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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 19. März 2020

ALL DIE VERDAMMT PERFEKTEN TAGE (2020)

Originaltitel: All the Bright Places
Regie: Brett Haley, Drehbuch: Liz Hannah und Jennifer Niven, Musik: Keegan DeWitt
Darsteller: Elle Fanning, Justice Smith, Alexandra Shipp, Luke Wilson, Lamar Johnson, Felix Mallard, Virginia Gardner, Sofia Hasmik, Kelli O'Hara, Keegan-Michael Key
All die verdammt perfekten Tage
(2020) on IMDb Rotten Tomatoes: 64% (6,2); FSK: 16, Dauer: 108 Minuten.
Als der Highschool-Schüler Theodore Finch (Justice Smith, "Jurassic World 2") nachts beim Joggen seine ihm nur flüchtig bekannte Mischülerin Violet (Elle Fanning, "The Neon Demon") gedankenverloren auf dem Geländer einer Brücke über einen Fluß stehen sieht, spricht er sie an, bevor sie womöglich etwas Dummes tun kann. In den nächsten Tagen versucht er immer wieder, Kontakt zu dem verschlossenen Mädchen aufzubauen, das noch immer schwer unter dem tödlichen Unfall seiner älteren Schwester vor einigen Monaten leidet – mit seinem Charme und großer Hartnäckigkeit gelingt es ihm tatsächlich nach und nach, den dicken emotionalen Schutzwall, den Violet um sich aufgebaut hat, zu durchdringen. Die beiden Teenager kommen sich immer näher und Violet ist phasenweise sogar glücklich. Allerdings trägt auch Finch, der an der Schule ein Außenseiter ist und den Spitznamen "Freak" hat, eine schwere Last mit sich herum. Diese kann unvermittelt zu schweren Stimmungsschwankungen führen, die zur Folge haben, daß er tagelang einfach verschwindet – weshalb er kurz vor dem Rausschmiß aus der Schule steht, wenngleich der Vertrauenslehrer Embry (Keegan-Michael Key, "Dolemite Is My Name") alles versucht, um Finch zu helfen …

Kritik:
Gute Coming of Age-Filme haben sich schon oft nicht nur dadurch ausgezeichnet, daß sie ihre jugendlichen Protagonisten ernstnehmen, sondern auch dadurch, daß sie sehr ernste Themen behandeln. Paradebeispiel dafür ist "Vielleicht lieber morgen" (der es allerdings mit der Anzahl an Problemen sogar etwas übertreibt), doch auch Klassiker wie "Der Club der toten Dichter", "Ferris macht blau" oder diverse Stephen King-Adaptionen von "Carrie" über "Stand by Me" bis hin zu "Es" scheuen nicht vor düsteren Handlungselementen wie (emotionalem, körperlichem oder sexuellem) Mißbrauch, psychischen Problemen, Verlust und Suizidgedanken zurück. Die Netflix-Produktion "All die verdammt perfekten Tage" nach einem Roman von Jennifer Niven (die selbst an der Drehbuch-Adaption beteiligt war) macht da keine Ausnahme und zeigt einmal mehr, daß eine solche Herangehensweise gut funktionieren kann, wenn sie mit den passenden Schauspielern sowie dem nötigen Einfühlungsvermögen durchgezogen wird. Zwar erreicht "All die verdammt perfekten Tage" nicht die qualitativen Höhen der genannten Genreklassiker, weiß aber nicht zuletzt dank der guten Chemie zwischen seinen beiden talentierten Hauptdarstellern gut zu unterhalten.

Die größte Stärke von "All die verdammt perfekten Tage" liegt in der ausführlich geschilderten Beziehung zwischen Violet und Finch – diese beiden dominieren den Film so stark, daß die Nebenfiguren wie Finchs ältere Schwester Kate (Alexandra Shipp, "X-Men: Apocalypse"), seine Freunde Charlie (Lamar Johnson, "X-Men: Dark Phoenix") und Brenda (Sofia Hasmik, "Bad Samaritan"), Violets Vater James (Luke Wilson, "Rushmore") oder Schul-Bully Roamer (Felix Mallard, Netflix-Serie "Locke & Key") überwiegend blaß bleiben und sich kaum ins Gedächtnis einbrennen. Umso stärker können wir uns dafür schnell mit Violet und noch mehr mit Finch identifizieren. Daß Finch dem Publikum zumindest zu Beginn näher ist, liegt daran, daß wir über seine Schwierigkeiten erst relativ spät nähere Details erfahren. Zunächst konzentriert sich "All die verdammt perfekten Tage" auf Violet und die wird von Elle Fanning so überzeugend traurig und leidend verkörpert, daß man sie als Zuschauer einfach nur tröstend in den Arm nehmen will. Was Finch tut, geht darüber noch deutlich hinaus, weshalb er mit seinen ebenso hartnäckigen wie kreativen Versuchen, Violets Schutzpanzer zu knacken, unsere Sympathien hat. Verstärkt wird die Nähe zwischen Figuren und Publikum noch dadurch, daß Elle Fanning und Justice Smith – der Finch sehr charismatisch, aber stets mit einem ungreifbaren Schuß Düsterkeit und Melancholie in seinem Wesen portraitiert – sehr gut miteinander harmonieren. Man wünscht den beiden nur das Beste, daß sie sich gegenseitig nicht nur zu glücklicheren, sondern vor allem zu stabileren und gesünderen Menschen machen.

Die Erlebnisse des Duos, angetrieben durch ein Schulprojekt, das sie auf Finchs Veranlassung hin gemeinsam bearbeiten müssen, sind gefühlvoll, unterhaltsam und oft humorvoll dargestellt – allerdings sind sie zumeist auch reichlich unspektakulär und überschaubar originell. Gerade im Vergleich zu "Vielleicht lieber morgen" – mit dem "All die verdammt perfekten Tage" stilistisch am stärksten vergleichbar ist – fällt auf, daß es Regisseur Brett Haley ("Für die zweite Liebe ist es nie zu spät") nicht gelingt, wirklich magische Momente zu schaffen. Daß die Musikauswahl zwar durchaus hörenswert, aber zugleich ein wenig generisch und nicht allzu erinnerungswürdig ausfällt, ist dabei auch nicht hilfreich. Generell wirkt Haleys Inszenierung – ganz im Gegenteil zum engagierten Schauspiel seiner Hauptdarsteller – phasenweise merkwürdig zurückhaltend. Sicherlich ist es im Prinzip lobenswert, daß er die Nöte seiner jungen Protagonisten nicht unnötig sensationalistisch ausschlachtet, aber in manchen Sequenzen gerade im letzten Drittel (das kurioserweise trotzdem gehetzt wirkt) hätte ein wenig mehr Dynamik nicht geschadet. Somit erreicht "All die verdammt perfekten Tage" deutlich keinen Meisterwerk-Status, doch Anhänger des Coming of Age-Genres werden 100 Minuten lang mehr als solide unterhalten.

Fazit: "All die verdammt perfekten Tage" ist ein einfühlsames, wenn auch eher unspektakulär inszeniertes Coming of Age-Drama mit zwei starken Hauptdarstellern.

Wertung: 7,5 Punkte.

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