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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Dienstag, 13. November 2018

OPERATION: OVERLORD (2018)

Originaltitel: Overlord
Regie: Julius Avery, Drehbuch: Billy Ray und Mark L. Smith, Musik: Jed Kurzel
Darsteller: Jovan Adepo, Wyatt Russell, Pilou Asbæk, Mathilde Ollivier, John Magaro, Iain De Caestecker, Dominic Applewhite, Jacob Anderson, Erich Redman, Bokeem Woodbine, Gianny Taufer, Marc McKenna, Marc Rissmann
 Operation: Overlord (2018) on IMDb Rotten Tomatoes: 81% (6,7); weltweites Einspielergebnis: $41,7 Mio.
FSK: 16, Dauer: 110 Minuten.

Anfang Juni 1944: Die alliierte Landung in der Normandie (firmierend unter dem Codenamen "Operation Overlord") steht unmittelbar bevor, doch zuvor werden unter heftigem Beschuß viele amerikanische Fallschirmspringer über Frankreich abgeworfen, um die Invasion vorzubereiten. Die Truppe um den grimmigen Corporal Ford (Wyatt Russell, "22 Jump Street") und den noch unerfahrenen Private Ed Boyce (Jovan Adepo, "Fences") beispielsweise hat den Auftrag, eine deutsche Funkstation zu zerstören, die in einem Kirchturm einer Kleinstadt aufgebaut wurde und die Kommunikation der Alliierten entscheidend stören könnte. Nur eine Handvoll Soldaten überlebt die Landung auf französischem Boden und muß feststellen, daß die Funkstation viel schwerer bewacht wird als es normalerweise der Fall sein dürfte. Und von der jungen Französin Chloé (Mathilde Ollivier), die den Soldaten hilft und dank einer unfreiwilligen Beziehung zu dem deutschen Kommandanten Hauptsturmführer Wafner (Pilou Asbæk, "Ghost in the Shell") über einige Informationen verfügt, erfahren sie, daß der Nazi-Arzt Dr. Schmidt (Erich Redman, "Flug 93") in seinem Labor unter der Kirche schreckliche Menschenversuche unternimmt …

Kritik:
Lange gab es Gerüchte, der von J.J. Abrams produzierte Zweiter Weltkriegs-Horrorfilm würde zum nächsten Teil des wachsenden "Cloverfield"-Universums werden – ein Gedanke, der schon deshalb seinen Charme hatte, weil man den Film einfach "Cloverlord" hätte nennen können … Ähem, albernes Wortspiel beiseite: "Operation: Overlord" blieb letztlich ein eigenständiger Film, was dem Vernehmen nach damit zusammenhing, daß man ihm nach starken Testscreenings zutraute, auf sich selbst gestellt zu funktionieren. Dieses Vertrauen ist durchaus gerechtfertigt, denn das Hollywood-Debüt des australischen Regisseurs Julius Avery ("Son of a Gun") hat den Fans gepflegten B-Movie- und Exploitation-Horrors viel zu bieten. Allerdings ist die Mischung aus Kriegs- und Horrorfilm nur bedingt massentauglich, was sich in den Einspielergebnissen von "Operation: Overlord" niederschlägt – da hätte eine Verbindung zu "Cloverfield" vermutlich einen kleinen Schub geben können. Den Zuschauern kann das aber egal sein, sie dürfen sich über einen handwerklich sehr gelungenen, wenn auch vor allem erzählerisch ein wenig unter seinen Möglichkeiten bleibenden Genrebeitrag freuen, dessen Stärken die Schwächen alles in allem überwiegen.

Nichtsdestotrotz wirkt die Genremischung mitunter etwas unausgewogen mit drei Akten, die sich einigermaßen deutlich voneinander unterscheiden. Akt 1 widmet sich dem Aufbruch der Fallschirmspringer und ist mit der legendären Eröffnungssequenz von "Der Soldat James Ryan" vergleichbar. Die dort so intensiv und furchterregend wie nie zuvor präsentierte Landung in der Normandie aus der Perspektive der einfachen Soldaten, die den ersten Strandabschnitt ohne Deckung unter heftigem Feindbeschuß überwinden müssen, ist bis heute das Nonplusultra in Sachen realitätsnahe Kriegsdarstellung. "Operation: Overlord" reicht da erwartungsgemäß nicht heran, macht seine Sache mit deutlich geringerem Budget aber bemerkenswert gut. Durch die Konzentration auf die vor der eigentlichen Invasion in Flugzeugen in den schwer bewachten deutschen Luftraum eindringenden Fallschirmspringer funktioniert "Operation: Overlord" sogar als Komplementär zu der Fußsoldaten-Version in "Der Soldat James Ryan". Die Handkamera bleibt auch hier ganz dicht bei den überwiegend jungen und unerfahrenen Soldaten, die zuerst noch Witze reißen, um ihre Unsicherheit und Angst zu überdecken, bis sie in ein Inferno voller von der deutschen Flugabwehr abgeschossener Flugzeuge geraten und nur noch beten können, daß sie solange überleben, bis das Signal zum Absprung kommt. Das ist von Julius Avery ungemein intensiv und beklemmend inszeniert und läßt den Krieg passenderweise in der Tat wie die Hölle erscheinen.

So stark geht es nach der Landung der überlebenden Soldaten jedoch nicht weiter. Stattdessen wird "Operation: Overlord" im nur atmosphärisch überzeugenden zweiten Akt durch immer mehr klassische Horrorelemente ergänzt, die bedauerlicherweise selten die beabsichtigte Wirkung erzielen. Vor allem die häufigen, gerne mit lange überholten Kriegsfilm-Klischees verbundenen überraschenden Todesfälle und Jumpscares sind in den allermeisten Fällen (zumindest für die genrekundigen Zuseher) erwartbar und nerven eher als zu erschrecken. Besser funktioniert, wie Avery in diesem Mittelteil die Charaktere dem Publikum näherbringt, während diese sich in Chloés Haus verstecken und ihr weiteres Vorgehen planen. Eine tiefgehende Figurenzeichnung darf man zwar nicht erwarten, doch der OSCAR-nominierte Drehbuch-Autor Billy Ray ("Captain Phillips") und sein Co-Autor Mark L. Smith ("The Revenant") sorgen dafür, daß die verbliebene Handvoll Soldaten ein klares und gut voneinander unterscheidbares Profil erhalten und auch ihre passend ausgewählten Darsteller zeigen dürfen, was sie draufhaben. Kurt Russells Sohn Wyatt Russell etwa macht als hartgesottener Anführer einen weiteren Schritt auf der Karriereleiter, während Jovan Adepo als eigentlich friedliebender afroamerikanischer Private Boyce schnell zum emotionalen Zentrum des Films avanciert. Dann gibt es noch Boyces jüdischen besten Freund Jacob Rosenfeld (Dominic Applewhite, TV-Serie "The Inbetweeners"), den sehr vorlauten Scharfschützen Tibbet (John Magaro, "Carol") und den Kriegsphotographen Morton Chase (Iain De Caestecker, TV-Serie "Marvel's Agents of S.H.I.E.L.D.") sowie ihre patente Helferin Chloé und deren kleinen Bruder Paul (Gianny Taufer). Auf der Nazi-Seite hinterläßt hingegen nur der sadistische Hauptsturmführer Wafner wirklich Eindruck – auch wegen der gekonnt boshaften Darstellung durch den Dänen Pilou Asbæk –, während Dr. Schmidt und Wafners rechte Hand Scherzer (Marc Rissmann, TV-Serie "The Last Kingdom") ziemlich blaß bleiben. Das ist ein Problem, denn so gut Asbæk seine Rolle spielt, Wafner taugt eigentlich eher zum Schergen eines richtigen Oberbösewichts – den es hier aber nicht gibt.

Dafür entschädigt der letzte Akt von "Operation: Overlord", der mit dem Eindringen der Soldaten in die Nazi-Basis seinen Lauf nimmt, mit einer weiteren Stiländerung. Von lahmen Jumpscares nimmt Avery nun zum Glück weitgehend Abstand zugunsten puren B-Movie-Irrsinns in bester "Re-Animator"-Manier mit zombiehaften Supersoldaten, ansehnlich choreographierten Kämpfen und wirklich beachtlichen Splattereinlagen – erstaunlich, daß die FSK dafür eine Freigabe ab 16 Jahren gewährte! Im Vergleich zu Stuart Gordons kultigen "Re-Animator"-Filmen und vielen ähnlichen Genrevertretern mangelt es "Operation: Overlord" jedoch an Humor. Avery zieht den Film konsequent ernsthaft durch, was angesichts des übergeschnappten Settings, das sich dem Publikum im Showdown bietet, doch etwas merkwürdig, mitunter gar unfreiwillig komisch wirkt. Wie eingangs erwähnt: Ein bißchen unrund fühlt sich dieser Genre-Mischmasch schon an. Dazu paßt, daß "Operation: Overlord", würde er auf die Horrorelemente verzichten, glatt als Propagandafilm kategorisiert werden müßte, so kollektiv bösartig und zugleich dämlich stellt er die Deutschen dar. Die Dämlichkeit beschränkt sich jedoch nicht allein auf die Nazis, wenn unsere heroischen Fallschirmspringer etwa relativ früh feststellen, daß nur harte Angriffe auf den Kopf die "Supersoldaten" dauerhaft ausschalten können, sie aber noch im Finale auf so ziemlich alles zielen – außer auf die Köpfe … Doch da "Operation: Overlord" letztlich eindeutig mehr Horror- als Kriegsfilm ist und somit andere Schwerpunkte setzt, lassen sich solche für das Genre wahrlich nicht untypische Mängel recht gut verkraften. Um sich lange darüber zu ärgern, läßt einem das im Showdown hohe Tempo sowieso kaum Zeit, zumal der präsentierte Wahnsinn fraglos gut unterhält und die Schauer-Atmosphäre paßt.

Fazit: "Operation: Overlord" ist ein etwas unausgewogenes, jedoch insgesamt spaßiges Horror-Kriegsfilm-B-Movie, das primär mit seiner stimmigen Atmosphäre und einem schön irren Finale überzeugt.

Wertung: 7 Punkte.


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