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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 25. Januar 2018

NUR GOTT KANN MICH RICHTEN (2017)

Regie und Drehbuch: Özgür Yildirim, Musik: Peter Hinderthür
Darsteller: Moritz Bleibtreu, Birgit Minichmayr, Edin Hasanovic, Kida Khodr Ramadan, Peter Simonischek, Franziska Wulf, Tim Wilde, Cem Öztabakci, Blerim Destani, Lilly Wagner, Ben Münchow, Marie-Lou Sellem, Alexandra Maria Lara, Kai Ivo Baulitz, Xatar, SSIO, Özgür Yildirim
 Nur Gott kann mich richten
(2017) on IMDb Rotten Tomatoes: -; Zuschauer in Deutschland: knapp 135.000
FSK: 16, Dauer: 101 Minuten.

Nach fünf Jahren Haft wird Ricky (Moritz Bleibtreu, "World War Z") aus dem Frankfurter Knast entlassen – und er hat sich fest vorgenommen, sauber zu bleiben. Doch um sich seinen Traum von seiner eigenen Bar in Spanien zu erfüllen, benötigt er zunächst eine niedrige fünfstellige Summe. Ricky hofft, daß sein alter Kumpel Latif (Kida Khodr Ramadan, "Mein Blind Date mit dem Leben") ihm aushilft, immerhin war er ebenfalls an dem schiefgelaufenen Überfall beteiligt und wurde nur durch Rickys Opfer vor dem Gefängnis bewahrt. Dummerweise hat Latif wegen seiner schlecht laufenden Shisha-Bar auch kein Geld, allerdings könnte ihm Ricky bei einem simplen Job für Gangster Branko (Cem Öztabakci) helfen und so an das benötigte Kleingeld kommen. Zögerlich willigt Ricky ein, doch als Latif am entscheidenden Tag verhindert ist, muß er seinen jüngeren Halbbruder Rafael (Edin Hasanovic, "Das Leben ist nichts für Feiglinge") ins Boot holen, obwohl der überhaupt nicht gut auf ihn zu sprechen ist. Da Rafael jedoch ebenfalls finanziell klamm ist und so seiner großen Liebe Elena (Franziska Wulf, "Groupies bleiben nicht zum Frühstück") kaum eine Traumhochzeit bieten kann, springt er für Latif ein. Alles könnte so ablaufen wie gedacht, doch zufällig ist die Polizistin Diana (Birgit Minichmayr, "Alle anderen") mit ihrem frisch von der Polizeischule abgegangenen, redseligen Partner Jimbo (Ben Münchow, "Boy 7") in der gleichen Gegend unterwegs …

Kritik:
Deutsches Genrekino – lange in den letzten paar Jahrzehnten war das beinahe ein Paradoxon. Da (romantische) Komödien á la Til Schweiger oder Matthias Schweighöfer sowie Kinderfilme aus deutschen Landen häufig große Erfolge erzielen, werden wenig überraschend immer mehr davon produziert – und weil gleichzeitig die wenigen Genreversuche meist kommerziell floppten (z.B. "Wir sind die Nacht", "Sieben Monde", "Hell", "Stereo", "Die vierte Macht" oder "Das kalte Herz") oder bestenfalls mittelmäßig liefen ("Who Am I"), wurden davon immer weniger gemacht. Im Jahr 2018 sieht es jedoch plötzlich deutlich besser aus, einige vielversprechende deutsche Genrefilme sind angekündigt oder abgedreht. Auf den ersten Blick kommt die Trendwende – die hoffentlich nicht einfach nur ein kurzes Aufflackern darstellt – beinahe aus dem Nichts, doch bei genauerer Betrachtung hat sie sich schon ein bißchen angekündigt. Das ist vor allem den Bemühungen deutscher Pay-TV-Sender sowie der großen Streamingdienste zu verdanken, die serielle Eigenproduktionen als größte Chance sehen, im immer härter werdenden Wettbewerb um die Zuschauer auf sich aufmerksam zu machen. Dieser Wettkampf gab den deutschen Autoren die Chance, endlich zu zeigen, daß sie mehr drauf haben als nur Krimis und Komödien und brachte so selbstbewußte Genreserien wie "Weinberg", "Dark" oder "4 Blocks" hervor und da die teilweise sogar international erfolgreich laufen, steigt offenbar auch im Kinobereich die Risikobereitschaft endlich wieder an.

Damit wären wir bei "Nur Gott kann mich richten", denn der Gangsterfilm von Özgür Yildirim (der bereits mit seinem im gleichen Genre angesiedelten Debüt "Chiko" aus dem Jahr 2008 für Aufsehen sorgte, das sich jedoch nicht in Zuschauerzahlen umsetzen ließ) weist thematisch und stilistisch einige Ähnlichkeiten zur sehenswerten TNT Serie-Produktion "4 Blocks" auf: Es geht um multinationale Gangsterbanden in einer Großstadt (hier Frankfurt statt Berlin), um vor Testosteron strotzende Machos und um katastrophal mißlingende "Jobs" – und mit Kida Khodr Ramadan spielt der exzellente "4 Blocks"-Hauptdarsteller auch in "Nur Gott kann mich richten" eine wichtige Rolle. Hier wie dort gibt es aber ebenfalls Plausibilitätsprobleme und überflüssig erscheinende Nebenhandlungsstränge, zudem ist der Machismo in Yildirims Film dermaßen dick aufgetragen, daß er mitunter eher lachhaft als bedrohlich wirkt. Daß das Publikum hier besser nicht alles auf die Goldwaage legen sollte, demonstriert bereits der actionreiche Prolog (der den mißglückten Überfall fünf Jahre zuvor zeigt) ganz vortrefflich: Daß das Opfer einen Bauchschuß überlebt, kann man angesichts der hünenhaften Statur des (wenn ich mich nicht irre) Russen noch akzeptieren – daß er mit diesem Bauchschuß eine Minute später wieder wie ein junges Reh (oder in seinem Fall wohl eher wie ein junger Bär) herumspringt, ist dann aber doch ein bißchen viel des Guten.

Solche Sachen gibt es immer wieder mal, auch der Zufall spielt häufiger eine bedeutende Rolle, als es bei einem guten Drehbuch der Fall sein sollte – allzu störend wirkt sich das jedoch gar nicht aus, wenn man nicht allzu streng ist. Dafür ist das Tempo die meiste Zeit über zu hoch und sind die Figuren zu interessant und vor allem stark gespielt. Angesichts dessen fällt auch nicht groß ins Gewicht, daß die Geschichte extrem rudimentär und einigermaßen klischeehaft daherkommt – wer schon ein paar Gangsterfilme oder -serien gesehen hat, den wird wenig an "Nur Gott kann mich richten" überraschen. Das kompensiert Drehbuch-Autor und Regisseur Yildirim allerdings ziemlich gekonnt durch einen schnörkellosen, sehr konsequenten Erzählstil und eine ausgesprochen dichte Atmosphäre – daß selbst arabischstämmige Macho-Gangster mit hörbarem hessischen Akzent sprechen, ist beispielsweise ein nettes Detail. Noch netter wäre es, wenn die Figuren tatsächlich spannende oder interessante Dialoge aufsagen dürften. Stattdessen sind die in den meisten Fällen inhaltlich eher zweckdienlich und gehen sowieso in einer Flut von Flüchen und Schimpfwörtern unter, die Ihresgleichen sucht. Selbstredend ist das nicht ungewöhnlich für einen Film wie diesen und ich glaube gerne, daß reale Gangster diesen Milieus sich nicht übermäßig gewählt ausdrücken – doch immer wieder geraten die Schimpf- und Beleidigungstiraden dermaßen aus dem Ruder, daß sie mich eher zum Lachen brachten ("Ich fick' Dich tot, du Hurensohn!", diverse "Deine Mudda"-Sprüche), was wohl nicht Sinn der Sache ist. Eher nervig, wenngleich natürlich zur Geschichte und zum Machismo passend, finde ich zudem die Gangster-Deutschrap-Songs, die aber zum Glück nicht allzu häufig zum Einsatz kommen – der während des Abspanns zu hörende Titelsong von Xatar, GRiNGO44 & Samy ist allerdings musikalisch wie textlich arg peinlich geraten (ist aber wohl Geschmackssache) …

Dank einer großartigen Besetzung ist aber auch das zu verkraften. Für Moritz Bleibtreu, der mit Yildirim bereits "Chiko" drehte, ist Ricky eine absolute Paraderolle, die er mit Leidenschaft und Intensität verkörpert – gerade die komplizierte Beziehung zu seinem Halbbruder Rafael sorgt immer wieder für emotionale wie auch schauspielerische Highlights. Gerade deswegen wirkt der Nebenhandlungsstrang um Ricky und seinen (bezeichnenderweise namenlos bleibenden) immer vergeßlicher werdenden Vater halbherzig bis überflüssig, auch wenn er ein paar starke Szenen zwischen Bleibtreu und "Toni Erdmann"-Star Peter Simonischek hervorbringt. Mit dem österreichischen Theaterstar Birgit Minichmayr als den Machos mehr als ebenbürtige Polizistin Diana gibt es zudem eine exzellente, dramaturgisch gleichberechtigte Gegenspielerin, die aus Sorge um ihre herzkranke Tochter (Lilly Wagner) selbst vom rechten Weg abkommt und damit einen explosiven, ziemlich brutalen Showdown einleitet. Bedauerlicherweise haben Minichmayr und Bleibtreu nur sehr wenige gemeinsame Szenen, trotzdem ragen sie aus einer allgemein hochklassigen Besetzung heraus, die übrigens auch ein paar Kurzauftritte bekannter Namen wie Alexandra Maria Lara ("Rush", als Rickys verlorene Liebe Valerie) und Marie-Lou Sellem ("Winterschläfer", als Ärztin, die Diana auf in der dargebotenen Plumpheit wenig glaubwürdige Art und Weise ein unmoralisches Angebot macht) umfaßt. Insgesamt ist "Nur Gott kann mich richten" sicherlich kein Meisterwerk, aber bei allen Mängeln ist mein Richtspruch zu diesem deutschen Genrefilm (auch wenn ich, soweit mir bekannt ist, nicht Gott bin) doch klar: Gerne mehr davon, dann aber noch besser und selbständiger!

Fazit: "Nur Gott kann mich richten" ist ein klischeehafter, aber energiegeladener und gekonnt inszenierter deutscher Gangsterthriller mit exzellenten Schauspielleistungen, die übertriebenen Machismo und einige Plausibilitätsprobleme überdecken.

Wertung: 7 Punkte.


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