Regie: Paul
Greengrass, Drehbuch: Christopher Rouse, Paul Greengrass, Musik: John Powell
und David Buckley
Darsteller:
Matt Damon, Alicia Vikander, Tommy Lee Jones, Vincent Cassell, Julia Stiles,
Riz Ahmed, Ato Essandoh, Scott Shepherd, Vinzenz Kiefer, Gregg Henry
FSK: 16, Dauer: 124 Minuten.
Seit vielen Jahren ist der ehemalige CIA-Killer Jason Bourne (Matt
Damon, "Der Marsianer") untergetaucht. Allerdings führt er nicht
gerade ein sorgenfreies Leben, vielmehr vegetiert er eher vor sich und verdient
etwas Geld bei illegalen Kämpfen, aktuell in Griechenland. Doch eines Tages
kontaktiert ihn seine langjährige Verbündete Nicky Pasons (Julia Stiles,
"Silver Linings"), die inzwischen mit dem Aktivisten Christian
Daussault (Vinzenz Kiefer, "Der Baader Meinhof Komplex")
zusammenarbeitet, um illegale CIA-Aktivitäten aufzudecken. Bei ihrer
gefährlichen Recherche ist sie auf Informationen über die Anfänge des
berüchtigten "Projekt Treadstone" und die Verwicklung von Jasons
Vater (Gregg Henry, "Super") darin gestoßen. Als Jason durch Nicky
davon erfährt, will er einmal mehr die Wahrheit herausfinden – und gerät
dadurch sofort ins Fadenkreuz des skrupellosen neuen CIA-Direktors Dewey (Tommy
Lee Jones, "Lincoln"), der den CIA-Killer "Asset" (Vincent
Cassel, "Das Märchen der Märchen") auf ihn ansetzt. Nur Deweys
Zögling, die brillante Analystin Heather Lee (Alicia Vikander, "Ex Machina"),
scheint zumindest ansatzweise auf Bournes Seite zu stehen …
Kritik:
Eigentlich war die Sache eindeutig: "Das Bourne
Ultimatum" brachte 2007 die wegweisende, lose auf einer Romanreihe
von Robert Ludlum basierende Bourne-Trilogie zu einem fulminanten und
sehr befriedigenden Ende. Das "Problem" an der Sache: Angesichts des
von Film zu Film wachsenden kommerziellen Erfolges hatte das produzierende
Universal-Studio kein Interesse daran, dieses lukrative Franchise – das als
deutlich erkennbare Inspirationsquelle indirekt auch alteingesessenen
Genrevertretern wie der James Bond- oder der "Mission:
Impossible"-Reihe neues Leben einhauchte – einfach aufzugeben. Da
der Hauptdarsteller Matt Damon wiederholt erklärte, er werde nur zurückkommen, wenn
wiederum Paul Greengrass (Regisseur von "Die Bourne Verschwörung" und
"Das Bourne Ultimatum") inszenieren würde, dieser aber
dankend ablehnte, versuchte man sich an dem Spin-Off "Das Bourne Vermächtnis" mit Jeremy Renner. Das lief zwar solide, blieb jedoch
qualitativ und kommerziell hinter den Erwartungen zurück, weshalb der
Druck auf Damon und Greengrass verstärkt wurde. Und siehe da: Greengrass ließ
sich erweichen – und hier haben wir den simpel betitelten Reihen-Neustart "Jason
Bourne". Der aber unglücklicherweise bei weitem nicht die Klasse der
Originaltrilogie erreicht.
Müßte man "Jason Bourne" mit einem Wort
beschreiben, dann würde sich dieses anbieten: Ideenarmut. Denn was Greengrass – der mit seinem langjährigen Cutter Christopher Rouse
auch das Drehbuch verfaßte – hier abliefert, ist zwar handwerklich mehr als
solide, schickt den Zuschauer jedoch von einem Déjà-vu-Moment zum nächsten:
Wieder muß Bourne ungelöste Rätsel aus der Vergangenheit aufklären, wieder wird
er von bösen CIA-Leuten zum Abschuß freigegeben und wieder gibt es spektakuläre,
mit der wackligen Handkamera und damit sehr immersiv gefilmte
Verfolgungsjagden. Was es nicht gibt, sind frische Ideen. Schon Bournes
Motivation, sich wieder in das "Spiel" zurückziehen zu lassen, obwohl
er nach den Ereignissen aus "Das Bourne Ultimatum" doch eigentlich
fertig mit der CIA war, wirkt so phantasielos an den Haaren herbeigezogen wie
sie es nun einmal ist. Zugegeben, das ist für eine Fortsetzung in diesem Genre
nicht ungewöhnlich und im Normalfall nicht mehr als ein kleines Ärgernis –
jedoch: Von einem erstklassigen Autor wie Paul Greengrass ("Flug
93") darf, nein, muß man einfach mehr erwarten!
Ansonsten reiht sich zwar ein interessanter –
wenngleich nicht eben exotischer – Schauplatz (Athen, Berlin, London, Las
Vegas) mit tempogeladenen Actionsequenzen an den nächsten, doch erzählerische
Höhepunkte bleiben weitestgehend aus. Durch das hohe Tempo besteht immerhin kaum
die Gefahr, daß es einem langweilig wird, auch wenn sich irgendwann fast
zwangsläufig ein Gefühl der Gewöhnung einstellt. Entsprechend bleibt die
wirklich aufregende Hetzjagd durch Athen im ersten Filmdrittel das allzu frühe
Highlight des Films. Das liegt vor allem daran, daß es an einer einnehmenden Story mangelt, die das Ganze sinnvoll verbindet. Zwar greift das Drehbuch
geschickt auf aktuelle Geschehnisse zurück – Demonstrationen in Athen,
Anspielungen auf Whistleblower Edward Snowden und Politaktivist Julian Assange,
Verbindungen zwischen Internet-Giganten und der CIA, die eine Hintertür zu den
Kundendaten fordert –, kratzt aber mit unschöner Konsequenz nur an der
Oberfläche. Die mannigfaltigen erzählerischen Möglichkeiten dieser Themen
werden fast komplett ignoriert, zumal sich alles sehr überraschungsarm abspielt.
Besonders bei dem Nebenhandlungsstrang rund um Aaron Kalloor (Riz Ahmed,
"Four Lions") – den Mark Zuckerberg des Bourne-Universums – ist es
eine echte Verschwendung, daß die anfangs angeschnittenen, ebenso aktuellen wie spannenden Fragen im weiteren Verlauf zum reinen Alibi verkommen, das nur noch die dünne, zunehmend dialogarme Story vorantreiben soll. Kein Zweifel: Hinsichtlich der Handlung war "Jason Bourne" selbst das lediglich halb geglückte
Spin-Off "Das Bourne Vermächtnis" überlegen, auch der mit dem fünften Bourne-Teil themenverwandte "Mission: Impossible – Rogue Nation"
hatte da mehr zu bieten.
Bedauerlich finde ich zudem, daß bis auf Jason Bourne und
Nicky Parsons keine Figuren aus den Vorgänger-Filmen auftreten (auch wenn ein
paar zumindest erwähnt werden). Zugegeben, es ist nachvollziehbar, daß man bei
einem Film, der ja letztlich als Reihen-Neustart dienen und auch Zuschauer ins
Kino locken soll, die die Originaltrilogie vielleicht gar nicht gesehen haben,
nicht zu viel Ballast aus der Vergangenheit mitschleppen will; und fraglos sind die Neuzugänge – der CIA-Direktor Dewey, der noch schlimmer ist
als seine Vorgänger und sogar ohne mit der Wimper zu zucken eigene Leute
umbringen läßt, sein berechnender Zögling Heather Lee und der von Rachegelüsten
getriebene CIA-Killer Asset – im Ansatz interessant. Trotzdem: Wenn
man schon auf ein so umfangreiches Serienuniversum mit vielen spannenden
Charakteren (von denen manche sogar noch am Leben sind …) zurückgreifen kann,
dann sollte man das meiner Ansicht nach nutzen anstatt fast nur
neue Figuren einzubauen, die aufgrund der übermäßigen Actionlastigkeit des
Films sowieso kaum ein eigenes Profil entwickeln dürfen – auch wenn es zumindest
eine nette Idee ist, mit Bourne und dem von Vincent Cassel stark gespielten
Asset zwei eiskalte Killer aufeinanderzuhetzen, die sich gegenseitig aneinander
rächen wollen. Selbst bei der ehrgeizigen Heather Lee, die aufgrund ihrer
relativen Undurchschaubarkeit als mögliche neue Bourne-Verbündete noch am
spannendsten gestaltet ist (zumal die OSCAR-Preisträgerin Vikander sie sehr
überzeugend verkörpert), bleiben die Gründe für ihre Taten letztlich unklar –
beziehungsweise müssen dem Publikum eher plakativ "erzählt" werden
als daß man sie sich selbst aus ihrer Person erschließen könnte.
Was bleibt, sind letztlich die vielen aufwendig gestalteten
und erstklassig choreographierten Actionsequenzen, die bei allen "das habe
ich doch schon mal gesehen"-Gefühlen trotzdem hervorragend in Szene
gesetzt sind. Die Wackelkamera gefällt zwar erfahrungsgemäß nicht jedem, aber
sie ist einfach ein integraler Bestandteil der Bourne-Filme und kommt für
meinen Geschmack zwar stark, aber nicht zu stark zum Einsatz. Die flankierende
Filmmusik von John Powell und David Buckley ("The Nice Guys") orientiert
sich ebenfalls stark an den Vorgängern, was einerseits die generelle Ideenarmut
von "Jason Bourne" noch unterstreicht, andererseits in diesem
konkreten Punkt aber kein Problem ist, da der unverwechselbare, von Powell vor
allem in den ersten beiden Teilen der Reihe geprägte Soundtrack für mich zu den
besten Action-Scores der Filmgeschichte zählt. Ach, und natürlich ist im
Abspann wieder Mobys "Extreme Ways" zu hören, quasi das
Erkennungsstück des Bourne-Universums – dieses Mal in einem sehr gelungenen,
etwas rockigeren Remix. Da die Einspielergebnisse von "Jason Bourne" mehr als befriedigend ausgefallen sind (immerhin die zweitbesten der Reihe, nur noch getoppt von "Das Bourne Ultimatum"), steht einer weiteren Fortsetzung theoretisch nichts im Wege. Frühen Planungen zufolge könnten irgendwann Jason Bourne und der in "Das Bourne Vermächtnis" von Jeremy Renner verkörperte Aaron Cross aufeinandertreffen, zunächst dürfte jedoch eine direkte Fortsetzung von "Das Bourne Vermächtnis" wahrscheinlicher sein. Spruchreif ist allerdings noch nichts.
Fazit: "Jason Bourne" stellt Actionjunkies
mit einer hohen Anzahl von exzellent umgesetzten Actionsequenzen mehr als zufrieden,
vergißt dabei aber leider das Geschichtenerzählen und bleibt deshalb deutlich
unter dem qualitativen Niveau der Originaltrilogie.
Wertung: 6,5 Punkte.
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