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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Freitag, 14. März 2014

SAVING MR. BANKS (2013)

Regie: John Lee Hancock, Drehbuch: Kelly Marcel und Sue Smith, Musik: John Newman
Darsteller: Emma Thompson, Tom Hanks, Colin Farrell, Paul Giamatti, Ruth Wilson, Bradley Whitford, Jason Schwartzman, B.J. Novak, Annie Rose Buckley, Rachel Griffiths, Kathy Baker, Melanie Paxson, Andy McPhee, Lily Bigham, Leigh Anne Tuohy
Saving Mr. Banks
(2013) on IMDb Rotten Tomatoes: 79% (7,0); weltweites Einspielergebnis: $117,9 Mio.
FSK: 0, Dauer: 126 Minuten.

20 Jahre lang hat Walt Disney (Tom Hanks, "Cloud Atlas") versucht, die Filmrechte an dem Kinderbuch "Mary Poppins" zu erlangen, da er es seinen von der Geschichte des magisch begabten Kindermädchens begeisterten Sprößlingen einst versprochen hatte. Doch die Autorin P.L. Travers (Emma Thompson, "Radio Rock Revolution") weigerte sich stets, ihre geliebten Romanfiguren einem Mann auszuliefern, der daraus bestimmt einen kitschigen Animations-Musical-Mix machen würde. Erst als Travers das Geld auszugehen beginnt, willigt sie ein, sich zumindest in Los Angeles mit Disney zu treffen und sich die Ideen des Drehbuch-Autors Don DaGradi (Bradley Whitford, "The Cabin in the Woods") und der Komponisten-Brüder Richard (Jason Schwartzman, "Rushmore") und Robert Sherman (B.J. Novak, "Inglourious Basterds") anzuhören. Wie erwartet, ist sie entsetzt. Doch Walt setzt seinen ganzen Charme und seine Überredungskunst daran, die eigenwillige Autorin – die nur "Mrs. Travers" genannt werden will – umzustimmen, selbst auf einige gar absonderliche Forderungen der Dame (etwa den Verzicht auf die Farbe Rot im Film!) würde er sich zähneknirschend einlassen. Bei Mrs. Travers werden derweil durch die Arbeiten am Drehbuch lange unterdrückte Erinnerungen an ihre Kindheit in Australien geweckt, denn ihr Vater Travers Goff (Colin Farrell, "7 Psychos") – ein künstlerisch veranlagter Banker, der mit dem Leben einfach nicht klarkommt und deshalb zum Alkohol greift –, war die Vorlage für den Familienvater Mr. Banks in ihrem Buch ...

Kritik:
Hollywood hat schon immer gerne Filme über Hollywood bzw. über Filme allgemein gedreht. Die Resultate der Bemühungen waren nur selten Blockbuster, oft aber sehr sehenswert. Ob tragisch (Billy Wilders "Boulevard der Dämmerung"), satirisch (Robert Altmans "The Player", Barry Levinsons "Wag the Dog"), märchenhaft (Martin Scorseses "Hugo Cabret"), nostalgisch (E. Elias Merhiges "Shadow of the Vampire", Elia Kazans "Der letzte Tycoon", Tim Burtons "Ed Wood", Bill Condons "Gods and Monsters", Woody Allens "Stardust Memories"), künstlerisch (David Lynchs "Mulholland Drive") oder auch selbstironisch (Ben Stillers "Tropic Thunder", Drew Goddards "The Cabin in the Woods"): Wenn man sie läßt, dann haben Filmemacher viel und oft Erstaunliches zu erzählen über ihre Branche. Ein Feelgood-Movie ist aus dieser Thematik eher selten entstanden, doch "Saving Mr. Banks" stopft nun gekonnt diese Lücke; denn die Geschichte von Walt Disneys Kampf um die Filmrechte an "Mary Poppins" mag zwar – wie von Branchenkennern kritisiert wird – im Disney-Sinne geschönt sein, aber sie wird von "Blind Side"-Regisseur John Lee Hancock höchst unterhaltsam und gefühlvoll dargeboten.

Entscheidend für das Gelingen von "Saving Mr. Banks" dürften zwei Dinge sein: Erstens die Besetzung von P.L. Travers mit Emma Thompson, die in der Rolle geradezu aufblüht und die wohl beste Vorstellung seit ihrer OSCAR-Nominierung für "Sinn und Sinnlichkeit" 1995 abliefert. Zweitens der Einfall der Drehbuch-Autorinnen Marcel ("Fifty Shades of Grey", TV-Serie "Terra Nova") und Smith, nicht einfach nur geradlinig den amüsanten Kampf um die Filmrechte zwischen zwei grundverschiedenen Persönlichkeiten darzustellen, sondern zusätzlich durch Travers' bittersüße Erinnerungen an ihre Kindheit eine zweite Ebene einzuführen, die der Figur der Kinderbuch-Autorin eine ungeahnte emotionale Tiefe verleiht. Und da Travers ihre Inspiration für "Mary Poppins" aus ihrer eigenen Umwelt nahm, erfahren wir auf diese Weise mehr über die realen Hintergründe ihrer Geschichte und können sie mit Disneys Verfilmung – aus der gegen Ende von "Saving Mr. Banks" einige Ausschnitte gezeigt werden – vergleichen. Vor allem Colin Farrell zeigt in diesen Rückblenden als Vater eine starke Leistung, speziell im harmonischen Zusammenspiel mit Travers' von Annie Rose Buckley liebenswert verkörpertem kindlichem Ich. Auch die OSCAR-nominierte Musik von Thomas Newman ("Road to Perdition") hat in Travers' Erinnerungen ihre stärksten Momente.

Eine Kenntnis von Disneys "Mary Poppins" ist übrigens zwar natürlich hilfreich, aber absolut nicht vonnöten, um "Saving Mr. Banks" genießen zu können. Denn dessen Story steht allen Anspielungen zum Trotz problemlos auf eigenen Beinen. Das ist ein großes Verdienst des wohlüberlegten Drehbuchs, das die Figuren detailliert und empathisch ausgestaltet und damit den hochkarätigen Schauspielern eine hervorragende Vorlage liefert. Gerade P.L. Travers ist sicherlich eine der überzeugendsten Frauenfiguren der letzten Zeit im bekanntlich männlich dominierten Hollywood – und Emma Thompsons grandiose, facettenreiche Darstellung dieser störrischen Frau mittleren Alters, die sehr genaue Vorstellungen und auch etliche Macken hat und im Großen und Ganzen ziemlich genau der Beschreibung "rauhe Schale, weicher Kern" entspricht, sorgt endgültig dafür, daß man sie sehr positiv im Gedächtnis behält. Ob ihre sich gemächlich entwickelnde Freundschaft mit ihrem Hollywood-Chauffeur Ralph (Paul Giamatti, "Barney's Version") – die zwar ein wenig origineller Nebenhandlungsstrang ist, aber sehr liebenswert erzählt wird und deshalb viel Freude bereitet –, ihre ständigen leidenschaftlichen Dispute mit Walt Disney oder auch die langen Stunden, in denen sie mit dem Drehbuch-Autor und den beiden Komponisten zusammenarbeitet und diese dabei regelmäßig an den Rand des Wahnsinns treibt: Mit leichter Hand und einem sicheren Gespür für Details fügt Regisseur Hancock all diese Elemente zu einem unverschämt unterhaltsamen Ganzen zusammen, auch wenn die Dramaturgie der Story altbekannten Mustern entspricht und diese zwischenzeitlich ein wenig durchhängt. Ein kleines, bezauberndes Beispiel für die erwähnten Details: P.L. Travers will von jedem nur als "Mrs. Travers" angesprochen werden und verwendet selbst stets eine eher distanzierte Anrede – Walt Disney dagegen besteht ebenso vehement darauf, nur mit dem Vornamen angesprochen zu werden ("Mr. Disney hieß mein Vater") und spricht zu deren Verdruß auch die Autorin hartnäckig als "Pamela" an; somit ist die Gegensätzlichkeit der beiden von ihrer ersten Begegnung an klar definiert, und das auf eine sehr humorvolle Art und Weise.

Die Hollywood-Ikone Walt Disney wird von Tom Hanks selbstverständlich sehr charmant und ausdrucksstark gespielt – ein jovialer, im Herzen junggebliebener Bursche, den es glücklich macht, die Kino-Zuschauer glücklich zu machen. Das ist natürlich, wie bereits angedeutet, eine geschönte Interpretation des strammen Republikaners, der u.a. Gewerkschaften bekämpfte und in der McCarthy-Ära vermeintlich kommunistische Filmschaffende verpfiff, also sicherlich kein Heiliger war – aber für diesen Film funktioniert der Ansatz einwandfrei. Ich würde sogar sagen: ein anderer wäre überhaupt nicht möglich, dafür müßte man schon ein eigenes Walt Disney-Biopic drehen. Mein Problem ist nur: Ich nehme Tom Hanks einfach nicht ab, daß er Walt Disney ist. Damit meine ich gar nicht mal so sehr, daß er trotz ähnlicher Statur dem echten Disney nicht sehr ähnlich sieht – Cate Blanchett hat sogar noch weniger Ähnlichkeiten zu Katharine Hepburn, trotzdem hat sie in Martin Scorseses "Aviator" eine grandiose Hepburn abgegeben. Auch Hanks müht sich redlich, Mimik und Gestik der realen Person zu imitieren, aber trotzdem: Für mich springt der Funke nicht über. Es ist nicht Walt Disney, den ich mit P.L. Travers diskutieren sehe, sondern Tom Hanks. Das macht es wohlgemerkt kaum weniger unterhaltsam, ist aber nun einmal ganz sicher nicht Sinn der Sache. Ich hatte mir ja immer vorgestellt, daß der ewige Nebendarsteller Michael O'Neill (bekannt aus Filmen wie "Dallas Buyers Club", "J. Edgar" oder "Transformers" sowie TV-Serien wie "Grey's Anatomy" oder "The West Wing") einen ganz hervorragenden Walt Disney abgeben würde – aber für eine solche Prestigerolle ist der natürlich nicht prominent genug ...

Von diesem kleinen Manko abgesehen – das den meisten Zuschauern vermutlich sowieso nicht auffallen wird, schließlich ist Walt Disney schon lange tot und nur wenige dürften sich genau an sein Auftreten erinnern – ist "Saving Mr. Banks" aber ein richtig schöner Film. Im Abspann werden übrigens die Schauspieler Photographien (oder, wenn wie bei Travers' Familie keine existieren, Kinderzeichnungen) ihrer realen Vorbilder gegenübergestellt, zudem werden einige Ausschnitte aus Tonbandaufzeichnungen abgespielt, die während Travers' Arbeit mit DaGradi und den Sherman-Brüdern auf Wunsch der Autorin gemacht wurden (und die tatsächlich Basis dieses Films sind). Das ist erstens interessant mitanzuhören und zweitens ein geschickter Schachzug von Disney, denn auf Vorhaltungen der Schönfärberei ihrer eigenen Geschichte können sie nun immer entgegnen: "Hört es Euch doch an: Es WAR so!" ...

Fazit: "Saving Mr. Banks" ist ein sehr unterhaltsamer Wohlfühlfilm, der mit der harmonischen Kombination seines amüsanten Haupt-Handlungsstrangs rund um die Verhandlungen über die "Mary Poppins"-Filmrechte mit den bittersüßen Kindheitserinnerungen der Schriftstellerin eine ungeahnte emotionale Tiefe erreicht und eine Hauptdarstellerin Emma Thompson in Höchstform präsentiert – die nebenbei vollzogene Schönfärberei der Disney-Historie dürfte letztlich nur Filmhistorikern übel aufstoßen ...

Wertung: 8,5 Punkte.


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