Originaltitel: All the Bright Places
Regie: Brett Haley, Drehbuch: Liz Hannah und Jennifer Niven,
Musik: Keegan DeWitt
Darsteller:
Elle Fanning, Justice Smith, Alexandra Shipp, Luke Wilson, Lamar
Johnson, Felix Mallard, Virginia Gardner, Sofia Hasmik, Kelli O'Hara, Keegan-Michael Key
Als der Highschool-Schüler Theodore Finch (Justice Smith,
"Jurassic World 2") nachts beim Joggen seine ihm nur flüchtig
bekannte Mischülerin Violet (Elle Fanning, "The Neon Demon") gedankenverloren
auf dem Geländer einer Brücke über einen Fluß stehen sieht, spricht er sie an,
bevor sie womöglich etwas Dummes tun kann. In den nächsten Tagen versucht er
immer wieder, Kontakt zu dem verschlossenen Mädchen aufzubauen, das noch immer
schwer unter dem tödlichen Unfall seiner älteren Schwester vor einigen Monaten leidet – mit seinem Charme und großer Hartnäckigkeit gelingt es ihm tatsächlich nach
und nach, den dicken emotionalen Schutzwall, den Violet um sich aufgebaut hat,
zu durchdringen. Die beiden Teenager kommen sich immer näher und Violet ist
phasenweise sogar glücklich. Allerdings trägt auch Finch, der an der
Schule ein Außenseiter ist und den Spitznamen "Freak" hat, eine
schwere Last mit sich herum. Diese kann unvermittelt zu schweren Stimmungsschwankungen
führen, die zur Folge haben, daß er tagelang einfach verschwindet – weshalb
er kurz vor dem Rausschmiß aus der Schule steht, wenngleich der Vertrauenslehrer Embry
(Keegan-Michael Key, "Dolemite Is My Name") alles versucht, um Finch
zu helfen …
Kritik:
Gute Coming of Age-Filme haben sich schon oft nicht nur
dadurch ausgezeichnet, daß sie ihre jugendlichen Protagonisten ernstnehmen,
sondern auch dadurch, daß sie sehr ernste Themen behandeln. Paradebeispiel
dafür ist "Vielleicht lieber morgen" (der es allerdings mit der
Anzahl an Problemen sogar etwas übertreibt), doch auch Klassiker wie
"Der Club der toten Dichter", "Ferris macht blau" oder
diverse Stephen King-Adaptionen von "Carrie" über "Stand by
Me" bis hin zu "Es" scheuen nicht vor düsteren
Handlungselementen wie (emotionalem, körperlichem oder sexuellem) Mißbrauch, psychischen
Problemen, Verlust und Suizidgedanken zurück. Die Netflix-Produktion "All
die verdammt perfekten Tage" nach einem Roman von Jennifer
Niven (die selbst an der Drehbuch-Adaption beteiligt war) macht da keine
Ausnahme und zeigt einmal mehr, daß eine solche Herangehensweise gut
funktionieren kann, wenn sie mit den passenden Schauspielern sowie dem nötigen Einfühlungsvermögen durchgezogen wird. Zwar erreicht "All die verdammt perfekten
Tage" nicht die qualitativen Höhen der genannten Genreklassiker, weiß aber
nicht zuletzt dank der guten Chemie zwischen seinen beiden talentierten
Hauptdarstellern gut zu unterhalten.
Die größte Stärke von "All die verdammt perfekten
Tage" liegt in der ausführlich geschilderten Beziehung zwischen
Violet und Finch – diese beiden dominieren den Film so stark, daß die
Nebenfiguren wie Finchs ältere Schwester Kate (Alexandra Shipp, "X-Men: Apocalypse"), seine Freunde Charlie (Lamar Johnson, "X-Men: Dark Phoenix") und Brenda (Sofia Hasmik, "Bad Samaritan"), Violets
Vater James (Luke Wilson, "Rushmore") oder Schul-Bully Roamer (Felix
Mallard, Netflix-Serie "Locke & Key") überwiegend blaß
bleiben und sich kaum ins Gedächtnis einbrennen. Umso stärker können wir uns
dafür schnell mit Violet und noch mehr mit Finch identifizieren. Daß Finch dem
Publikum zumindest zu Beginn näher ist, liegt daran, daß wir über seine
Schwierigkeiten erst relativ spät nähere Details erfahren. Zunächst
konzentriert sich "All die verdammt perfekten Tage" auf Violet und
die wird von Elle Fanning so überzeugend traurig und leidend verkörpert, daß man sie als Zuschauer einfach nur tröstend
in den Arm nehmen will. Was Finch tut, geht darüber noch deutlich hinaus, weshalb er
mit seinen ebenso hartnäckigen wie kreativen Versuchen, Violets Schutzpanzer zu
knacken, unsere Sympathien hat. Verstärkt wird die Nähe zwischen Figuren
und Publikum noch dadurch, daß Elle Fanning und Justice Smith – der Finch sehr
charismatisch, aber stets mit einem ungreifbaren Schuß Düsterkeit und Melancholie in seinem
Wesen portraitiert – sehr gut miteinander harmonieren. Man wünscht den beiden
nur das Beste, daß sie sich gegenseitig nicht nur zu glücklicheren, sondern vor
allem zu stabileren und gesünderen Menschen machen.
Die Erlebnisse des Duos, angetrieben durch ein Schulprojekt,
das sie auf Finchs Veranlassung hin gemeinsam bearbeiten müssen, sind
gefühlvoll, unterhaltsam und oft humorvoll dargestellt – allerdings sind sie
zumeist auch reichlich unspektakulär und überschaubar originell. Gerade im
Vergleich zu "Vielleicht lieber morgen" – mit dem "All die
verdammt perfekten Tage" stilistisch am stärksten vergleichbar ist – fällt
auf, daß es Regisseur Brett Haley ("Für die zweite Liebe ist es nie zu
spät") nicht gelingt, wirklich magische Momente zu schaffen. Daß die
Musikauswahl zwar durchaus hörenswert, aber zugleich ein wenig generisch und
nicht allzu erinnerungswürdig ausfällt, ist dabei auch nicht hilfreich.
Generell wirkt Haleys Inszenierung – ganz im Gegenteil zum engagierten Schauspiel seiner Hauptdarsteller – phasenweise merkwürdig zurückhaltend. Sicherlich
ist es im Prinzip lobenswert, daß er die Nöte seiner jungen Protagonisten nicht unnötig
sensationalistisch ausschlachtet, aber in manchen Sequenzen gerade im letzten Drittel (das kurioserweise trotzdem gehetzt wirkt) hätte ein wenig mehr Dynamik nicht geschadet. Somit erreicht
"All die verdammt perfekten Tage" deutlich keinen Meisterwerk-Status,
doch Anhänger des Coming of Age-Genres werden 100 Minuten lang mehr als solide
unterhalten.
Fazit: "All die verdammt perfekten Tage"
ist ein einfühlsames, wenn auch eher unspektakulär inszeniertes Coming of
Age-Drama mit zwei starken Hauptdarstellern.
Wertung: 7,5 Punkte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen