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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 19. September 2013

DRUG WAR (2012)

Originaltitel: Du zhan
Regie: Johnnie To, Drehbuch: Ryker Chan, Wai Ka-Fai, Yau Nai-Hoi und Yu Xi, Musik: Xavier Jamaux
Darsteller: Sun Honglei, Louis Koo, Huang Yi, Wallace Chung, Gao Yunxiang, Li Guangjie, Guo Tao, Li Jing, Lo Hoi-pang, Michelle Ye, Gordon Lam, Eddie Cheung, Suet Lam
Du zhan
(2012) on IMDb Rotten Tomatoes: 94% (8,1); weltweites Einspielergebnis: $24,7 Mio.
FSK: 16; Dauer: 111 Minuten.
Mehr oder weniger zufällig gelingt es der chinesischen Polizei, den mächtigen Drogendealer Timmy Choi (Louis Koo, "Election") festzunehmen, nachdem dessen Labor mitsamt seiner engsten Familienmitglieder in die Luft geflogen ist. Um der Todesstrafe zu entgehen, erklärt sich Timmy bereit, für die Polizei als Spitzel zu arbeiten, damit diese den gesamten Drogenring der Region sprengen kann. Captain Zhang (Sun Honglei, "Der Mongole") hat zwar Zweifel an Timmys Aufrichtigkeit und Zuverlässigkeit, doch zunächst läuft alles nach Plan. Timmy hilft sogar dabei, einen mit ihm befreundeten Drogenboß durch Captain Zhang ersetzen zu lassen, damit dieser direkt mit den anderen Mitgliedern des untereinander nicht persönlich bekannten Drogenrings kommunizieren und sie letztlich in die Falle locken kann ...

Kritik:
Vor allem mit actionreichen Gangsterfilmen wie der "Election"-Trilogie hat sich Johnnie To seit der zweiten Hälfte der 1980er Jahre zu einem der absoluten Top-Regisseure aus Hongkong gemausert, der auch international große Beachtung fand (Quentin Tarantino ist bekennender Fan, bei den Festivals in Venedig und Cannes saß To bereits in der Jury). Mit "Drug War" wagte er sich erstmals auf das chinesische Festland, wobei klar war, daß das angesichts der strengen chinesischen Zensurvorschriften – die mit Sicherheit nur die allerwenigsten seiner Hongkong-Werke erfüllen würden – eine ausgesprochen spannende Angelegenheit werden würde. Erstaunlicherweise ist es Johnnie To tatsächlich gelungen, die Zensurgrenzen etwas zu verschieben (normalerweise sind jegliche auch nur ansatzweise differenzierten Darstellungen von Gangstern verboten, was vermutlich auch erklärt, warum es zwar jede Menge Hongkong-Thriller gibt, das internationale Publikum aus China aber fast nur Historienfilme kennt ...), was seinen Stellenwert in Asien vortrefflich belegt. Dummerweise ist der Einfluß der Zensoren auf Tos Arbeitsweise allerdings wesentlich größer als umgekehrt, weshalb das Resultat seiner ersten chinesischen Arbeit ein zwiespältiges Gefühl hinterläßt – außer bei den amerikanischen Filmkritikern, die den Film erstaunlicherweise fast ausnahmslos feiern.

Offenbar konzentrieren sie sich auf die Stärken von "Drug War", die natürlich vorhanden sind. Es ist schließlich immer noch ein Film von Johnnie To. Und dessen grimmige und betont auf Realismus abzielende, dabei beinahe dokumentarisch wirkende, aber dennoch energetische Vorgehensweise bei der Schilderung der Polizeiarbeit ist fast durchgehend beeindruckend. Mit Hollywood verglichen erinnert das ein wenig an David Finchers "Zodiac" oder auch an Michael Manns "Miami Vice" (ohne die Hochglanzoptik) und hält mit seinen penibel beobachteten Polizeiaktionen die Spannung trotz eines nicht allzu hohen Erzähltempos lange Zeit hoch. Von Vorteil ist zudem, daß vor allem die beiden Hauptdarsteller großartige Leistungen abliefern. Louis Koo verkörpert den von der Todesstrafe bedrohten Gangster durchaus charismatisch, dabei jedoch jederzeit überzeugend undurchschaubar, während Sun Honglei als akribischer Polizei-Captain im Undercover-Einsatz eine beeindruckende Wandlungsfähigkeit beweist.

Soweit kann ich die Begeisterung der US-Kritiker also noch nachvollziehen, es gibt jedoch zwei richtig große Probleme, die ich mit "Drug War" habe. Da wäre erstens die Sache mit der Realitätsnähe, die ich eben noch gelobt habe. Daß ich sie nun als Problem benenne, hat einen guten Grund: To hält sie nicht konsequent durch. Wenn man sich dazu entscheidet, einen Thriller möglichst authentisch zu schildern, dann ist das schön und gut, aber dann muß man es auch bis zum bitteren Ende durchziehen. Darauf hat To aber keine Lust, denn er will dem Publikum offensichtlich genau jenen actionreichen Showdown bieten, den es von einem To-Film erwartet. Und das bedeutet im Klartext: Jeder 1980er Jahre-Horrorfilm-Bösewicht wäre neidisch auf die Unkaputtbarkeit der "Drug War"-Charaktere. Und zwar sämtlicher Charaktere! Es ist nicht so, daß nur Pro- und Antagonist nahezu unverwundbar zu sein scheinen, während ihre Schergen scharenweise zu Tode kommen. Immerhin überleben auch nicht einfach alle Guten, während die Bösen sofort sterben. Nein, so ziemlich jeder einzelne Polizist und Gangster (ganz gleich, ob männlich oder weiblich) läßt sich selbst durch mehrfache Schußtreffer in den Bauch nicht kleinkriegen, da sind schon größere Kaliber vonnöten. Bei einem Over-the-top-Actionfilm, bei einem "Heroic Bloodshed"-Streifen á la John Woo wäre das kaum zu bemängeln – bei dem so sehr auf Realismus setzenden "Drug War" wirkt es dagegen in höchstem Maße lächerlich. Daß die Shootouts selbst, begleitet vom treibenden Soundtrack von Xavier Jamaux ("Sparrow"), spektakulär inszeniert und choreographiert sind, ist da nur ein schwacher Trost.

Was mein zweites Problem mit Tos Film betrifft, so wären wir wieder bei der Zensur angelangt. Wer mit der Problematik nicht vertraut ist, dem fällt es wahrscheinlich kaum oder sogar überhaupt nicht auf (was zumindest teilweise die tollen US-Kritiken erklären könnte), aber wer darauf achtet, für den ist es unübersehbar, wie sehr sich der Film vor allem in der zweiten Hälfte den Wünschen der Zensoren anpaßt. Ohne massive Spoiler kann ich leider nicht im Detail darauf eingehen, aber es sei versichert: "Drug War" könnte von der Kommunistischen Partei Chinas problemlos als Propagandafilm eingesetzt werden.

Fazit: "Drug War" ist ein grimmiger Polizei-Thriller im Hongkong-Stil, der zunächst mit seiner quasi-dokumentarischen Erzählweise und zwei überzeugenden Hauptdarstellern fasziniert, seine anfänglichen Stärken im Handlungsverlauf aber zunehmend verrät und dabei in einen ärgerlichen Propagandismus verfällt. Wer einen meisterhaften Hongkong-Thriller sehen will, der sollte lieber zum brillanten "Infernal Affairs" greifen.

Wertung: 6 Punkte. Wem es gelingt, die politischen Untertöne beim Zusehen auszublenden, der darf sicherlich einen Punkt aufschlagen.


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