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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Dienstag, 19. Mai 2020

WHITE SNAKE – DIE LEGENDE DER WEIßEN SCHLANGE (2019)

Originaltitel: Yuanqi
Regie: Amp Wong und Zhao Ji, Drehbuch: Damao, Musik: Guo Haowei
Sprecher der deutschen Synchronfassung: Andrea Dewell, Marco Sven Reinbold, Linus Kraus, Carolin Sophie Göbel, Sabina Godec, Isaak Dentler, Bert Stevens, Fabienne Hesse, Gisa Bergmann
White Snake
(2019) on IMDb Rotten Tomatoes: 70% (6,8); weltweites Einspielergebnis: $62,1 Mio.
FSK: 12, Dauer: 99 Minuten.
China zur Zeit der Tang-Dynastie: Die Schlangendämonin Xiao Bai (Andrea Dewell) wird von ihrer Meisterin (Sabina Godec) damit beauftragt, mit der Hilfe einer magischen Haarnadel den General (Bert Stevens) zu töten. Dieser läßt überall im ganzen Land Schlangen fangen und zu sich bringen, da er sie mit dunkler Magie ihrer Kräfte berauben will, um damit dem Kaiser zur Unsterblichkeit zu verhelfen. Xiao Bais Attentat scheitert jedoch und sie wird ausgerechnet vom freigeistigen Schlangenjäger Xuan (Marco Sven Reinbold) bewußtlos und in Menschengestalt am Fuße eines Wasserfalls aufgefunden. Als sich herausstellt, daß Xiao Bai ihr Gedächtnis verloren hat, will Xuan ihr dabei helfen, der Angelegenheit auf den Grund zu gehen, wobei die magische Haarnadel einen ersten Anhaltspunkt liefert. Doch der General ist Xiao Bai dicht auf der Spur und da sie aufgrund ihrer Amnesie nicht zur Meisterin zurückgekehrt ist, halten viele Dämonen sie für eine Verräterin. Immerhin kann Xiao Bais Schwester Xiao Qing (Carolin Sophie Göbel) der Meisterin eine Gnadenfrist von drei Tagen abringen, innerhalb derer sie Xiao Bai und die Haarnadel finden und zurückbringen muß …

Kritik:
Geht es um asiatische Zeichentrick- oder generell Animationsfilme, dürfte es kaum jemanden geben, der nicht zuerst an Japan denkt – Studio Ghibli sowie unzähligen Anime-Serien und Manga-Verfilmungen sei Dank. Chinesische Animationsfilme schaffen hingegen nur selten den Sprung in internationale Gefilde, was nach den Äußerungen von Regisseur Zhao Ji in erster Linie daran liegen dürfte, daß es bislang kaum chinesische Animations-Produktionen gab, die sich nicht komplett an ein Kinder-Publikum richten. Aus diesem Grund hätte Ji nach eigener Aussage nach seinem Studium selbst nicht gedacht, jemals in China an Animationsfilmen zu arbeiten, doch nach der Mitwirkung als Editor an einigen Realfilmen wie "The Grandmaster" und dem Hollywood-"Karate Kid"-Remake beschlossen er und eine Handvoll Gleichgesinnter, den Status Quo nicht einfach hinzunehmen, sondern ihn zu verändern: die Light Chaser Animation Studios waren geboren. Die ersten drei Filme sorgten nicht wirklich für Furore, doch mit dem ambitionierten "White Snake" – dem Prequel zu einem beliebten chinesischen Volksmärchen – kamen sie bei internationalen Festivals (darunter das deutsche Fantasy Filmfest) unter und konnten sogar einige Preise einheimsen. Und das ist nicht unverdient, denn wenngleich "White Snake" hinsichtlich der Story recht rudimentär daherkommt, ist er temporeich inszeniert und wirkt visuell oft beeindruckend.
Zwei Inspirationsquellen für "White Snake" sind ziemlich offensichtlich: "Drachenzähmen leicht gemacht" und "A Chinese Ghost Story". Das Dorf der Schlangenjäger erinnert deutlich an das Wikingerdorf aus "Drachenzähmen leicht gemacht", auch die Feindschaft zwischen Menschen und Schlangen, die ein idealistischer junger Mann durchbrechen will, offenbart Parallelen zum Dreamworks-Hit. Das ist soweit kein Problem, denn es gibt wesentlich schlechtere Vorbilder, und tatsächlich fällt der erste Akt von "White Snake" unterhaltsam aus – sonderlich originell ist das alles aber eben nicht. Das ändert sich auch nicht, als die phantastische und eigentlich von Vornherein zum Scheitern verurteilte Liebesgeschichte zwischen Mensch und Dämonin ihren Lauf nimmt. Die ist erstaunlich ernsthaft in Szene gesetzt und wirkt trotz einer arg schnellen Entwicklung recht glaubwürdig. Zugleich offenbart sich eine gewisse Zielgruppenproblematik: Obwohl Zhao Ji und sein Co-Regisseur Amp Wong erklärtermaßen ein erwachsenes Publikum erreichen wollen und sich das erkennbar speziell in der Liebesgeschichte und einer ziemlich düsteren Grundstimmung niederschlägt, wollen sie offensichtlich doch nicht ganz auf jüngere Zuschauer verzichten.
Ausdruck dafür ist primär Xuans treuer und dank Xiao Bais Eingreifen sprechender Hund Dudou (Linus Kraus). Dudou ist zweifellos niedlich und sympathisch gestaltet, allerdings will er in die vergleichsweise erwachsene Story nicht so richtig hineinpassen und kann nur selten mit guten Sprüchen oder sonstigen Szenen glänzen – für die Aufnahme in die Hall of Fame tierischer Animations-Sidekicks reicht das bei weitem nicht, höchstens für Mittelmaß. Die stilistische Unentschlossenheit beschränkt sich nicht nur auf Dudou, auch sonst ist die Figurenzeichnung ziemlich stereotyp, inhaltliche Wendungen werden teilweise erschreckend plump herbeigeführt – eben so, daß selbst kleine Kinder sie problemlos verstehen könnten. Wirklich Sinn ergibt das schon deshalb nicht, da die deutsche Altersfreigabe ab 12 Jahren angesichts der insgesamt betont erwachsenen Story und der einigermaßen heftigen Kampfsequenzen gerechtfertigt ist; angesichts dessen hätte man erzählerisch sehr wohl mit ein wenig mehr Raffinesse vorgehen dürfen. Das gilt ebenfalls für die arg blassen Antagonisten, die bezeichnenderweise namenlos bleiben – dabei spielt der General sowieso erst spät eine Rolle, hauptsächlich bekommen es Xiao Bai und Xuan mit einem androgynen Magier zu tun, der im Auftrag des Generals Jagd auf sie macht. Xiao Bais Schwester Xiao Qing und ihre Meisterin bleiben ebenso schablonenhaft wie die Bewohner von Xuans Dorf – einzig die Fuchsdämonin (Fabienne Hesse respektive in Fuchsgestalt Gisa Bergmann), welche die magische Haarnadel hergestellt hat, erweist sich als eine wirklich faszinierende Figur.
Für inhaltliche Mängel entschädigt die weitgehende visuelle Pracht von "White Snake", denn speziell die (von Zeichnungen aus der Tang-Dynastie inspirierten) Hintergründe und das Design der dämonischen Kreaturen sind ausnehmend schön gestaltet, rasante Kamerafahrten sowie ausgeklügeltes Licht-und-Schatten-Spiel bringen das Publikum immer wieder zum Staunen. Einzige Ausnahme sind die Gesichter der Menschen (bzw. der Dämonen in Menschengestalt), denn diese wirken, wie so oft bei CGI-Animationsfilmen, detailarm, irgendwie ausdruckslos und austauschbar und erinnern eher an die Figuren in einem Videospiel – gerade für die Effektivität der zentralen, magischen Liebesgeschichte über alle Grenzen hinweg ist das naturgemäß nur wenig hilfreich. Dennoch: "White Snake" macht insgesamt viel richtig und auch wenn die Story weder originell noch ausgefeilt ist, ist der Film mit seiner Optik, der vergleichsweise reifen, romantisch-poetischen Erzählweise, guten deutschen Sprechern, stimmungsvoller Musik und einem opulenten Showdown definitiv einen Blick wert. Eine Fortsetzung (die dann vermutlich die eigentliche Volkssage erzählen wird) ist bereits in Planung.

Fazit: "White Snake – Die Legende der weißen Schlange" ist ein chinesischer Animationsfilm, der vor allem mit einer prächtigen Optik und rasanten Actionsequenzen punktet, während seine erfreulich erwachsene Handlung eher rudimentär daherkommt.

Wertung: 7 Punkte.


"White Snake" ist am 19. Mai 2020 von EuroVideo Medien auf DVD und Blu-ray sowie als Mediabook erschienen. Höhepunkt des Bonusmaterials ist eine 25-minütige, sehr informative Fragerunde mit Regisseur Zhao Ji beim "Animation is Film"-Festival in Los Angeles. Zusätzlich gibt es Making of-Clips und Storyboard-Vergleiche sowie drei Musikvideos und zwei Trailer. Das limitierte Mediabook umfaßt zudem ein 36-seitiges Booklet. Ein Rezensionsexemplar der DVD wurde mir freundlicherweise vom Entertainment Kombinat zur Verfügung gestellt.


Screenshots: © EuroVideo Medien

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