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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 30. März 2017

GHOST IN THE SHELL (3D, 2017)

Regie: Rupert Sanders, Drehbuch: Jamie Moss und William Wheeler, Musik: Clint Mansell und Lorne Balfe
Darsteller: Scarlett Johansson, Pilou Asbæk, "Beat" Takeshi Kitano, Peter Ferdinando, Juliette Binoche, Michael Carmen Pitt, Chin Han, Yutaka Izumihara, Lasarus Ratuere, Danusia Samal, Tawanda Manyimo, Anamaria Marinca, Kaori Momoi, Rila Fukushima, Daniel Henshall
Ghost in the Shell
(2017) on IMDb Rotten Tomatoes: 42% (5,5); weltweites Einspielergebnis: $169,8 Mio.
FSK: 16, Dauer: 107 Minuten.

Als Mira in einem fensterlosen Labor auf einer Liege erwacht, fühlt sie sich nicht mehr wie sie selbst. Das ist kein Wunder, wurde doch ihr Körper bei einem Terroranschlag getötet – nur ihr Gehirn konnte gerettet und in einen ultramodernen Roboterkörper (Scarlett Johansson, "Under the Skin") verpflanzt werden, wobei allerdings der größte Teil ihrer Erinnerungen verlorenging. Zwar ist es in der Gesellschaft der nicht allzu fernen Zukunft, in der wir uns wiederfinden, völlig normal, daß Menschen künstlich verbessert und damit Cyborgs werden, aber ein menschliches Gehirn in einem vollständig künstlichen Körper – das ist ein sensationeller wissenschaftlicher Durchbruch, der auf das Konto von Dr. Ouélet (Juliette Binoche, "Godzilla") geht und die Hanka Corporation unter der Leitung von Mr. Cutter (Peter Ferdinando, "A Field in England"), für die sie arbeitet. Während Dr. Ouélet rasch eine starke emotionale Verbindung zu Mira aufbaut – die nun jedoch schlicht "Major" gerufen wird –, sieht Cutter sie als eine Waffe, und so wird Mira innerhalb eines Jahres zu einer Kampfmaschine trainiert, die einer Anti-Terror-Spezialeinheit der Regierung zugeteilt wird. Unter der Leitung von Chief Daisuke Aramaki ("Beat" Takeshi Kitano, "Zatoichi – Der blinde Samurai") ermittelt Mira gemeinsam mit ihrem Cyborg-Partner Batou (Pilou Asbæk, TV-Serie "Borgen") gegen den geheimnisvollen Terroristen Kuze (Michael Pitt, "7 Psychos"), der es offenbar auf hochrangige Hanka-Mitarbeiter abgesehen hat …

Kritik:
Als Masamune Shirow im Jahr 1989 in Japan seinen Cyberpunk-Manga "Ghost in the Shell" veröffentlichte, hätte er vermutlich selbst nicht geglaubt, daß er den Grundstein für eine neue, medienübergreifende Kultreihe legt. Doch spätestens durch Mamoru Oshiis gefeierte Anime-Umsetzung von 1995 wurde "Ghost in the Shell" zu einer weltweiten Erfolgsstory, die zahllose weitere animierte Kinofilme, TV-Serien, Videospiele und selbstverständlich Mangas nach sich zog. Was bislang noch fehlte, war eine Realfilm-Version. Daß die ausgerechnet aus Hollywood kommen sollte – wenngleich unter starker finanzieller Beteiligung asiatischer Studios –, sorgte unter Fans für Skepsis. Angesichts des Resultats werden wohl weiterhin zwiespältige Gefühle vorherrschen, denn während die Version des ehemaligen Werbefilm-Regisseurs Rupert Sanders ("Snow White and the Huntsman") Look und Atmosphäre des als primäre Inspirationsquelle dienenden Films von 1995 nahezu perfekt in die reale Welt überführt, hat sein "Ghost in the Shell" inhaltlich abseits der grundsätzlichen Thematik wohl nicht mehr allzu viel mit der Vorlage zu tun. Diese Eigenständigkeit kann man begrüßen, immerhin ist das "Ghost in the Shell"-Franchise sehr vielfältig und die einzelnen Veröffentlichungen unterscheiden sich stilistisch teils erheblich; Fans der Animes werden es wahrscheinlich trotzdem eher nicht so gut finden. Mir persönlich ist es ziemlich gleichgültig, da mir die Animes zwar gefallen haben, ich aber nie ein ganz großer Anhänger war (und mich inzwischen sowieso nur noch an wenige Einzelheiten erinnern kann). Ärgerlicher ist da schon, daß die neue "Ghost in the Shell"-Handlung sich an ziemlich vielen Genre-Klischees entlanghangelt und so trotz toller Optik und vielversprechender inhaltlicher Ansätze nur bedingt überzeugen kann.

Wie genau der neue "Ghost in the Shell" in Erinnerung bleiben wird, hängt voraussichtlich vor allem von einer Frage ab: Bleibt es ein für sich stehender Film? Oder ist es der Beginn einer Realfilm-Reihe? Als Einzelwerk würde Sanders' Film vermutlich recht schnell in Vergessenheit geraten, da die Handlung und speziell der Bösewicht viel zu generisch geraten sind und die interessanten technologisch-philosophischen Fragestellungen letztlich nur aufgeworfen werden, ohne sie zu vertiefen. Als Beginn einer Reihe hingegen würde "Ghost in the Shell" sehr viel besser dastehen, da er die handelnden Figuren etabliert und interessant genug präsentiert, um sich auf weitere Abenteuer mit ihnen zu freuen und weil er die manchmal erschreckende, aber immer faszinierende futuristische Gesellschaft eingeführt hat, die bereits so viel erzählerisches Potential offenbart. Ein gutes Beispiel dafür ist Miras Spezialeinheit, von deren Mitgliedern dem Zuschauer mehr als die Hälfte noch sehr fremd bleiben, obwohl ihre wenigen Szenen durchaus neugierig auf sie machen. Doch in diesem (ersten?) Film konzentriert sich das Drehbuch von Jamie Moss ("Street Kings") und William Wheeler ("Queen of Katwe") stark auf den Major und Batou, neben denen nur noch ihr Chef Aramaki eine größere Rolle spielt.

Der Vorteil des Vorgehens ist selbstredend, daß Sanders mehr Zeit auf die Figurenzeichnung bei dem zentralen Duo verwenden kann, was in der Tat gut funktioniert: Mira und Batou sind ein eingespieltes, sympathisches Team, dessen Freundschaft absolut echt wirkt. Naturgemäß ist das auch oder sogar vor allem den Schauspielern zu verdanken. Scarlett Johansson beweist zum wiederholten Male, daß sie zu den leider immer noch ganz wenigen Frauen im heutigen Hollywood zählt, die notfalls auch alleine einen teuren Blockbuster tragen können – sie glänzt nicht nur in den Kampfszenen (die aber leider weniger eindrucksvoll choreographiert sind als das, was Johansson in Luc Bessons "Lucy" oder als Black Widow in den Marvel-Filmen zeigen durfte), sondern verleiht ihrer Figur Tiefe. Mira, die wiederholt von kryptischen Erinnerungsfetzen irritiert wird, ist bei aller Kampfkraft von einer inneren, existentiellen Verlorenheit gezeichnet, die nachvollziehbar ist (schließlich ist sie buchstäblich nicht mehr sie selbst) und schnell Mitgefühl beim Publikum weckt. Alleine das Zusammenspiel mit Juliette Binoche, die aus ihrer kleinen Rolle wie stets das Bestmögliche herausholt, hebt den Film schauspielerisch auf ein anderes Niveau. Auch der dänische Mime Pilou Asbæk, der bereits in "Lucy" (wenn auch nur kurz) an Johanssons Seite agierte, zeigt eine starke Leistung als loyaler Hundefreund Batou, der dem Major stets den Rücken freihält. Und selbstverständlich ist die japanische Ikone "Beat" Takeshi Kitano – seit vielen Jahrzehnten erfolgreich als Komiker, Gameshow-Host ("Takeshis Castle"), Schauspieler, Drehbuch-Autor und Regisseur – auch mit 70 Jahren und einer seit einem Unfall gelähmten rechten Gesichtshälfte noch mordsmäßig cool und hat eine Leinwand-Präsenz, die seinesgleichen sucht. Glücklicherweise ist Regisseur Sanders schlau genug, seine Mitwirkung nicht einfach als gegeben hinzunehmen, stattdessen schneidet er eine längere Sequenz ganz auf ihn zu, in der Kitano zeigt, daß er es immer noch mächtig drauf hat! Da ist es dann auch locker zu verschmerzen, daß Chief Aramaki als einzige Figur im gesamten Film stets (deutsch untertiteltes) Japanisch spricht, was erzählerisch nicht wirklich Sinn ergibt.

Weniger gut sieht es in Sachen Charaktertiefe für die beiden Antagonisten des Films aus: Während es zu Kuze immerhin einige interessante Enthüllungen gibt, bleibt Hanka-Chef Cutter von der ersten bis zur letzten Szene der stereotypische, langweilig machtgeile und skrupellose Manager-Bösewicht, der einem kaum mehr als ein Gähnen abringt; was auch den obligatorisch actionreichen Showdown ein wenig der Wirkung beraubt. Aber wie bereits angedeutet zählen die Kampfsequenzen etwas überraschend sowieso nicht zu den großen Stärken von "Ghost in the Shell". Letztlich waren die besten entsprechenden Szenen (in Kurzform) bereits fast alle in den Trailern enthalten, sehr viel mehr darf man nicht erwarten – auch wenn Johansson in ihrem hautengen, grau-silbernen Kampfanzug natürlich eine wahre Augenweide ist. Generell ist der Film weniger actionreich ausgefallen als man das vermuten konnte. Grundsätzlich finde ich das nicht schlecht, nur gelingt es Rupert Sanders zu selten, in den ruhigen Szenen einen echten Erzählfluß zustandezubringen, was sogar zu einigen tendentiell langweiligen Passagen führt. Bedauerlich ist außerdem, daß die namenlos bleibende Zukunfts-Metropole zu wenig in das Geschehen integriert wird – sie bleibt über weite Strecken bloße Kulisse, wenn auch zweifellos eine wunderschöne Kulisse, die immer wieder an Sir Ridley Scotts "Blade Runner" erinnert. Gerade des Nachts (die im Film meist herrscht) schinden die langgezogenen Kamerafahrten über die futuristischen Hochhäuser und die riesigen Werbe-Hologramme mächtig Eindruck und schaffen eine dichte Atmosphäre, die durch den düster wummernden Electro-Score von Clint Mansell ("Black Swan") und Lorne Balfe ("Terminator: Genisys") gekonnt verstärkt wird – die nachträgliche 3D-Konvertierung, obwohl solide gemacht, bleibt allerdings erkennbar hinter dem zurück, was mit einem echten 3D-Dreh möglich gewesen wäre. Dennoch ist es keine Frage: Ich würde gerne mehr von dieser ambivalenten Zukunft sehen; ich würde gerne mehr über die gesellschaftlichen Auswirkungen der künstlichen Verbesserungen erfahren, die jene, die ganz Mensch bleiben, zunehmend zu Außenseitern machen (wie in Andrew Niccols "Gattaca"); und vor allem würde ich gerne neue Abenteuer vom Major, Patou, Aramaki und dem restlichen Team zu Gesicht bekommen. Kurzum: Auch wenn es an "Ghost in the Shell" etliches zu kritisieren gibt, hoffe ich sehr auf eine Fortsetzung!

Fazit: "Ghost in the Shell" ist ein primär mit seiner exzellent umgesetzten futuristischen Optik punktender Action-SF-Film, der zwar das erzählerische Potential seiner spannenden Prämisse nicht viel mehr als ankratzt, aber einmal mehr eine sehr überzeugende Actionheldin (mit Tiefe) Scarlett Johansson präsentiert und eine gute Grundlage für mögliche Fortsetzungen legt.

Wertung: 7 Punkte als Beginn einer Reihe; 6 bis 6,5 Punkte als Einzelfilm.


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