Originaltitel: Kanashimi no Belladonna, deutsche
Alternativtitel: Die Tragödie der Belladonna; Belladonna der Traurigkeit
Regie: Eiichi Yamamoto, Drehbuch: Yoshiyuki Fukuda und
Eiichi Yamamoto, Musik: Masahiko Satô
Rotten Tomatoes: 90% (7,8); FSK: 16, Dauer: 90 Minuten.
Frankreich im finsteren Mittelalter: Das junge, arme
Bauernpaar Jean und Jeanne will heiraten. Doch als Jean die (utopische)
Forderung des Fürsten für sein Hochzeitsgeschenk nicht erfüllen kann, läßt die
Fürstin ihn kurzerhand aus der Burg werfen und beschließt, daß ihr Gatte das
"Recht der ersten Nacht" bei Jeanne in Anspruch nehmen soll – und
alle seine Männer gleich mit. Nach ihrer brutalen Schändung ist Jeanne verständlicherweise
psychisch angeknackst und damit zum Ziel des ihr in Gestalt eines Penis (!)
erscheinenden Teufels höchstselbst geworden, den sie während ihrer Vergewaltigung offenbar
unbewußt gerufen hat. Jeanne widersteht der Versuchung, dem Teufel zur
Erlangung von Gerechtigkeit (oder Rache) ihre Seele zu verkaufen, nimmt aber
gegen einen Preis seine Hilfe in Anspruch, um sich und Jean ein besseres Leben
zu ermöglichen. Das wiederholt sich in den folgenden Jahren mehrmals, doch im
Dorf und auf der Burg spricht es sich herum, daß Jeanne mit dem Teufel im Bunde
ist ...
Kritik:
Wow. Ich habe ja im Laufe der Jahre viele durchgeknallte
Filme gesehen und teilweise auch auf diesem Blog rezensiert ("Makkhi – Die Rache der Fliege", "A Field in England", "Der Ketzer"), aber etwas
Vergleichbares wie den rauschhaften japanischen Animationsfilm-Trip
"Belladonna" habe ich wahrlich selten zuvor gesehen. Wobei
"Animationsfilm" kein ganz korrekter Begriff ist, denn die Geschichte
wird in einer Mischung aus wunderschön gezeichneten Standbildern und kargen
Animationen erzählt. Die erste größere dieser Animationen findet erst nach
einigen Minuten statt: Als der Fürst in Jeanne eindringt, reißt es deren
jungfräulichen Körper regelrecht entzwei! Eine drastische, trotz der
Schlichtheit der Animation schockierende Vergewaltigungs-Metapher, die an
Eindringlichkeit und Prägnanz ihresgleichen sucht und vermutlich viel besser
die Gefühle eines Vergewaltigungs-Opfers illustriert als jede noch so penible
Darstellung mit realen Schauspielern, etwa im einstigen Skandalfilm
"Irreversibel" mit Monica Bellucci.
Im weiteren Verlauf wird Jeannes Leidensweg – der sehr, sehr lose an
den der französischen Nationalheldin Jeanne D'Arc angelehnt ist – mit vielen
weiteren stilisierten Animationen gezeigt. Dabei kann man allerdings durchaus
diskutieren, ob der unverkennbar feministische Unterton (der vor allem der
literarischen Vorlage "Die Hexe" von Jules Michenet geschuldet sein
dürfte, die ebenfalls sehr frei interpretiert wird) durch die zahlreichen Sex- und
Vergewaltigungsszenen – jedes Mal, wenn Jeanne den Teufel um Hilfe ersucht,
wächst dieser und vereinigt sich dann mit der jungen Frau – nicht konterkariert
wird. Das Ganze bewegt sich schon ein wenig in die Richtung der in den 1970er
Jahren in Japan sehr erfolgreichen und im Rest der Welt ebenso berüchtigten
"Pinku eiga"-Realfilme mit starkem Augenmerk auf Sex und
Gewalt; allerdings sorgt die rauschhafte, innovative visuelle Umsetzung in
Verbindung mit dem psychedelischen Soundtrack (inklusive mehrerer gesungener
Lieder, die die Handlung vorantreiben) dafür, daß "Belladonna" zwar
verdammt schwerer Stoff ist, aber ohne Frage fasziniert und sogar mitreißt. Und
das trotz der Tatsache, daß es keine deutsche Synchronfassung gibt, sondern nur
die japanische Originalfassung mit Untertiteln.
Der Zeichenstil ändert sich in "Belladonna" immer wieder und ist oft
surrealistisch, erinnert teils an klassische japanische Landschaftsmalerei,
teilweise auch an moderne Pop Art, beeindruckt aber jederzeit mit einer Detailfülle
(samt zahlloser Phallus-Symbole, die fast schon zu einem "Such das Phallus-Symbol"-Trinkspiel einladen), die einen merkwürdigen, aber
funktionierenden Kontrast zu den schlichten Animationen herstellt. Bei
entscheidenden Szenen wie jener, in der Jeanne dem Teufel schließlich doch ihre
Seele verkauft, gibt es zudem schnell geschnittene, anachronistische Collagen,
in denen Bilder und Symbole des 20. Jahrhunderts verwendet werden. Besonders
eindrucksvoll gelungen ist auch die rund fünfminütige, rauschhafte und von
dissonanten Klängen begleitete Visualisierung des "Schwarzen Todes",
der Pest also, die über Frankreich hereinbricht. Ich bin nicht wirklich der
allergrößte Kunstkenner, aber wenn ich "Belladonna"
stilistisch beschreiben soll, dann würde ich sagen: eine Mischung aus H.R.
Giger, Pablo Picasso, Andy Warhol und Salvador Dalí – einmütig
inszeniert von Sigmund Freud und Russ Meyer!
Kuriosität am Rande: Regisseur Yamamoto hat sich ansonsten
mit weit weniger kontroversen Werken wie den TV-Serien "Kimba, der weiße
Löwe" oder "Space Battleship Yamato" einen Namen gemacht. Kaum
zu glauben, wenn man "Belladonna" einmal gesehen hat ...
Fazit: "Belladonna" ist ein höchst unkonventioneller Augenschmaus
von einem Horror/Drama-Animationsfilm mit einem faszinierendem
Psychedelic-Soundtrack, der aber mit den zwar stets stilisierten, aber teilweise dennoch heftigen Sex- und Gewaltszenen ähnliche viele Zuschauer abstoßen wie mit der wahnhaften, anspielungsreichen und interpretationsoffenen Erzählweise faszinieren
dürfte.
Wertung: 8,5 Punkte.
Wertung: 8,5 Punkte.
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