Originaltitel: Le sommet des dieux, englischsprachiger Titel: The Summit of the Gods
Regie: Patrick
Imbert, Drehbuch: Magali Pouzol und Patrick Imbert, Musik: Amine
Bouhafa
Sprecher der
deutschen Synchronfassung: Dennis Herrmann, Till Endemann, Lutz
Schnell, Berenice Weichert, Tom Ferenc, Michael Tietz, Konrad Bösherz, Johannes Berenz, Michael Ernst, Pierre
Peters-Arnolds
FSK: 12, Dauer: 95
Minuten.
Makoto Fukamachi
(Dennis Herrmann) ist ein junger Photojournalist, der in den 1990er Jahren regelmäßig
Bergsteiger im Himalaya begleitet und ihre Touren mit spektakulären
Bildern für die Zeitung, für die er arbeitet, dokumentiert. Als
Makoto nach einer gescheiterten Besteigung des Mount Everest in Nepal
von einer zwielichtigen Gestalt die angeblich echte Kamera des seit
1924 bei der versuchten Erstbesteigung des Mount Everest
verschollenen George Mallory zum Kauf angeboten kommt, glaubt er an
einen Schwindel und lehnt genervt ab. Doch als er wenig später
zufällig mitbekommt, wie sich der legendäre, jedoch seit vielen
Jahren komplett aus der Öffentlichkeit verschwundene japanische
Bergsteiger Jouji Habu (Till Endemann) die offenbar gestohlene
Kamera gewaltsam zurückholt, wittert Makoto eine große Geschichte. Aber leider verliert er Habu aus den Augen und kehrt somit unverrichteter
Dinge nach Japan zurück, wo er seinen Chefredakteur davon
überzeugen kann, der Sache nachzugehen – immerhin wäre der Fund
von Mallorys Kamera und damit die Antwort darauf, ob er auf dem
Aufstieg zum oder erst auf dem Wiederabstieg vom Gipfel starb, eine Sensation. Gewissenhaft recherchiert Makoto Habus wechselhafte
Geschichte und trifft sich mit dessen früheren Weggefährten, immer in der Hoffnung,
Hinweise auf Habus aktuellen Aufenthaltsort zu finden ...
Kritik:
Der
Bergsteigerfilm zählt zu den Genres, die historisch am stärksten vom deutschsprachigen Kino geprägt sind. Vor allem in
den 1920er und 1930er Jahren entstanden etliche wegweisende
Genreklassiker mit den selbst heute noch beeindruckenden Werken von
und mit Arnold Fanck, Luis Trenker oder Leni Riefenstahl. Zu den
bekanntesten Vertretern zählen Fancks "Der heilige Berg"
(1926), Fancks und G.W. Pabsts bildgewaltiges Meisterwerk
"Die weiße Hölle vom Piz Palü" (1929), Riefenstahls "Das
blaue Licht" (1932) und Trenkers "Der Berg ruft!"
(1938). Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Bergfilm deutlich
internationaler, in Deutschland verkamen die Alpen zwischenzeitlich
zur bloßen Kulisse in den Heimatfilmen der 1950er Jahre. Erst nach
der Jahrtausendwende kam es zu einer Art Renaissance mit Philipp Stölzls "Nordwand" (2008), Joseph Vilsmaiers
"Nanga Parbat" (2010) und einigen Dokus, die sich wie
"Nanga Parbat" oft um die Südtiroler
Bergsteigerlegende Reinhold Messner drehten. Hollywood entdeckte dieses
Genre nach dem Zweiten Weltkrieg und brachte Werke wie Ted Tetzlaffs
"Hölle am weißen Turm" (1950) mit Glenn Ford, Edward Dmytryks "Der
Berg der Versuchung" (1956) mit Spencer Tracy, Clint Eastwoods
"Im Auftrag des Drachen" (1975), Roger Spottiswoodes
"Mörderischer Vorsprung" (1988) mit Sidney Poitier, Renny Harlins "Cliffhanger" (1993) mit Sylvester Stallone,
Jean-Jacques Annauds "Sieben Jahre in Tibet" (1997) mit
Brad Pitt, Martin Campbells "Vertical Limit" (2000) mit Chris O'Donnell und Robin Tunney oder
Baltasar Kormákurs "Everest" (2015) in die Kinos.
Wenig überraschend fielen diese meist actionreicher aus und
kombinierten das pure Bergsteigen gerne mit anderen Elementen wie
einer Verfolgungsjagd im Gebirge. Natürlich haben auch andere Länder
diverse Spielfilme und Dokus zum Thema hervorgebracht; was es bislang
meines Wissens aber noch nicht gab, ist ein
Bergsteiger-Animationsfilm. Diese Lücke füllt der Franzose Patrick
Imbert mit seiner in den meisten Ländern bei Netflix
veröffentlichten Adaption des japanischen Mangas "Gipfel der
Götter" von Jirō
Taniguchi (der 2017
verstarb) und Baku
Yukemakura – und dieser Animationsfilm braucht sich nicht
hinter den besten Realfilmen über das Bergsteigen zu verstecken!
Regisseur Patrick Imbert, der auch am Skript beteiligt war, erzählt eine quasi-dokumentarisch aufgebaute Geschichte, die relativ nüchtern beginnt, das Publikum aber im Lauf der eineinhalb Stunden immer stärker und immersiver in die komplizierte Welt des Bergsteigens hineinführt. Möglicherweise ist es sogar gerade die Animation, die einen noch näher an die Protagonisten heranbringt als es einem Realfilm mit seinen produktionsbedingten Limitierungen möglich wäre. Denn "Gipfel der Götter" läßt uns den beiden zentralen Bergsteigern und ihrer Gefühlswelt so nahekommen, daß es sich irgendwann tatsächlich anfühlt, als wären wir mit ihnen im Himalaya bei der lebensgefährlichen Besteigung des Mount Everest. Der sympathische Makoto entpuppt sich dabei als eine ideale Identifikationsfigur für die Zuschauer, ist er doch als Journalist und begabter Bergsteiger gewissermaßen Teil zweier Welten. In der ersten Hälfte ist "Gipfel der Götter" beinahe wie ein Krimi aufgebaut, während Makoto versucht, den geheimnisumwitterten Habu aufzuspüren und wir durch seine Interviews mit Habus zwischenzeitlichen Weggefährten mehr über diesen rätselhaften Mann und seine Vergangenheit erfahren. Makotos journalistische Suche ist spannend inszeniert, offenbart aber zugleich auch einen deutlichen philosophischen Ansatz. Über allem steht letztlich die Frage, warum Bergsteiger eigentlich ihr Leben für etwas scheinbar völlig Sinnloses riskieren. Und diese Faszination der Bergwelt, diese Getriebenheit der professionellen Bergsteiger vermittelt "Gipfel der Götter" gekonnt – ohne die Frage nach dem "Warum?" wirklich klären zu können.
Imbert weicht von der Manga-Vorlage aus dramaturgischen Gründen teilweise recht deutlich ab, beispielsweise verzichtet er komplett auf die Liebesgeschichte, die sich im Manga zwischen Makoto und Habus früherer Lebensgefährtin entwickelt – meines Erachtens eine goldrichtige Entscheidung, hätte diese Romanze in einem 90 Minuten-Film nur unnötig vom eigentlichen Thema abgelenkt. Auch das Ende läuft im Film ganz anders ab und wurde deutlich verkürzt – ohne den Manga selbst gelesen zu haben, kann ich nicht beurteilen, welches Ende besser ist, das des Films funktioniert aber jedenfalls einwandfrei. Natürlich kann auch "Gipfel der Götter" des Genre nicht komplett neu erfinden, weshalb Kenner der eingangs erwähnten Filme letztlich wenig Neues entdecken werden – aber das, was "Gipfel der Götter" zeigt und erzählt, macht es ausgesprochen kompetent und unterhaltsam. Zu den Stärken von "Gipfel der Götter" zählen dabei nicht nur die auch aufgrund der Interview-Rückblenden gut und ohne Leerlauf aufgebaute Handlung und die beiden so unterschiedlichen wie spannenden Protagonisten, sondern ebenso und vor allem die Animation. "Gipfel der Götter" sieht einfach phantastisch aus, besonders die Berglandschaften wurden fabelhaft eingefangen. Da haben sich die rund zweieinhalb Jahre reine Animationsarbeit wirklich gelohnt (übrigens in 2D, nachdem ursprünglich ein 3D-Film angedacht war), insgesamt wurde bereits seit 2015 am Film gearbeitet. Gerade die Bergsteigerszenen sind hochspannend und dramatisch in Szene gesetzt, wirken dabei aber trotz des bei aller Schönheit relativ schlicht wirkenden Zeichenstils jederzeit realistisch – was sie wohl auch sind, schließlich wurden erfahrene Bergsteiger als Berater eingesetzt, die das sicherstellen sollten. Insgesamt ist die französisch-luxemburgische Koproduktion "Gipfel der Götter" ein richtig guter Animationsfilm geworden und ein guter Bergsteigerfilm, der jedem Freund des Genres ans Herz gelegt sei.
Fazit:
"Gipfel der Götter"
ist ein wunderschön animierter Bergsteigerfilm nach einer Manga-Vorlage, der das
Genre zwar inhaltlich nicht revolutioniert, aber eine spannende und
immersive Geschichte erzählt.
Wertung:
Gut 8
Punkte.
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