Angesichts der negativen Aufnahme von Tranks "Fantastic Four" durch die Zuschauer sowie der extremen stilistischen und inhaltlichen Abweichung von den ersten beiden Filmen ging ich davon aus, daß sich die kollektive Ablehnung zumindest teilweise damit begründen ließe, daß der Film sich fast komplett von der (mir unbekannten) Comicvorlage löst. Das war allerdings ein Irrtum, denn eine kurze Recherche ergab, daß sich Tranks Version auf die von 2004 bis 2009 laufende Comicreihe "Ultimate Fantastic Four" stützt, die dem Quartett u.a. eine komplett neue Ursprungsgeschichte verpaßt. Die neuen "Fantastic Four" sind nicht nur jünger, ihre Welt ist erheblich düsterer als zuvor, was mit einem fast vollständigen Fehlen von Humor einhergeht – und erfreulicherweise bleibt uns auch das obligatorische Beziehungsgedöns fast völlig erspart. Da ich mit den häufig infantilen Gags der beiden sehr konventionell bis altbacken inszenierten Filme von Tim Story eher wenig anfangen konnte, ist diese 180-Grad-Wende für mich eine positive Veränderung, wenngleich sie vielleicht nicht gar so radikal hätte ausfallen müssen. Mir gefällt der grimmige, realistische und humorarme neue Stil prinzipiell jedenfalls gut, der sich auch auf die Figurenzeichnung auswirkt. Richtig tief geht die in Tranks Film zwar auch nicht, aber Reed, Ben (der sich hier erheblich schneller mit seinem neuen Dasein als Steinwesen arrangiert), Sue und Johnny wirken meines Erachtens lebensechter als in den alten Filmen, in denen sie kaum Persönlichkeit entwickeln konnten. Am meisten profitiert jedoch von der neuen Herangehensweise Victor von Doom. Dieser kam in Storys Filmen nie über den Status eines fiesen Klischee-Bösewichts hinaus, ist hier aber zu Beginn ein echter, trotz einer rebellischen Ader (die er sich mit Johnny teilt) recht sympathischer Teil des Teams, weshalb die emotionale Fallhöhe bei seiner Entwicklung zum tragischen Antagonisten wesentlich größer ist. Und ein glaubwürdiger Oberschurke ist bekanntlich immer ein wichtiger Bestandteil eines gelungenen Superhelden-Films.
Soweit klingt das also alles ziemlich gut, allerdings gibt
es ein riesiges Problem, das Tranks "Fantastic Four" letztlich trotz
aller vielversprechenden Ansätze zu einem Fehlschlag macht: Irgendwie haben die
drei Drehbuch-Autoren vergessen, eine echte Handlung zu implementieren! Ein
Stück weit gibt es diese Problematik ja immer bei solchen Origin-Storys, in
denen das Hauptaugenmerk darauf liegt, die Protagonisten und
ihre Fähigkeiten zu etablieren – der erste "Fantastic Four" war da
keine Ausnahme. Doch Tranks Film geht in dieser Hinsicht bis ins Extrem: Die
Exposition inklusive eines Rückblicks in die Kindheit von Reed und Ben zieht
sich fast über den gesamten Film hindurch, ihre Kräfte erhalten die vier
Wissenschaflter und Ben erst nach etwa 45 Minuten und bis sie sie einigermaßen
beherrschen, ist alles schon wieder beinahe vorbei. Dementsprechend wird erst in
den letzten 20 Minuten eine echte Bedrohung eingebracht, welche die
Zusammenarbeit der Fantastic Four erfordert und in einen hoffnungslos
überstürzten, trotz eines sehenswerten Effektgewitters erschreckend
einfallslosen Showdown mündet. Generell zählt das Pacing zu den großen
Schwachpunkten von "Fantastic Four". So lobenswert die Intention ist,
sich bei der Einführung der fünf Hauptfiguren Zeit zu lassen, wird das
dummerweise so sehr übertrieben, bis die Schwelle zur Langeweile überschritten
ist. Eine etwas zügiger erzählte erste Filmhälfte gefolgt von einer
überlegteren Ausarbeitung der zweiten Hälfte (mit richtiger Story!) wäre
eindeutig die bessere Wahl gewesen. Schauspielerisch ist
"Fantastic Four" derweil ordentlich, aber nicht so gut wie angesichts der
Besetzung erhofft. Teller, Jordan (der bereits in "Chronicle" einer
der Hauptdarsteller war), Mara und Bell sind ohne Frage gute bis sehr gute
Schauspieler, aber ihre Fähigkeiten werden hier nicht ansatzweise ausgereizt –
ähnlich wie in den ersten beiden "Fantastic Four"-Filmen.
In denen konnte nur Chris Evans seine Rolle als Johnny Storm wirklich
mit Leben und Persönlichkeit erfüllen, in Tranks Film liefert Toby Kebbell als
Victor von Doom die beste Leistung ab, wogegen Michael B. Jordan mich als Johnny nicht restlos überzeugen konnte und der Rest in die Kategorie
"solide" fällt. Insgesamt ist Josh Tranks "Fantastic
Four" besser als sein Ruf (was nicht schwer ist) und offenbart einige interessante
Ansatzpunkte, die sich wahrscheinlich erst in eventuellen Fortsetzungen richtig
ausgezahlt hätten, wird jedoch durch die kaum vorhandene Handlung und ein viel
zu unausgewogenes Erzähltempo mächtig ausgebremst. Trotzdem: Hierzu hätte ich lieber einen zweiten Teil gesehen als bei Tim Storys "Fantastic Four".
Fazit: Josh Tranks "Fantastic Four" ist grundsätzlich ein ambitioniertes, in einigen Aspekten durchaus vielversprechendes Reboot, das mangels vernünftiger Handlung zu schnell langweilt.
Wertung: 5,5 Punkte.
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