Regie und Drehbuch: Wes Anderson, Musik: Alexandre Desplat
Darsteller: Ralph Fiennes, Tony Revolori, Saoirse Ronan,
Edward Norton, Adrien Brody, Willem Dafoe, Jeff Goldblum, Mathieu Amalric,
Tilda Swinton, Bill Murray, Léa Seydoux, Harvey Keitel, Karl Markovics, Volker
"Zack" Michalowski, Florian Lukas, Owen Wilson, Bob Balaban, Fisher
Stevens, Waris Ahluwalia, Gisela Volodi, F. Murray Abraham, Jude Law, Jason Schwartzman, Tom Wilkinson,
Matthias Matschke, George Clooney
Die (fiktive) osteuropäische Republik Zubrowka in den 1930er
Jahren: Während in Europa die Vorzeichen eines neuen Krieges beinahe täglich
deutlicher zu werden scheinen, kümmert sich Chef-Concierge Monsieur Gustave
(Ralph Fiennes, "Skyfall") im prachtvollen Grand Budapest Hotel wie
immer aufopfernd um seine Gäste – vor allem um die, die schon etwas älter und
weiblich sind, so wie Madame D. (Tilda Swinton, "Moonrise Kingdom"). Als die
betagte und sehr, sehr reiche Dame – ein langjähriger Stammgast im Grand
Budapest Hotel – kurz nach der Rückkehr in das Familienschloß Lutz
stirbt, reist Gustave mit seinem neuen Lobby-Boy Zéro (Tony Revolori) sofort hinterher, um ihr die letzte Ehre zu erweisen. Zufällig findet auf dem Schloß auch gerade die Verlesung des Testaments durch den Anwalt Kovacs (Jeff Goldblum, "Die Tiefseetaucher") statt, die für alle Anwesenden mit einer großen
Überraschung endet: Madame D. hat Gustave das unschätzbar wertvolle Gemälde
"Jüngling mit Apfel" vermacht! Haupterbe Dmitri (Adrien Brody,
"Darjeeling Limited") ist von dieser Entscheidung überhaupt nicht
angetan. Er bezichtigt Gustave des Mordes an Madame D. und hetzt ihm sowohl die
Polizei unter Führung des gewissenhaften Inspektors Albert Henckels (Edward Norton,
"Der unglaubliche Hulk") als auch seinen Vertrauten, den skrupellosen
Jopling (Willem Dafoe, "Odd Thomas"), auf den Hals. Doch Gustave flüchtet
nicht direkt, sondern entwendet und versteckt zunächst das ihm vermachte
Gemälde ...
Kritik:
Vor allem Menschen, die seine Filme nicht mögen – und von
denen gibt es etliche – werfen Regisseur und Drehbuch-Autor Wes Anderson gerne
vor, er mache immer das Gleiche. Das ist natürlich Unsinn, aber es läßt sich
nicht leugnen, daß die meisten seiner Werke deutliche (vor allem stilistische)
Parallelen aufweisen. Das hat sich auch bei "Grand Budapest
Hotel" nicht komplett geändert, dennoch ist der gefeierte Eröffnungsfilm
der Berlinale 2014 ... anders. Nicht zuallererst eine skurrile Komödie, sondern
im Grunde genommen eine ganz klassische Kriminalgeschichte und gleichzeitig das
wehmütige und genau beobachtete Panorama einer untergehenden Epoche, in der
vielleicht nicht alles besser war, aber doch irgendwie: stilvoller. Die an sich
wenig aufregende Handlung, die sich im Wesentlichen an gängige Krimimuster
hält, ist dabei gar nicht das, worum es Anderson geht. Auch die Figuren
entwickeln dieses Mal (leider) deutlich weniger Profil als in seinen
früheren Filmen. Eigentlicher Star des Films ist die Ära, die mittels
großartiger (wie stets bei Anderson kunterbunter) Ausstattung und Kulissen,
garniert mit dem unverwechselbaren Stil des Regisseurs, porträtiert wird.
Das ist ungewöhnlich und trotz selbstverständlich wieder zahlloser herrlich
absurder Szenen sowie einer bis in die kleinsten Rollen hochkarätigen Besetzung
nicht so witzig wie von Anderson gewohnt. Aber es ist ohne Frage faszinierend,
wie spielerisch leicht es ihm gelingt, sein Publikum in eine fiktive, aber doch
geschickt in die dunkle historische Realität eingebettete Welt zu entführen,
die erkennbar im Untergang begriffen ist.
Der Beginn des Films ist typisch Anderson, denn er erzählt
seine Geschichte nicht einfach so, sondern nutzt dafür gleich eine dreifacher
Klammer: Eine junge Frau liest 1985 auf einem Friedhof ein Buch, in dem ein
älterer Schriftsteller (Tom Wilkinson, "Duplicity") erzählt, wie ihm
als jungem Schriftsteller (Jude Law, "Anna Karenina") vom alten Zéro
(F. Murray Abraham, "Inside Llewyn Davis") dessen Geschichte erzählt wird. Wenn
die beginnt, tritt die Komik zunächst aber etwas in den Hintergrund. Wir lernen
Monsieur Gustave kennen, der wunderbar nonchalant verkörpert wird von einem Ralph
Fiennes in absoluter Hochform, und mit ihm das Hotel mit seinen leicht
skurrilen Bediensteten und Gästen. Bei den Dialogen greift Anderson bereits
hier zu einer etwas derberen Sprache als man das von ihm gewohnt ist – das will
eigentlich nicht recht hineinpassen in die zuckersüße Welt, die der Filmemacher
vordergründig kreiert hat, irgendwie aber wohl doch, angesichts der
Bedrohung, der sich das Hotel, die Republik Zubrowka und letztlich ganz Europa
ausgesetzt sehen. Und diese Bedrohung ist in "Grand Budapest Hotel"
allgegenwärtig, ohne daß Anderson dabei zu plakativ vorgehen würde: Züge werden
von bewaffneten und von Mal zu Mal rigoroser vorgehenden Soldaten aufgehalten und
kontrolliert, die Zeitungen spekulieren über
einen bevorstehenden Krieg und Dmitris Mann fürs Grobe Jopling ist ein
Angehöriger der ZZ ("Zig Zag-Division") ...
Die Handlung selbst nimmt erst mit dem Mordverdacht an
Gustave richtig Fahrt auf, präsentiert aber auch dann nicht viel, was dramaturgisch
sonderlich ausgefeilt wäre. Dafür gibt es eine Abfolge schräger, häufig
einfallsreicher Szenen, die mitunter eher an Monty Python-Sketche erinnern,
etwa einen witzigen (obwohl streng genommen ziemlich brutalen)
Gefängnisausbruch, einen perfiden, aber hinreißend komisch in Szene gesetzten
Mord oder das in humoristischer Hinsicht absolute Highlight des Films: eine Stop Motion-animierte Verfolgungsjagd vom Gipfel eines Berges im Sudetengebirge
herab – auf einem kaum lenkbaren Schlitten! Daß diese sensationelle Sequenz
animiert ist, läßt sich zwar anhand der abrupten Bewegungen ziemlich leicht
erkennen (und weckt wohlige Erinnerungen an Andersons "Der fantastische Mr. Fox"), fügt sich aber nahtlos in diese ganz eigene Welt des
"Grand Budapest Hotel" ein und ist schlicht und ergreifend
saukomisch. Zumal Komponist Alexandre Desplat ("Argo") geradezu über
sich hinauswächst und den gesamten Film mit einem herrlich verspielten Soundtrack
beglückt, der dem Franzosen endlich seinen lange verdienten ersten OSCAR eingebracht hat.
Künstlerisch ist Anderson mit dem komplett in Ostdeutschland
gedrehten "Grand Budapest Hotel" also fraglos ein kleines Meisterwerk
gelungen, in der er den ihm eigenen Stil (oftmals nicht ganz
unpassend als "Puppenhaus"-Stil bezeichnet) gekonnt weiterentwickelt.
Dennoch muß ich konstatieren, daß der Film zumindest nach der Erstsichtung
nicht zu meinen größten Anderson-Favoriten zählt (das wären "Die
Tiefseetaucher" und "Moonrise Kingdom"). Dafür fehlt mir
die emotionale Bindung zu den – abgesehen von Monsieur Gustave – eher
rudimentär ausgestalteten Figuren. Das war angesichts der Fülle von Stars im
beeindruckenden Ensemble eigentlich zu erwarten, doch da die meisten davon nur
Kurzauftritte haben (George Clooney gar ein echtes Cameo: Er soll einer der Hotelgäste
im absurden Showdown sein, ich gebe aber zu, ihn nicht entdeckt zu haben; Nachtrag: Bei der Zweitsichtung habe ich ihn dann entdeckt ...), wäre
durchaus mehr drin gewesen. Eigentlich haben lediglich Fiennes, Newcomer
Revolori (der als Lobby-Boy Zéro als Identifikationsfigur des Publikums
fungiert und das sehr überzeugend macht), Saoirse Ronan
("Violet & Daisy", als Agatha, Zuckerbäckerin und Zéros große Liebe), Edward
Norton, Jeff Goldblum und Willem Dafoe nennenswerte Screentime, während selbst der
eigentliche Bösewicht-Darsteller Adrien Brody nur wenige Szenen hat – in denen
er seine Fieslings-Rolle aber sichtlich genießt. Wenn man das etwa mit
"Moonrise Kingdom" vergleicht, in dem selbst die Nebenrollen durchdacht
und liebevoll gezeichnet waren, dann ist es schon etwas enttäuschend, daß
"Grand Budapest Hotel" – als dessen Inspirationsquelle im Abspann die Werke des in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts tätigen österreichischen Schriftstellers Stefan Zweig ("Schachnovelle") genannt werden – nichts in der Art zu bieten hat; auch wenn
hier nun einmal unverkennbar die untergehende Ära der Star ist und nicht die
Figuren oder ihre Darsteller.
Fazit: Mit "Grand Budapest Hotel" ist Wes
Anderson ein faszinierender, kunstvoll konstruierter und inszenatorisch
großartig umgesetzter Blick auf eine vergangene Epoche gelungen, die der
eigentliche Hauptdarsteller des Films ist und die eher beliebige
Kriminalgeschichte und die toll gespielten, aber großteils schablonenhaften
Figuren an den Rand drängt.
Wertung: 8 Punkte.
Bei mir rangiert er bisher auch nach "Tiefseetaucher" und "Moonrise Kingdom" auf einer Stufe (oder ganz knapp dahinter) mit "Darjeeling Limited". Ich fand ihn manchmal hart an der Grenze zur Ermüdung, was Inszenierung und das Spiel von Ralph Fines angeht. Der Gedanke zu Monty Python ist mir in der Tat auch gekommen.
AntwortenLöschenMit der angesprochenen Schlittenszene konnte ich nur bedingt etwas anfagen, auch hier hat es Anderson für mich übertrieben. Dafür fand ich die Szenen in dem Museum, in das der Notar flüchtet, sehr schön fotografiert. Und der durch die Verschachtelung aufgezeigte optische Vergleich vom 1932er und 1985er Hotel war großes Kino. :D
Interessant, da scheinen wir eine fast identische Anderson-Reihenfolge zu haben, was ja eher selten ist ("Die Tiefseetaucher" und auch "Darjeeling Limited" rufen bekanntlich sehr unterschiedliche Reaktionen hervor). Wobei ich ja noch hoffe, daß ich mich in das "Grand Budapest Hotel" bei wiederholter Sichtung doch verliebe, schließlich war ich ins Kino mit einer nicht ganz richtigen Erwartungshaltung gegangen (ich hatte auch nach Ansicht des Trailers und der während der Berlinale gezeigten Ausschnitte mit einem viel stärkeren komödiantischen Schwerpunkt gerechnet) ...
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