Originaltitel: Du zhan
Regie: Johnnie To,
Drehbuch: Ryker Chan, Wai Ka-Fai, Yau Nai-Hoi und Yu Xi, Musik: Xavier Jamaux
Darsteller: Sun Honglei,
Louis Koo, Huang Yi, Wallace Chung, Gao Yunxiang, Li Guangjie, Guo Tao, Li
Jing, Lo Hoi-pang, Michelle Ye, Gordon Lam, Eddie Cheung, Suet Lam
Rotten Tomatoes: 94%
(8,1); weltweites Einspielergebnis: $24,7 Mio.
FSK: 16; Dauer: 111
Minuten.
Mehr oder weniger zufällig
gelingt es der chinesischen Polizei, den mächtigen Drogendealer Timmy Choi
(Louis Koo, "Election") festzunehmen, nachdem dessen Labor mitsamt
seiner engsten Familienmitglieder in die Luft geflogen ist. Um der Todesstrafe
zu entgehen, erklärt sich Timmy bereit, für die Polizei als Spitzel zu
arbeiten, damit diese den gesamten Drogenring der Region sprengen kann. Captain
Zhang (Sun Honglei, "Der Mongole") hat zwar Zweifel an Timmys
Aufrichtigkeit und Zuverlässigkeit, doch zunächst läuft alles nach Plan. Timmy
hilft sogar dabei, einen mit ihm befreundeten Drogenboß durch Captain Zhang
ersetzen zu lassen, damit dieser direkt mit den anderen Mitgliedern des
untereinander nicht persönlich bekannten Drogenrings kommunizieren
und sie letztlich in die Falle locken kann ...
Kritik:
Vor allem mit
actionreichen Gangsterfilmen wie der "Election"-Trilogie hat sich
Johnnie To seit der zweiten Hälfte der 1980er Jahre zu einem der
absoluten Top-Regisseure aus Hongkong gemausert, der auch international große
Beachtung fand (Quentin Tarantino ist bekennender Fan, bei den Festivals in
Venedig und Cannes saß To bereits in der Jury). Mit "Drug War" wagte
er sich erstmals auf das chinesische Festland, wobei klar war, daß das
angesichts der strengen chinesischen Zensurvorschriften – die mit Sicherheit
nur die allerwenigsten seiner Hongkong-Werke erfüllen würden – eine ausgesprochen spannende
Angelegenheit werden würde. Erstaunlicherweise ist es Johnnie To tatsächlich gelungen,
die Zensurgrenzen etwas zu verschieben (normalerweise sind jegliche auch nur
ansatzweise differenzierten Darstellungen von Gangstern verboten, was vermutlich
auch erklärt, warum es zwar jede Menge Hongkong-Thriller gibt, das internationale
Publikum aus China aber fast nur Historienfilme kennt ...), was seinen
Stellenwert in Asien vortrefflich belegt. Dummerweise ist der Einfluß der
Zensoren auf Tos Arbeitsweise allerdings wesentlich größer als umgekehrt,
weshalb das Resultat seiner ersten chinesischen Arbeit ein zwiespältiges
Gefühl hinterläßt – außer bei den amerikanischen Filmkritikern, die den Film
erstaunlicherweise fast ausnahmslos feiern.
Offenbar konzentrieren sie
sich auf die Stärken von "Drug War", die natürlich vorhanden sind. Es
ist schließlich immer noch ein Film von Johnnie To. Und dessen grimmige und betont
auf Realismus abzielende, dabei beinahe dokumentarisch wirkende, aber dennoch
energetische Vorgehensweise bei der Schilderung der Polizeiarbeit ist fast
durchgehend beeindruckend. Mit Hollywood verglichen erinnert das ein wenig an
David Finchers "Zodiac" oder auch an Michael Manns "Miami
Vice" (ohne die Hochglanzoptik) und hält mit seinen penibel beobachteten
Polizeiaktionen die Spannung trotz eines nicht allzu hohen Erzähltempos lange Zeit hoch. Von Vorteil ist zudem, daß vor
allem die beiden Hauptdarsteller großartige Leistungen abliefern. Louis Koo
verkörpert den von der Todesstrafe bedrohten Gangster durchaus charismatisch,
dabei jedoch jederzeit überzeugend undurchschaubar, während Sun Honglei als
akribischer Polizei-Captain im Undercover-Einsatz eine beeindruckende
Wandlungsfähigkeit beweist.
Soweit kann ich die
Begeisterung der US-Kritiker also noch nachvollziehen, es gibt jedoch zwei richtig große Probleme, die ich mit "Drug War" habe. Da wäre erstens die
Sache mit der Realitätsnähe, die ich eben noch gelobt habe. Daß ich sie nun als
Problem benenne, hat einen guten Grund: To hält sie nicht konsequent durch.
Wenn man sich dazu entscheidet, einen Thriller möglichst authentisch zu
schildern, dann ist das schön und gut, aber dann muß man es auch bis zum
bitteren Ende durchziehen. Darauf hat To aber keine Lust, denn er will dem
Publikum offensichtlich genau jenen actionreichen Showdown bieten, den es von
einem To-Film erwartet. Und das bedeutet im Klartext: Jeder 1980er
Jahre-Horrorfilm-Bösewicht wäre neidisch auf die Unkaputtbarkeit der "Drug
War"-Charaktere. Und zwar sämtlicher Charaktere! Es ist nicht so, daß nur
Pro- und Antagonist nahezu unverwundbar zu sein scheinen, während ihre Schergen
scharenweise zu Tode kommen. Immerhin überleben auch nicht einfach alle Guten,
während die Bösen sofort sterben. Nein, so ziemlich jeder einzelne Polizist und
Gangster (ganz gleich, ob männlich oder weiblich) läßt sich selbst durch
mehrfache Schußtreffer in den Bauch nicht kleinkriegen, da sind schon größere Kaliber vonnöten. Bei einem
Over-the-top-Actionfilm, bei einem "Heroic Bloodshed"-Streifen á la
John Woo wäre das kaum zu bemängeln – bei dem so sehr auf Realismus setzenden
"Drug War" wirkt es dagegen in höchstem Maße lächerlich. Daß die Shootouts
selbst, begleitet vom treibenden Soundtrack von Xavier Jamaux
("Sparrow"), spektakulär inszeniert und choreographiert sind, ist da nur ein schwacher
Trost.
Was mein zweites Problem
mit Tos Film betrifft, so wären wir wieder bei der Zensur angelangt. Wer mit
der Problematik nicht vertraut ist, dem fällt es wahrscheinlich kaum oder sogar
überhaupt nicht auf (was zumindest teilweise die tollen US-Kritiken erklären
könnte), aber wer darauf achtet, für den ist es unübersehbar, wie sehr sich der
Film vor allem in der zweiten Hälfte den Wünschen der Zensoren anpaßt. Ohne
massive Spoiler kann ich leider nicht im Detail darauf eingehen, aber es sei
versichert: "Drug War" könnte von der Kommunistischen
Partei Chinas problemlos als Propagandafilm eingesetzt werden.
Fazit: "Drug War" ist ein grimmiger
Polizei-Thriller im Hongkong-Stil, der zunächst mit seiner
quasi-dokumentarischen Erzählweise und zwei überzeugenden Hauptdarstellern
fasziniert, seine anfänglichen Stärken im Handlungsverlauf aber zunehmend
verrät und dabei in einen ärgerlichen Propagandismus verfällt. Wer einen meisterhaften
Hongkong-Thriller sehen will, der sollte lieber zum brillanten "Infernal
Affairs" greifen.
Wertung: 6 Punkte. Wem es
gelingt, die politischen Untertöne beim Zusehen auszublenden, der darf
sicherlich einen Punkt aufschlagen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen