Originaltitel:
Beauty and the Beast
Regie: Bill Condon, Drehbuch: Stephen Chbosky und Evan
Spiliotopoulos, Musik: Alan Menken
Darsteller: Emma Watson, Dan Stevens, Luke Evans, Kevin
Kline, Josh Gad, Ewan McGregor, Sir Ian McKellen, Emma Thompson, Nathan Mack,
Gugu Mbatha-Raw, Stanley Tucci, Audra McDonald, Hattie Morahan, Sonoya Mizuno
Irgendwo in Frankreich zur Mitte des 18. Jahrhunderts: Gaston
(Luke Evans, "Dracula Untold"), ehemaliger Offizier und aufgrund seines
guten Aussehens begehrtester Junggeselle des kleinen Orts Villeneuve, kennt nur
ein Ziel – er will die schöne Belle (Emma Watson, "My Week with Marilyn") erobern und heiraten. Die will jedoch nichts vom oberflächlichen
und selbstverliebten Gaston wissen, vielmehr liebt sie Bücher und träumt davon,
die provinzielle Enge ihrer Heimat zu verlassen. Der Wunsch wird ihr
schneller erfüllt als gedacht – allerdings auf gänzlich andere Art und Weise –,
als ihr alleinerziehender Vater Maurice (Kevin Kline, "Wilde Kreaturen")
in einem Unwetter vom Weg abkommt und letztlich von einem monströsen Biest (Dan
Stevens, "The Guest") in seinem heruntergekommenen Schloß
gefangengehalten wird. Belle bietet sich selbst im Austausch für die Freiheit
ihres kränkelnden Vaters an, das Biest akzeptiert. Doch während Belle zunächst nur
noch daran denkt, aus der Gefangenschaft zu flüchten, lernt sie die
Wunder dieses verwunschenen Ortes kennen. Denn das Biest war einst ein eitler
Prinz und etliche der (lebendigen) Gegenstände im Schloß – darunter ein
Kerzenhalter, eine Uhr und eine Teekanne – waren dessen Bedienstete, ehe sie
alle von einer Zauberin verwandelt wurden. Nur wahre Liebe, die für das
garstige Biest empfunden wird, kann den Fluch brechen. Doch die Zeit drängt,
ehe die Verwandlung unumkehrbar wird. Belle ist die letzte Hoffnung …
Kritik:
Zwei Vorbemerkungen: Das
Märchenmusical "Die Schöne und das Biest" von Bill Condon ("Mr. Holmes") ist die nächste Disney-Realverfilmung eines eigenen Zeichentrickklassikers –
da es allerdings viele Jahre her ist, daß ich die 1991 erschienene Vorlage
gesehen habe, werde ich weitgehend auf direkte Szenen- oder Figurenvergleiche
verzichten – wobei es sich hier sowieso eher um ein Remake mit ein
paar Erweiterungen handelt als um einigermaßen eigenständige Neuinterpretationen
wie bei "Cinderella" oder "The Jungle Book". Zudem habe ich
den Film auf Englisch gesehen, da in der deutschen Synchronfassung die
Songs ebenfalls eingedeutscht wurden, was ich im Normalfall nicht mag, da die übersetzten
Texte häufig etwas holprig klingen und ich zudem lieber die Schauspieler
selbst singen höre. Was ich sehr wohl mag, ist dagegen diese neue Version des
alten, vielfach adaptierten französischen Volksmärchens, die zwar nicht
makellos ist, es sich aber mit prächtigen Schauwerten, eingängigen Liedern,
sehr viel Herz und einer guten Besetzung durchaus verdient hat, zu einem der
erfolgreichsten Filme aller Zeiten zu werden.
Bereits der Prolog, in dem gezeigt wird, wie aus einem garstigen
Prinzen ein garstiges Biest wurde, präsentiert den heimlichen Hauptdarsteller
in seiner vollen Pracht: das ausgesprochen schmucke Schloß, über weite
Strecken der Schauplatz von "Die Schöne und das Biest". Da das nicht
eben bescheiden, aber dafür umso spektakulärer konstruierte Schloß und auch seine
Bewohner respektive Gäste für eine Festivität besonders glanzvoll herausgeputzt sind,
fällt der Kontrast zwischen der verschwenderischen Ausstattung, den pompösen
Kostümen und der durch unzählige Kerzen beschworenen lichten Pracht zu diesem
frühen Zeitpunkt und jenem Zustand, in dem es sich befindet, als Maurice und
Belle es finden, besonders groß aus. Denn nach der Verwandlung des Prinzen
und der Bediensteten läßt sich die wahrlich märchenhafte Schönheit des barocken
Gebäudes mit zahlreichen Türmchen, Statuen und Verzierungen (ganz genau
genommen orientiert das Design passend zum Setting des Märchens am
Rokoko-Stil, der aus dem Spätbarock hervorging) zwar noch erahnen, die
Dunkelheit des ewigen Winters, der Teil des Fluchs ist, und natürlich die
mangelnde Pflege, die zu etlichen, teils erheblichen Schäden führte, lassen das
Schloß jedoch eher traurig wirken. Was selbstverständlich perfekt zum
Gemütszustand seiner nur körperlich ihrer Menschlichkeit beraubten Bewohner
paßt.
Daß Belle deren Rettung sein könnte, würde man selbst dann
früh ahnen, wenn die Geschichte nicht weltbekannt und, ehrlich gesagt,
auch ziemlich simpel wäre. Denn wir lernen Belle nach dem dramatischen Prolog
als lebenslustige junge Frau kennen, die mit ihrem Charme, ihrer Freundlichkeit
und ihrer unaufdringlichen, vollkommen natürlich wirkenden Schönheit ihr Umfeld verzaubert.
Gleichzeitig verschreckt sie die erzkonservativen Bewohner von Villeneuve mit
ihrem Wissensdurst – allein, daß sie als Frau lesen kann, grenzt an einen
Skandal! –, der Sehnsucht nach Abenteuern und auch mit ihrer Intelligenz und
Schlagfertigkeit. Deren Ziel wird besonders häufig der eitle Gaston, den es
gerade reizt, daß Belle die einzige im Ort ist, bei der er mit seinem guten Aussehen
und seinem leicht schmierigen Charme überhaupt nicht landen kann. Luke Evans
spielt Gaston ausgesprochen überzeugend und unterhaltsam, im ersten
Filmdrittel macht er ihn gar zum heimlichen Star, auch dank der immer wieder hochgradig
amüsanten Geplänkel mit seinem besten Freund LeFou (Josh Gad, "Die Eiskönigin"), der allerdings
nicht ausschließlich platonische Gefühle für Gaston hegt. Interessanterweise
kommt der zu Beginn generell gar nicht so schlecht weg, immerhin nimmt er
Belles mitunter ruppige Abweisungen vergleichsweise gelassen hin, ohne
sich davon entmutigen zu lassen. Hätte Gaston nicht das Pech, zum Antagonisten
der Story bestimmt zu sein, dann könnte er Belle durchaus im Stil einer
romantischen Komödie irgendwann erobern … Ein negativer Nebeneffekt von Gastons frühem Scenestealer-Status ist aber, daß seine spätere,
deutlich weiter als im Zeichentrickfilm gehende Wandlung zum hassenswerten
Bösewicht ziemlich abrupt und damit nicht gänzlich glaubwürdig daherkommt.
Ähnliches läßt sich freilich von der sich ab dem zweiten Akt
zunächst zögerlich, dann umso rasanter entwickelnden Liebesgeschichte
zwischen Belle und dem Biest behaupten. Das war in früheren Verfilmungen wie
Jean Cocteaus legendärem, surreal-poetischen "Die Schöne und die
Bestie" von 1946 nicht groß anders und vermutlich auch nicht in den diversen
Versionen des Volksmärchens – aber in einem Musical
wie diesem bleibt einfach noch ein bißchen weniger Zeit für klassische
Charakterentwicklung. Zugegeben, dafür gelingt es zumindest einigen der Songs –
die vom Zeichentrickfilm übernommen und um drei ein weiteres Mal von Alan Menken
komponierte neue Lieder ergänzt wurden –, eine stärkere Emotionalität zu
vermitteln als das wohl im gleichen Drei-Minuten-Zeitraum mit Dialogen
möglich wäre; dennoch bleibt es dabei, daß sich die beiden Titelfiguren für
meinen Geschmack zu rasant annähern, als daß es richtig glaubwürdig wäre – mir
ist aber bewußt, daß das bei einem romantischen Märchen-Musical wie "Die
Schöne und das Biest" ein recht kleinlicher Kritikpunkt ist, den
garantiert nicht jeder teilt. Zumal es ja auch noch die verzauberten
Bediensteten des Schlosses gibt, die viel Raum in der Handlung einnehmen und
als unkonventionelle Verkuppler reichlich Humor und ebenfalls einige Songs
beisteuern (damit aber wiederum Zeit beanspruchen, die der
Belle-Biest-Beziehung fehlt – aber lassen wir das …).
Wie in der Zeichentrickversion sorgen speziell der umtriebige
Kerzenleuchter Lumière und die stilbewußte britische Kaminuhr Cogsworth für Spaß, das Duo wird hervorragend gesprochen von Ewan McGregor ("Jack and the Giants") und Sir Ian McKellen ("Der Hobbit"). Aber auch
das übrige, gegenüber der Vorlage leicht erweiterte Bediensteten/Gegenstände-Ensemble fügt sich
wunderbar ein, bestehend aus der Teekanne Mrs. Potts (Emma Thompson, "Radio Rock Revolution") samt Sohn/Teetasse Chip (Nathan Mack), dem musikalischen
Schrank Madame de Garderobe (Audra McDonald aus der TV-Serie "Private
Practice") und ihrem Ehemann, dem Cembalo Maestro Cadenza (Stanley Tucci,
"Einfach zu haben") sowie Lumières Geliebter, dem schwanförmigen
Staubwedel Plumette (Gugu Mbatha-Raw, "Dido Elizabeth Belle"). Sowohl
in humoristischer als auch in musikalischer Hinsicht sorgen die Bediensteten für
die Highlights, wenngleich zugegebenermaßen ein paar Szenen arg kindisch
geraten sind – etwa Madame de Garderobes erster Auftritt. Gesanglich brillieren primär McGregor als dominierende Stimme in "Be Our Guest" (wenig
überraschend, wenn man ihn in "Moulin Rouge!" gehört hat) sowie eher
unerwartet Emma Thompson, die eine wunderbare Interpretation des Titelsongs
"Beauty and the Beast" darbietet! An diese beiden Höhepunkte ("Beauty and the
Beast" gewann ja bereits 1992 den Filmsong-OSCAR) reichen die drei
Neukompositionen zwar nicht heran, sie fügen sich aber harmonisch in das
Gesamtbild ein. Und daß das Biest nun mit dem von Dan Stevens gefühlvoll
vorgetragenen, wehmütigen "Evermore" endlich ein eigenes Lied erhält,
war sowieso überfällig. Bedauerlich ist allerdings, daß die Lieder generell
etwas überproduziert wirken, nicht selten übertönt die Musik den Gesang, womit
die Texte phasenweise nur schwer zu verstehen sind – immer
bezogen auf die englischsprachige Version, denn in solchen Punkten
kann eine Synchronfassung durchaus ihre Vorzüge haben (ob sie es hier besser macht,
kann ich nicht beurteilen).
Apropos Dan Stevens: Der frühere "Downton
Abbey"-Star kann schauspielerisch naturgemäß nur bedingt
auftrumpfen, da er nun einmal die meiste Zeit über als (ebenso wie die lebendigen Gegenstände sehr überzeugend animiertes)
Biest in Erscheinung tritt. Dennoch macht er seine Sache gut und die Leinwandchemie
zwischen ihm und Emma Watson stimmt. Die wiederum gibt eine umwerfend liebenswürdige, einfach zauberhafte Belle ab, die ihren selbstbewußten Umgang mit
Gaston ebenso überzeugend darbietet wie die nicht gerade alltägliche Interaktion mit den
verzauberten Bediensteten und natürlich die zunächst von Abscheu, dann von
immer stärker werdenden positiven Gefühlen geprägte Beziehung zum gar nicht
mehr so garstigen Biest. Da verzeiht man ihr auch, daß sie wohl nicht die
allerbeste Sängerin ist, jedenfalls wurde ihrer Stimme merklich mit technischer
Hilfe nachgeholfen – was ich persönlich sehr bedauerlich finde, denn ich
bevorzuge bei Musicals Authentizität eindeutig gegenüber Perfektion.
Russell Crowe beispielsweise mag für seinen stimmlichen Einsatz in "Les Misérables"
von einigen Seiten belächelt worden sein, aber auch wenn er natürlich nicht an
die gesanglichen Qualitäten seiner mit einer Profi-Gesangsausbildung gesegneten Ensemble-Kollegen heranreicht, singt er doch gut
und vor allem mit Leidenschaft. Mir ist das lieber und ich bin mir sicher, daß
Emma Watson das ebenso hinbekommen hätte. Aber Disney ist halt Disney und
geht im Zweifelsfall immer noch lieber auf Nummer sicher – ich find's schade,
es ist aber nicht zu ändern und wird vielen Zuschauern vermutlich sowieso nicht
auffallen. Zumindest wurde sie nicht nachträglich und gegen ihren
Willen von einer professionellen Sängerin synchronisiert wie weiland die arme Audrey
Hepburn in "My Fair Lady" (das war allerdings nicht Disney, sondern
Warner Bros.) …
Ein Wermutstropfen bei der von mir ansonsten so gelobten
Optik ist übrigens der 3D-Einsatz. Der ist zwar bis auf vereinzelte "Ghosting"-Momente
sehr solide, aber ich hatte mir definitiv eine noch bessere Tiefenwirkung
speziell bei den prachtvollen Schloßszenen erhofft, qualitativ auf einem Level mit
bisherigen 3D-Highlights wie "Avatar", "Life of Pi",
"Der große Gatsby" oder "Resident Evil: Afterlife". Aber
das wäre wohl nur möglich gewesen, wäre der Film tatsächlich in 3D gedreht und
nicht lediglich nachträglich konvertiert worden. Für meinen Geschmack finden
zudem etwas zu viele kinderfreundliche Pop-Out-Effekte Verwendung, aber nunja, auch hier gilt: Es ist eben ein Familienfilm von Disney; da war nichts anderes zu erwarten und
da sich die Effekte noch in Grenzen halten, stört es nicht sonderlich.
Dennoch ist es ein kleines bißchen symptomatisch für mein Empfinden, daß "Die
Schöne und das Biest" bei allen Stärken etwas zu genau
und kühl marketingtechnisch durchkalkuliert ist. Kurz gesagt: Es ist ein richtig guter,
glänzend unterhaltender, hervorragend produzierter und harmonisch besetzter Film …
aber kein Meisterwerk.
Fazit: "Die Schöne und das Biest" ist eine
visuell prachtvolle und sehr sympathische Realfilm-Version des beliebten
Disney-Zeichentrickklassikers von 1991, die mit sinnvollen Erweiterungen
aufwartet, jedoch ein paar kleinere Schönheitsfehler in den verschiedensten
Kategorien nicht ganz verbergen kann.
Wertung: 8 Punkte.
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