Empfohlener Beitrag

In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Samstag, 17. Oktober 2015

Nachruf: Joan Leslie (1925-2015)

Wem der Name Joan Leslie überhaupt nichts sagt, der muß sich nicht grämen. Die in Detroit geborene Schauspielerin gewann nie einen OSCAR oder einen Golden Globe, wurde auch nie nominiert oder mit einem anderen bekannten Preis ausgezeichnet (aber immerhin hat sie ihren Stern auf dem "Hollywood Walk of Fame"). Und im Grunde genommen beschränkt sich ihre große Zeit in der Filmbranche auf die erste Hälfte der 1940er Jahre – eine Zeitspanne, die den meisten Menschen bekanntlich vorrangig aufgrund erheblich weniger erfreulicher Vorgänge im Gedächtnis geblieben ist als dem Dreh und der Veröffentlichung guter Filme. Die gab es aber natürlich trotzdem, tatsächlich lief die Filmbranche während des Zweiten Weltkrieges sogar auf Hochtouren, weil Hollywood gleich zweierlei Aufträge erfüllen mußte: Klassische Propaganda für den Krieg gegen die Achsenmächte zu produzieren und Ablenkung und Zerstreuung von den anfangs sehr unerfreulichen Kriegsnachrichten zu bieten.

Joan Leslie, die bereits als kleines Kind am Theater auftrat und den "Brettern, die die Welt bedeuten" lange treu blieb, kam vor der Kamera für beide Zwecke zum Einsatz. Erste Schritte in der großen Welt des Films unternahm sie noch unter ihrem echten Namen Joan Brodel, als sie Minirollen etwa in "Die Kameliendame" (1936) mit Greta Garbo oder Alfred Hitchcocks "Der Auslandskorrespondent" (1940) ergatterte. Ihren Durchbruch schaffte sie aber erst 1941 bei ihrem Debüt für das Studio Warner Bros. unter dem Künstlernamen Joan Leslie in einer tragenden Rolle des dramatischen Raoul Walsh-Klassikers "Entscheidung in der Sierra" – wobei, was heißt hier "erst"? Schließlich war sie gerade 16 Jahre alt, als sie die Rolle der gehbehinderten Velma verkörperte, die Hollywood-Legende Humphrey Bogart als vom Unglück verfolgtem Gangster den Kopf verdreht.

Nach "Entscheidung in der Sierra" war der hübsche Teenager sehr begehrt, weitere starke (aber nicht gerade abwechslungsreiche) Rollen warteten auf sie. In Howard Hawks' elffach OSCAR-nominiertem Kriegsdrama "Sergeant York" (1941) spielt sie die Ehefrau des von Gary Cooper verkörperten Alvin C. York, der aus religiösen Gründen nicht am Ersten Weltkrieg teilnehmen will, sich der Einberufung aber nicht entziehen kann und letztlich zum gefeierten Kriegshelden wird. Ja, mit "Sergeant York" erfüllte Leslie ihre Propagandapflicht, aber im Vergleich zu den unzähligen anderen Kriegsfilmen dieser Jahre geht der auf wahren Geschehnissen basierende Film recht dezent vor und ist handwerklich hervorragend gemacht, sodaß man ihn auch heute noch ohne größeres Bauchgrimmen anschauen kann. Ein bißchen fies aus Leslies Sicht ist, daß "Sergeant York" OSCAR-Nominierungen in drei der vier Darstellerkategorien erhielt (Cooper gewann sogar) ... nur die Hauptdarstellerin ging leer aus.

1942 folgte für Leslie mit dem sehr unterhaltsamen Biopic "Yankee Doodle Dandy" ein weiterer großer Hit, in dem sie mit der Tänzerin Mary erneut die Ehefrau der Hauptfigur spielte. Dies war in diesem Fall der in den USA sehr populäre Musical-Pionier George M. Cohan, in Michael Curtiz' Werk grandios verkörpert von James Cagney (der einen von drei OSCARs des Films gewann). Weitere Erfolge konnte Joan Leslie mit Elliott Nugents Komödie "Thema: Der Mann" an der Seite von Henry Fonda und Vincent Shermans Musikdrama "Das Geständnis einer Frau" feiern. Dazu gesellten sich mit Michael Curtiz' Musical-Adaption "This Is the Army", Edward H. Griffiths romantischer Musikkomödie "The Sky's the Limit" (in dem sie an der Seite von Fred Astaire tanzte) sowie den beiden gemeinnützigen Staraufläufen "Thank Your Lucky Stars" und "Hollywood Canteen" (die auf Veranlassung von Filmstar Bette Davis Geld für die kostenlose Verpflegung alliierter Soldaten sammelten) weitere Beiträge zur Aufrechterhaltung der Kriegsmoral. Ihren letzten größeren Erfolg verbuchte Joan Leslie 1945 – also als 20-Jährige! – mit Irving Rappers George Gershwin-Biopic "Rhapsodie in Blau", in dem sie zur Abwechslung nicht die Ehefrau der von Robert Alda (dem Vater von "M*A*S*H*"-Star Alan Alda) verkörperten Hauptfigur spielt ... sondern seine (fiktive) große, letztlich unerfüllte Liebe.

Nach dem Krieg klagte Joan Leslie, die mit den sehr ähnlichen Rollen, die sie spielen mußte, zunehmend unzufrieden war, gegen ihren Vertrag bei Warner Bros. und gewann. In der Zeit der allmächtigen Filmmogule war es allerdings für die wenigsten Filmleute eine gute Idee, sich einen von diesen zum Feind zu machen. Folgerichtig agierte Joan Leslie zwar noch in einigen Film Noirs und Western, die aber allesamt nicht von den großen Studios produziert wurden und qualitativ mehr oder weniger belanglos waren. In den 1950er Jahren trat Leslie vermehrt im Fernsehen auf, doch als sie Mutter von Zwillingstöchtern wurde, tat sie es so vielen Kolleginnen dieser Zeit gleich und beendete ihre Schauspielkarriere (bis auf gelegentliche Gastauftritte), um sich ganz der neuen Rolle als Mutter zu widmen.

Am 12. Oktober 2015 starb Joan Leslie im Alter von 90 Jahren in Los Angeles.
R.I.P.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen