Regie: Carl Rinsch, Drehbuch: Chris Morgan und Hossein
Amini, Musik: Ilan Eshkeri
Darsteller: Keanu Reeves, Hiroyuki Sanada, Tadanobu Asano,
Rinko Kikuchi, Kō Shibasaki, Cary-Hiroyuki Tagawa, Min Tanaka, Jin Akanishi, Takato Yonemoto, Masayoshi Haneda, Togo Igawa, Hiroshi Sogabe, Yorick van
Wageningen, Clyde Kusatsu, Neil Fingleton, Rick Genest
FSK: 12, Dauer: 119 Minuten.
Japan um das Jahr 1700 herum: Auf der Reise durch einen Wald
finden der gutmütige Fürst Asano (Min Tanaka, "Samurai der
Dämmerung") und seine Männer einen völlig erschöpften und verwundeten
Halbblut-Jungen. Da dieser eine ungewöhnliche Zeichnung auf dem Kopf hat, halten ihn
seine Samurai für einen der Dämonen, die der Legende zufolge im Wald leben, und
wollen das Kind deshalb auf der Stelle töten; doch Asano verbietet das und
nimmt den Jungen namens Kai mit in sein Fürstentum Akō. Obwohl er fortan von
fast allen außer dem Fürsten und dessen Tochter Mika (Kō Shibasaki, "The
Call") wie ein rohes Ei behandelt wird, wächst Kai (Keanu Reeves,
"Matrix") zu einem talentierten und sehr loyalen Krieger heran, der Fürst
Asanos Samurai als Kundschafter dient. Doch dann fällt Asano während des
Besuchs des Shogun (Cary-Hiroyuki Tagawa, "Die Geisha") einer Intrige
des benachbarten Fürsten Kira (Tadanobu Asano, "Der Mongole") zum
Opfer, der Akō seinem Herrschaftsgebiet einverleiben will. Sein Plan gelingt
dank der tatkräftigen Hilfe der Hexe Mizuki (Rinko Kikuchi, "Pacific Rim"), Asanos Männer werden daraufhin, da sie ihren Fürsten nicht beschützen konnten, zu Ronin:
herrenlosen, ausgestoßenen Samurai. Doch Asanos oberster Ratgeber Ōishi
(Hiroyuki Sanada, "Wolverine – Weg des Kriegers") will den Tod seines
Herrn nicht ungesühnt lassen und sinnt entgegen des ausdrücklichen Verbots des
Shogun auf Rache – und Kais Fähigkeiten wie auch seine mysteriöse Herkunft sind
der Schlüssel zu deren Gelingen ...
Kritik:
Ein Budget von 175 Millionen US-Dollar. Ein unbekannter und
spielfilmunerfahrener Regisseur aus der Werbebranche. Eine Fantasyversion einer
japanischen Legende. Ein Cast, der fast ausschließlich aus japanischen
beziehungsweise japanischstämmigen Schauspielern besteht – zuzüglich eines
Keanu Reeves als Identifikationsfigur für das westliche Publikum, der aber
selbst seit Jahren keinen Hit mehr zu verzeichnen hatte. Wie "47
Ronin" jemals grünes Licht in Hollywood erhalten konnte, wird wohl auf
ewig zu den ungelösten Mysterien der Traumfabrik gehören. Und dann lief auch
fast alles so, wie man es als außenstehender Beobachter fast befürchten mußte:
Die Dreharbeiten (die bereits im Frühjahr 2011 begannen!) verzögerten sich, die
Veröffentlichung wurde immer weiter hinausgeschoben, im Spätsommer 2012 gab es
sogar noch einmal einen Nachdreh – und es dauerte immer noch gut ein Jahr,
bis "47 Ronin" Ende 2013 endlich das Licht der globalen Kinos
erblickte. Wo der Film empfangen wurde von miesen Kritiken und zumindest in den
USA geballtem Desinteresse der Zuschauer. Anders als beim dann doch noch
überraschend zum Hit avancierten Zombiefilm "World War Z" im gleichen
Jahr bewahrheiteten sich also die Unkenrufe – zumindest
großteils, denn da Rinschs Samurai-Epos in Europa und Südamerika ziemlich
gut läuft, könnte es am Ende wenigstens noch die Produktionskosten wieder
hereinspielen. Das wäre natürlich immer noch weit entfernt von einem soliden
Ergebnis (es heißt, daß ein Film das Doppelte seines Budgets einspielen muß, um
für das produzierende Studio ein Plus zu erwirtschaften), aber im Zusammenspiel
mit den zu erwartenden Einnahmen aus der Heimkino-Auswertung zumindest noch
eine halbwegs erträgliche Abschreibung für die Universal Studios. Dabei – und
das ist wohl fast das erstaunlichste an diesem Projekt – ist der fertige Film
gar nicht so schlecht geworden. Weit entfernt zwar von einem Meisterwerk, auch
kein wirklich guter Film ... aber doch zumindest sehr solide
Fantasy-Unterhaltung für Zuschauer mit einem Faible für asiatische Themen.
Früh im Film wird allerdings klar, daß er selbstverständlich
nicht nur diese ansprechen soll – das wäre dann doch eine zu kleine Zielgruppe
–, weshalb zunächst einige japanische Begriffe und Eigenheiten innerhalb der
Dialoge erläutert werden. Das ist, ebenso wie die Verpflichtung eines
Hollywood-Stars neben den außerhalb ihrer Heimat nur wenig zugkräftigen
japanischen Darstellern, ein legitimes Vorgehen, schließlich kann man nicht
voraussetzen, daß etwa jeder Amerikaner oder Europäer etwas mit dem
Begriff "Seppuku" (ritueller Selbstmord, außerhalb Japans eher als
"Harakiri" bekannt) anfangen kann. Die Umsetzung ist allerdings nicht
ideal, denn es ist einfach zu offensichtlich, daß die entsprechenden Dialoge
ausschließlich diesem erklärenden Ziel dienen. So etwas kann man deutlich subtiler
und flüssiger in die Handlung einbetten, das haben zahllose Filme vorgemacht.
Bei "47 Ronin" wirkt es sehr plakativ, was generell von einem
Großteil der qualitativ wechselnden Inszenierung behauptet werden kann.
Wenn man die einzelnen Sequenzen betrachtet, dann kann man
Regisseur Rinsch nämlich eigentlich nicht viel vorwerfen. Die meisten davon
sind sorgfältig gestaltet, die Actionszenen überzeugend choreographiert, der
elegante, beinahe mystische Look der oft nachts oder in dichtem Nebel
stattfindenden und von Ilan Eshkeris ("Centurion") atmosphärischem
Soundtrack untermalten Geschehnisse ist schön anzuschauen (was bei einem aus
der Werbewirtschaft stammdenden Regisseur wenig verwunderlich ist). Woran es
jedoch deutlich mangelt, ist die Feinabstimmung. Die Szenenübergänge sind oft
arg abrupt, einzelne Storyschlenker wirken innerhalb des
Gesamtfilms wie Fremdkörper, so schön sie für sich genommen auch umgesetzt sein
mögen. Zudem fällt immer wieder auf, daß die Qualität der Leistungen vor allem
der Nebendarsteller sehr wechselhaft ist, was für eine nicht allzu gekonnte
Schauspielerführung des Regisseurs spricht – angesichts dessen mangelnder
Erfahrung verständlich, aber dennoch ärgerlich. All das führt dann eben dazu,
daß "47 Ronin" nur selten richtig rund wirkt, sondern eher wie eine
mehr oder weniger lose Aneinanderreihung einzelner Sequenzen.
Die Handlung selbst ist eigentlich recht gelungen. Die
japanische Legende (die man u.a. bei Wikipedia nachlesen kann) wird in ihren
Grundzügen beibehalten und durch Fantasyelemente wie die Hexe Mizuki und einige
monströse Kreaturen angereichert – das funktioniert recht gut und erinnert
immer wieder an den Disney-Blockbuster "Fluch der Karibik". Auch
stilistische und inhaltliche Anleihen an Akira Kurosawas Genreklassiker
"Die sieben Samurai" sind nicht zu übersehen, was dem Film allerdings eher
schadet als nutzt – denn wenn man so deutlich an Kurosawas Meisterwerk erinnert
wird, dann fallen die erzählerischen Schwächen von "47 Ronin" im
direkten Vergleich nur umso eklatanter aus. Natürlich beschränkt sich das
Drehbuch von Chris Morgan (Teil 3, 5 und 6 der "Fast &
Furious"-Reihe) und Hossein Amini ("Drive") darauf, von den 47
Ronin nur wenige näher zu definieren; eigentlich werden sogar nur Kai
und Ōishi so richtig mit Leben erfüllt, dazu kommt eine Handvoll
überdurchschnittlich prägnanter Figuren, die zumindest etwas aus der Masse der
47 Ronin hervorstechen. Trotzdem gelingt nicht einmal
ansatzweise eine so präzise und denkwürdige Figurenzeichnung wie bei "Die
sieben Samurai" – gut, Kurosawa konnte sich dafür dreieinhalb Stunden Zeit
nehmen, während Rinsch lediglich knapp 120 Minuten zur Verfügung hat; dennoch sind
die austauschbaren Charaktere von "47 Ronin" ziemlich enttäuschend.
Und ob es eine gute Idee war, inmitten dieser japanischen Handlung
Keanu Reeves zum eindeutigen Hauptdarsteller zu machen, darüber kann man
sicher trefflich streiten. Meiner Ansicht nach wäre es angebrachter gewesen, seine
Rolle im Vergleich zu den wichtigsten japanischen Ronin "nur"
gleichwertig anzulegen, zumal Kais Entwicklung vom nur geduldeten Außenseiter zum respektierten Kampfkameraden sowieso allzu formelhaft vollzogen wird.
Schauspielerisch kann man anhand dessen keine Höhenflüge
erwarten, die Hauptdarsteller Reeves und Sanada zeigen jedoch eine routinierte
Leistung. Auch Kō Shibasaki als Kais große Liebe Mika und Tadanobu Asano als
flegelhafter, machtgieriger Fürst Kira machen ihre Sache gut, werden allerdings
deutlich von Rinko Kikuchi überstrahlt, deren boshafte Hexe Mizuki – eine
Figur, die im ersten Drehbuch-Entwurf gar nicht existierte – mit ihrem
dämonischen Charisma (und den dank Computereffekten ein gruseliges
Medusa-Eigenleben annehmenden Haaren) von allen "47
Ronin"-Charakteren den mit Abstand stärksten Eindruck macht. Weshalb es
umso bedauernswerter ist, daß sie nur in relativ wenigen Szenen zu sehen ist.
Und wenn wir schon bei Spezialeffekten sind: Ich würde zwar nicht unbedingt
behaupten wollen, daß man Rinschs Film die $175 Mio. Produktionskosten ansieht, denn dafür wird im Vergleich zu ähnlich teuren Filmen zu wenig Spektakuläres
geboten; aber das heißt noch lange nicht, daß die Spezialeffekte nicht
überzeugend wären. Speziell das Kreaturendesign ist vielmehr sogar sehr
gelungen, was sich gleich zu Beginn in einer sechsäugigen Bestie manifestiert,
die direkt einem Ghibli-Film von Hayao Miyazaki ("Chihiros Reise ins
Zauberland") entsprungen sein könnte – vor allem aber in einem
wunderschönen Drachen im Showdown. Keinem gewaltigen, schwerfälligen Fabelwesen á la Smaug
im zweiten Teil von "Der Hobbit", wohlgemerkt, sondern einem eleganten, dynamischen
asiatischen Drachen.
Es ist also offensichtlich, daß "47 Ronin" ein
Film mit vielen Schwächen, aber auch einigen Stärken ist. Wer mit der
richtigen Erwartungshaltung an ihn herangeht, der bekommt solide, optisch sehr
schöne Fantasy-Unterhaltung in ordentlichem 3D geboten, und das ist doch gar nicht mal so wenig.
Lobenswert ist zudem, daß das Ende der ursprünglichen japanischen Geschichte
nicht für westliche Sehgewohnheiten verfälscht wird (wie ich es ehrlich gesagt
bis zur letzten Minute befürchtet hatte), sondern nahezu unverändert
beibehalten wird.
Abschließend muß ich noch kurz auf einen ziemlich
dreisten Etikettenschwindel hinweisen, denn wer sich anhand des Hauptplakats zum Film auf den eindrucksvollen gesichtstättowierten Kerl mit
der Pistole über der Schulter freut, der am zweitgrößten nach Keanu Reeves (und
damit größer als Rinko Kikuchi und der von Neil Fingleton verkörperte
maskierte "Lovecraftian Samurai", die das Poster komplettieren) dargestellt wird, der wird
sich ganz schön wundern. Es handelt sich dabei um den Kanadier Rick Genest
alias "Zombie Boy" (spielte u.a. in dem Lady Gaga-Musikvideo zu
"Born this way" mit), der im Film genau einen Satz zu sagen hat und
nur wenige Sekunden im Bild ist ...
Fazit: "47 Ronin" mag in kommerzieller
Hinsicht ein großer Flop sein, als Hollywood-Fantasy-Version einer japanischen
Legende ist er trotz mancher inszenatorischer und dramaturgischer Schwäche recht
unterhaltsam, was vor allem der gelungenen Bildsprache (samt sehenswerter
Kreaturen), der mystisch-melancholischen Atmosphäre und den ordentlich
choreographierten Actionsequenzen geschuldet ist.
Wertung: 6,5 Punkte.
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