Regie: Noam
Murro, Drehbuch: Zack Snyder und Kurt Johnstad, Musik: Junkie XL
Darsteller:
Eva Green, Sullivan Stapleton, Rodrigo Santoro, Lena Headey,
Hans Matheson, David Wenham, Jack O'Connell, Callan Mulvey, Igal Naor, Andrew Tiernan, Ashraf
Barhom, Ben Turner, Christopher Sciueref, Andrew Pleavin
FSK: 18, Dauer: 102 Minuten
Das antike Griechenland im 5. Jahrhundert v. Chr.: Während
sich der größenwahnsinnige persische Gottkönig Xerxes (Rodrigo Santoro,
"Tatsächlich ... Liebe") bei den Thermopylen mit Spartanerkönig
Leonidas und seinen 300 Getreuen herumärgert, bekommt es vor der Insel Euböa
Xerxes' griechischstämmige Heerführerin Artemisia (Eva Green, "Dark Shadows") mit der griechischen Flotte unter ihrem Feldherr Themistokles
(Sullivan Stapleton, TV-Serie "Strike Back") zu tun. Die Perser sind
deutlich in der Überzahl, doch Themistokles – der Jahre zuvor in der Schlacht
von Marathon Xerxes' Vater König Dareios (Igal Naor, TV-Serie
"Sindbad") getötet hatte – gelingt es mit List und strategischem
Geschick vorerst, die feindliche Streitmacht vom griechischen Festland
fernzuhalten. Nach Leonidas' Tod scheint der Untergang Griechenlands
jedoch unabwendbar, zumal die spartanische Königin Gorgo (Lena Headey, TV-Serie "Game
of Thrones") nicht gewillt scheint, ihre Truppen mit den verbliebenen der
Griechen zu vereinigen ...
Kritik:
In Deutschland ist der englische Begriff "Guilty
Pleasure", für den es keine wirklich passende Übersetzung gibt, noch immer relativ unbekannt, dabei gibt es bei manchen US-Filmpreisen
oder auch Jahresbestenlisten von Kritikern schon länger die Kategorie
"Best Guilty Pleasure". Will man jemandem erklären, was ein solches
"schuldiges Vergnügen" ist, so eignet sich "300 – Rise of an
Empire" hervorragend als Beispiel. Denn die Dialoge, die dem Publikum in
dem Spin-Off von Zack Snyders Überraschungshit "300" aus dem Jahr
2007 zugemutet werden, sind bestenfalls banal, einige Szenen (z.B. Xerxes'
"Gottwerdung") sogar unfreiwillig komisch, ein Spannungsbogen ist
bestenfalls rudimentär vorhanden und die schauspielerischen Leistungen sind mit
einer lobenswerten Ausnahme graustes Mittelmaß. Es gibt also vordergründig kaum Gründe,
diesen Film zu mögen oder gar zu lieben. Und doch stellt der Neandertaler in
mir fest, daß er beinahe restlos begeistert ist! Warum? Weil "300 – Rise
of an Empire" ein Idealbeispiel für den alten Satz "style over
substance" ist, allerdings im positivsten Sinne, der möglich ist. Mehr
noch als bei "300" begeistert die dieses Mal in 3D dargebotene Optik:
Die stilisierten, ölgemäldeartigen, am Computer kreierten
Greenscreen-Bildkompositionen sind ebenso düster wie schön, die noch
einen Tick brutaleren und wuchtigeren (oder vielleicht wirken sie auch nur so, weil sie eben in 3D sind?), exzessiv in Zeitlupe präsentierten
Kampfszenen
beeindruckend. Normalerweise ist mir der Inhalt schon wichtiger als der Stil,
idealerweise gehen sogar beide eine harmonische Partnerschaft ein (wie bei "Sin
City", der anderen großen Verfilmung einer Graphic Novel von Frank Miller)
– aber hin und wieder freue ich mich auch sehr über eine reine, spektakuläre
und visuell einzigartige Stilübung wie bei den "300"-Filmen.
Ehrlich gesagt hat mir "Rise of an Empire" sogar
besser gefallen als sein Vorgänger. Ich habe das bereits in anderen
Renzensionen geschrieben: Bei Filmen, die den Produktionskosten zum Trotz
eigentlich B-Movies sind – und auf die "300"-Filme trifft das
eindeutig zu – bevorzuge ich es, wenn sie offensiv dazu stehen und gar nicht
erst versuchen, durch Alibi-Handlungselemente so etwas wie inhaltlichen
Anspruch vorzutäuschen. "300" hat genau das versucht, indem ein
in der Graphic Novel nicht vorkommender zusätzlicher Handlungsstrang rund um die in
Sparta gebliebene Königin Gorgo eingefügt wurde. Der sorgte zwar immerhin für
etwas Abwechslung im Schlachtengetümmel, wirkte aber wie ein
Fremdkörper und war dabei so klischeehaft und folglich vorhersehbar samt extrem
läppischer Auflösung, daß er für mich vor allem ein Ärgernis war. "Rise of
an Empire" – der übrigens wiederum auf einer Graphic Novel von Frank Miller
basiert, die aber noch gar nicht veröffentlicht wurde – versucht Ähnliches
gar nicht erst, sondern konzentriert sich ganz auf Stil und Action. Zugegeben, (fast) immer
dann, wenn doch mal geredet wird, ist die Stimmung trotzdem etwas im Keller, da die
Dialoge noch pathetischer und banaler als in "300" ausfallen und die oberflächlichen Diskussionen über Schlachtstrategien auch nicht gerade fesseln; aber freundlicherweise sind die entsprechenden Passagen meist ziemlich kurz gehalten.
Ein weiterer Vorzug von "Rise of an Empire" ist,
daß die Fronten bei weitem nicht so klar verteilt sind wie in "300".
Dort konnte keinerlei Zweifel daran bestehen, daß Leonidas und seine tapferen
Spartiaten die Helden waren und die gesichtslosen Perser mit ihrem an eine
Karikatur erinnernden Gottkönig Xerxes die Bösen. In "Rise of an Empire"
sind die Perser zwar immer noch deutlich in der Überzahl, dennoch ist es eine
Konfrontation, die zumindest einigermaßen auf Augenhöhe stattfindet. Es gibt
also keinen großen Underdog-Bonus für die Griechen, umso wichtiger sind die einzelnen
Figuren auf beiden Seiten. Und die fallen bei den Griechen nicht sehr
beeindruckend aus. Der relativ kinounerfahrene Australier Sullivan Stapleton
gibt zwar vor allem in den Kampfszenen einen passablen Actionhelden ab, das
Charisma von Gerard Butler in "300" geht ihm jedoch deutlich ab. Ich
bin eigentlich kein großer Fan von Butler, doch König Leonidas war ohne
Zweifel eine Paraderolle für ihn, die er mit Leib und Seele hervorragend
verkörperte. Stapleton kann da nicht mithalten – auch, weil das Drehbuch seiner
Figur noch viel weniger Tiefe verleiht als das beim auch schon nicht gerade
vielschichtigen Leonidas der Fall war –, seine Gefährten bleiben erst recht
blaß.
Umso entscheidender ist es für das Gelingen von "300 – Rise of an
Empire", daß es mit der persischen Heerführerin Artemisia eine
sensationell gute Antagonistin gibt. Denn Eva Green ist als Artemisia wahrlich
eine absolute Wucht; sie ist eine Walküre, eine Göttin des Krieges gar: grausam
und wunderschön, blutdürstig und erbarmungslos, berechnend und leidenschaftlich!
Und die französische Schauspielerin – Tochter des
1970er Jahre-Stars Marléne Jobert ("Der aus dem Regen kam", "Der
Kommissar und sein Lockvogel") – verkörpert diese Heerführerin mit einer
solchen Inbrunst, daß sie hart an die Grenze zum Overacting stößt; was aber in
einem Film wie diesem überhaupt nicht stört, eher im Gegenteil. Ich weiß, daß
ich mich jetzt ziemlich weit aus dem Fenster lehne, aber ganz ehrlich: Außer der
"Alien"-Heroine Ellen Ripley will mir partout keine weibliche Figur
aus einem Science Fiction-, Fantasy- oder Actionfilm einfallen, die so sehr zu
faszinieren wüßte wie es bei Eva Greens überwältigender Interpretation der
Artemisia der Fall ist. An Greens Seite blüht sogar Rodrigo Santoro etwas auf,
der in "300" als Xerxes kaum mehr als eine Schreckensfigur aus einer
Geisterbahn sein durfte; hier ist er zwar den halben Film über abwesend (er muß sich ja mit Leonidas beschäftigen), bekommt durch Rückblenden in seine
Vergangenheit aber tatsächlich etwas Profil. Es ist bedauerlich, daß Xerxes nur
so wenige gemeinsame Szenen mit Artemisia hat, denn die ungewöhnliche
Co-Abhängigkeit dieser beiden gehört zu den wenigen Elementen in "Rise of
an Empire", die tatsächlich erzählerisches Potential geboten hätten. Das
gilt ebenfalls für die Interaktion von Artemisia mit Themistokles, die unter anderem eine ziemlich kuriose, aber erinnerungswürdige Verführungsszene beinhaltet. Scheinbar war auch Regisseur Noam Murro ("Smart People")
bewußt, welch Kleinod er mit Artemisia zur Hand hat, denn er gibt der
persischen Seite nahezu ebenso viel Raum wie der griechischen, wovon im klar
spartanerlastigen "300" ja beim besten Willen nicht die Rede sein
konnte. Angesichts dieser Verteilung der Figuren auf beiden Seiten dürfte es
nicht wenige Zuschauer geben, die dieses Mal den Persern und speziell Artemisia
die Daumen drücken – ich weiß, daß ich es getan habe ...
Obwohl "300 – Rise of an Empire" erst nachträglich
in 3D konvertiert wurde, bietet er eines der überzeugendsten 3D-Erlebnisse der
letzten Jahre. Das liegt vermutlich daran, daß außer den Schauspielern sowieso
das meiste computergeneriert ist und sich die Dreidimensionalität so
leichter integrieren ließ, bei Tarsems stilistisch vergleichbarem "Krieg der Götter" (auch so ein "Guilty Pleasure") war es 2011 zumindest ähnlich. Jedenfalls wirken die bildschönen Szenerien und die blutigen
Kämpfe (die fast komplett ohne "in die Kamera" fliegende Waffen
auskommen) in 3D eindrucksvoll, vor allem die Seeschlachten sind echte
Highlights. Ein ganz wesentlicher Grund dafür, daß "Rise of an
Amy" trotz seiner unübersehbaren Schwächen so gut funktioniert, ist außerdem der die Schlachten begleitende, rocklastige und absolut
mitreißende Score des holländischen D.J.s Junkie XL (bekannt vor allem für
seinen Remix des Elvis Presley-Songs "A Little Less Conversation"),
der in Verbindung mit den effektiv eingesetzten Soundeffekten mit dem modernden
Rundum-Soundsystem Dolby Atmos besonders gut zur Geltung kommt. Ich kann gar
nicht genau sagen, warum das so ist, aber vor allem bei Historien- und Fantasyfilmen
scheint die Musik häufig ein besonders tragendes Element zu sein: "Conan
der Barbar" ist ohne den legendären Score von Basil Poledouris kaum
vorstellbar, auch "Gladiator" wäre ohne die epische Untermalung durch
Hans Zimmers Musik wohl nur halb so gut. Bei "300 – Rise of an
Empire" ist es ähnlich, der Soundtrack orieniert sich stilistisch an dem
von Tyler Bates für den Vorgänger, übertrifft ihn (zuzüglich des leider nicht auf der Soundtrack-CD enthaltenen Abspann-Songs "War Pigs" von Black Sabbath) aber noch locker. Bei diesen
visuellen und akustischen Stärken, die nur in einem technisch gut ausgerüsteten
Kino mit einer möglichst großen Leinwand zur vollen Geltung kommen können, bleibt wirklich nur noch zu sagen: Kino – dafür werden Filme gemacht!
Fans des Vorgängers dürfen sich übrigens auf das Wiedersehen
mit ein paar alten Bekannten freuen, denn neben Königin Gorgo ist auch der
überlebende Spartiat Dilios (David Wenham, "Australia") mit dabei, zudem bekommen Andrew
Tiernan als buckliger Verräter Ephialtes und Andrew Pleavin als arkadischer
Truppführer Daxos kurze Auftritte. Und es muß gar nicht das letzte Mal
gewesen sein, daß wir sie zu Gesicht bekommen. Denn angesichts des unerwartet
großen kommerziellen Erfolges von "300 – Rise of an Empire" ist die
Möglichkeit für weitere Fortsetzungen, Spin-Offs oder Prequels absolut gegeben. Und dann ist vielleicht wieder die Zeit für ein echtes "Guilty Pleasure" gekommen ...
Fazit: "300 – Rise of an Empire" ist eine
antike Schlachtplatte, die wie bereits der Vorgänger mit stylisher Action und
phantastischen Greenscreen-Bildkompositionen (in hervorragendem 3D)
fasziniert und mit einer anbetungswürdigen Hauptdarstellerin Eva Green
begeistert – eine raffinierte Dramaturgie oder intelligente Dialoge sind doch sowieso
nur was für Weicheier!
Wertung: Vollkommen subjektive 9 Punkte – ausdrücklich auf das technisch bestmögliche Kinoereignis mit hochwertiger
3D-Projektion und Rundum-Soundsystem Dolby Atmos bezogen. Am heimischen
Fernseher kann sich das kaum nachvollziehen lassen ...
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