich zu einer Dreiecksgeschichte, sondern enthüllt eine viel spanndere, emotionale Hintergrundgeschichte zu Letas Vergangenheit. Auch bei Theseus, zu dem Newt nie ein sonderlich gutes Verhältnis hatte, bleibt lange ungewiß, ob er seine Aufgabe erfüllen oder zu Gellert Grindelwald überlaufen wird. Ähnlich sieht es beim mysteriösen Yusuf Kama (William Nadylam, "Here and Now") – der Credence aus persönlichen Gründen ans Leder will – sowie Credences Freundin Nagini (Claudia Kim, "Avengers: Age of Ultron") aus, die sich in eine riesige Schlange verwandeln kann und dazu verdammt ist, sich irgendwann nicht mehr zurückverwandeln zu können (Potter-Kennern dürfte der Name vertraut vorkommen). Und dann sind da noch der junge Hogwarts-Lehrer Albus Dumbledore – erwartet charismatisch verkörpert von Jude Law – und der unsterbliche Alchemist Nicolas Flamel (der Schöpfer des Steins der Weisen aus dem ersten Potter-Abenteuer wird von Brontis Jodorowsky verkörpert, dem Sohn des chilenischen Kult-Filmemachers Alejandro Jodorowsky), die trotz nur kurzer Auftritte neugierig auf die kommenden Geschehnisse machen.
Zu den Stärken des Films zählt zweifellos der neue Oberbösewicht Gellert Grindelwald. Mag Johnny Depps Besetzung aufgrund seiner privaten Eskapaden auch umstritten gewesen sein, ist er doch schauspielerisch genau die richtige Wahl für die Rolle. Angesichts seines Strebens nach Allmacht für Reinblüter erscheint es naheliegend, Grindelwald mit rechtspopulistischen Staatenlenkern unserer Zeit zu vergleichen, doch schon beim zweiten Blick fällt auf, daß das ziemlich absurd wäre. Denn dieser Gellert Grindelwald ist in Depps Interpretation kein Elefant im Porzellanladen, sondern ein intelligenter und ungemein wortgewandter Schmeichler, der mit seinen Rednerfähigkeiten selbst unschuldige Gemüter in seinem Sinne beeinflussen kann. Die Waffe seiner Wahl ist nicht wie bei den aktuellen Rechtspopulisten die Streitaxt, sondern das feine Rapier, mit dem er zielgerichtete, penibel durchgeplante und sehr schmerzhafte Spitzen setzt. Kurzum: Gellert Grindelwald ist ein Antagonist, den man ernstnehmen muß, durchaus in einer Liga mit Lord Voldemort. Interessant ist übrigens, am Rande bemerkt, wie J.K. Rowling Grindelwalds Reinblut-Propaganda unterläuft, denn in der Welt der Zauberer ist beispielsweise eine Leta Lestrange – Tochter einer schwarzen Frau und eines weißen Mannes – ein Reinblut, da ihre Eltern beide Zauberer waren. Die Hautfarbe, für "unsere" Populisten ein entscheidender Faktor, spielt für die Zauberer hingegen keine Rolle – ein interessanter, subtil einsichtsreicher Perspektivwechsel, der gut veranschaulicht, wie subjektiv und manipulierbar (und strunzdumm) diskriminierende Reinheitslehren dieser Art sind. Vorrangiges Opfer des großen menschlichen Ensembles sind bedauerlicherweise die titelgebenden phantastischen Tierwesen. Sie sind zwar ziemlich oft zu sehen und erneut äußerst ansprechend gestaltet, werden aber gegenüber dem Vorgänger von einer Hauptrolle stark in den Hintergrund gedrängt. Das ist maßgeblich für die im direkten Vergleich verlorenengegangene Leichtigkeit von "Grindelwalds Verbrechen", dem trotz einer erneut klangvoll-verspielten Musik von James Newton Howard ("Blood Diamond") jener "Sense of Wonder" über weite Strecken abgeht, der den ersten Film zu einem der besten des Potter-Universums machte.
Bei aller Kritik an der schleppenden, recht sprunghaften Story und dem leichten Übermaß an handelnden Figuren (das wahrscheinlich für profunde Kenner von Rowlings Büchern besser zu handhaben ist als für jemanden wie mich, der "nur" alle Filme gesehen hat) gelingt es David Yates und J.K. Rowling aber doch, alle Handlungsfäden am Ende zu einem beeindruckenden Finale zusammenlaufen zu lassen. Mag die Charakterarbeit zuvor auch vorübergehend etwas ermüdend gewesen sein, zahlt sie sich im Showdown fraglos aus, da man ehrlich mitfiebert und mitbangt mit dem knappen Dutzend handelnder Figuren. Sehr lobenswert ist zudem, daß "Grindelwalds Verbrechen" nicht wie die meisten Hollywood-Großproduktionen dieser Ära mit einem überlangen Actionfeuerwerk endet, sondern eher mit dem intelligenten, dialoggetriebenen Finale eines "Doctor Strange" vergleichbar ist. Zugegeben, reichlich 3D-Spezialeffekte gibt es trotzdem (für irgendetwas mußte das Budget von $200 Mio. ja ausgegeben werden …) und die können sich wahrlich sehen lassen – auch wenn es mir persönlich einen Tick zu viele Pop-Out-Effekte gibt –, aber für Blockbuster-Verhältnisse ist es trotzdem ein erfreulich unkonventionelles Finish, das Appetit macht auf die Fortsetzungen. Das Fundament für weitere, dann hoffentlich deutlich handlungsstärkere Abenteuer hat "Grindelwalds Verbrechen" mit seiner reichhaltigen Charakterarbeit jedenfalls gelegt.
Fazit: "Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen" ist eine ordentliche Fortsetzung, die sich mit einer etwas zerfaserten Handlung und einem Übermaß an neuen, wenngleich gut ausgearbeiteten Figuren zunächst selbst etwas ausbremst, mit einem starken Finale aber Lust auf mehr macht.
Wertung: 6,5 Punkte.
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