Regie: Jean-Marc Vallée, Drehbuch: Craig Borten und Melisa
Wallack
Darsteller: Matthew McConaughey, Jennifer Garner, Jared
Leto, Michael O'Neill, Denis O'Hare, Steve Zahn, Kevin Rankin, Dallas Roberts,
Griffin Dunne, Donna Duplantier, Deneen D. Tyler
FSK: 12, Dauer: 117 Minuten.
Wir schreiben das Jahr 1985: Ein neuer, durch
Geschlechtsverkehr übertragbarer Virus namens HIV, der eine tödliche Krankheit
namens AIDS auslöst, verbreitet sich immer stärker in den USA und auf der
ganzen Welt. Da AIDS zunächst hauptsächlich bei homosexuellen Männern vorkommt,
gilt es als eine "Schwulenseuche" und damit im Grunde genommen als göttliche Strafe für sexuelle Perversion. Entsprechend gering sind die
Bemühungen des Staates, die Entwicklung eines Heilmittels voranzutreiben. Der eindeutig heterosexuelle Elektriker Ron Woodroof
(Matthew McConaughey, "Killer Joe"), ein texanischer
Cowboy ohne Manieren und mit einem Hang zu Rassismus und Homophobie,
denkt genauso. Bis er eines Tages bei der Arbeit von einem Stromschlag
ausgekockt wird und in einem Krankenhaus wieder aufwacht – wo ihm Dr. Sevard
(Denis O'Hare, TV-Serie "True Blood") und Dr. Saks (Jennifer Garner,
"Juno") offenbaren, daß er an AIDS leide und wahrscheinlich in 30
Tagen tot sein werde. Ron lacht zunächst nur darüber und läßt die Ärzte einfach
stehen; er ist keine "verdammte Schwuchtel", wie könnte er da
AIDS haben? Doch da es ihm tatsächlich nicht gut geht, recherchiert er über die
Krankheit und muß schließlich einsehen, daß er sie doch hat. Das einzige in den
USA zugelassene Medikament verschlechtert seinen Zustand nur noch, also fährt
er kurzerhand nach Mexiko und probiert dort vielversprechende, in den USA noch
nicht erlaubte Medikamente aus, die ihm hervorragend bekommen. Er führt
große Mengen davon illegal in die Staaten ein, wo er sie im Rahmen eines
"Käuferclubs" gemeinsam mit dem
Transsexuellen Rayon (Jared Leto, "Lord of War", "Mr.
Nobody"), den er im Krankenhaus kennengelernt hat, an HIV-Positive verkauft ...
Kritik:
Es gibt eine ganze Reihe von Filmen über AIDS, doch nur
wenige haben größere Bekanntheit erlangt. Am berühmtesten ist natürlich
Jonathan Demmes bewegendes Drama "Philadelphia" (1993) mit Tom Hanks und
Denzel Washington; ebenfalls qualitativ herausragende
Beiträge zum Thema hat der US-Pay-TV-Sender HBO mit "... und das Leben
geht weiter" (1993), einer starbesetzten (u.a. Richard Gere, Ian McKellen,
Alan Alda, Anjelica Huston, Phil Collins, Steve Martin) Chronik des Beginns der
Krankheit, sowie der gefeierten Miniserie "Engel in Amerika" (2003)
mit Al Pacino und Meryl Streep geschaffen. Weitere zehn Jahre später ruft nun also der für dreifache
OSCAR-Gewinner (Hauptdarsteller, Nebendarsteller, Makeup) "Dallas Buyers Club" die Thematik ins Gedächtnis
der Öffentlichkeit zurück – vermutlich gerade rechtzeitig, denn obwohl AIDS vor
allem in Afrika noch immer Millionen Menschenleben fordert, ist die Krankheit
in Europa und den USA in den letzten Jahren weitgehend aus den
Schlagzeilen verschwunden. Da ist es natürlich umso erfreulicher, daß der Film
des kanadischen Regisseurs Jean-Marc Vallée ("Victoria, die junge
Königin") richtig gut geworden ist.
Die vielleicht größte Leistung des Drehbuchs der Newcomer Melisa
Wallack und Craig Borten liegt darin,
daß es die wahre Geschichte des an AIDS erkrankten Ron Woodroof nicht einfach
geradlinig als Sterbedrama erzählt, sondern sie in gleich drei
Genres beheimatet: natürlich ist da zunächst ebenjenes Sterbedrama, dazu
gesellt sich die fein gezeichnete Charakterstudie eines unsensiblen
Rednecks und schließlich gibt es sogar eine Underdog-Story á la "Erin Brockovich", ein
Auflehnen couragierter Bürger gegen die Willkür von Behörden und Konzernen. Und
das Erstaunliche ist, daß diese drei Genres in "Dallas Buyers Club" aufgrund Vallées durchdachter, wenn auch eher konventioneller Inszenierung
wunderbar miteinander harmonieren und ohne größeren Qualitätsverlust in einem
der Teile ein funktionierendes Ganzes ergeben.
Das liegt nicht zuletzt an der starken darstellerischen
Leistung von Matthew McConaughey, der als Ron im Zentrum der Handlung steht und
diese problemlos auf seinen stark abgemagerten Schultern trägt. Dieser Ron will
sich nicht unterkriegen lassen ("Es gibt nichts, das einen Ron Woodroof in
30 Tagen töten kann!", hält er den Ärzten nach seiner AIDS-Diagnose arrogant entgegen), doch die Ausgrenzung, die er erfährt, als er
unvorsichtigerweise seinen "Freund" TJ (Kevin Rankin, TV-Serie
"Unforgettable") einweiht und fortan von seinen Arbeitskollegen die
gleiche herzlose Ausgrenzung erfährt, die er bisher stets gesellschaftlichen
Minderheiten angedeihen ließ, läßt ihn keineswegs kalt. Noch stärker zu seiner
authentisch geschilderten und gespielten Wandlung – nicht übertrieben vom
Saulus zum Paulus, sondern "nur" vom vorurteilsbehafteten Widerling
zu einem mitfühlenden Menschen – trägt Rayon bei. Beim ersten Treffen gibt sich
Ron noch angewidert vom in Frauenkleidern herumlaufenden Transsexuellen,
für dessen einfühlsame Verkörperung der hauptberufliche Musiker Jared Leto ("Thirty
Seconds to Mars") den Nebenrollen-OSCAR gewann; doch nach und nach entwickelt sich aus der anfänglich reinen Geschäftsbeziehung
über den Käuferclub eine tiefempfundene Freundschaft zwischen den
beiden. Und auch die von Jennifer Garner sympathisch verkörperte Ärztin Dr.
Saks, die sich im Gegensatz zu ihrem Boß wirklich für ihre Patienten einsetzt,
weckt Gefühle im unwiderbringlich todgeweihten Ron. Wie subtil der dafür
zurecht ebenfalls mit dem OSCAR geehrte McConaughey Rons Wandlung auf die Leinwand bringt, ist
wahrlich eindrucksvoll – aus einem durchweg guten Schauspiel-Ensemble ragt der
frühere RomCom-Spezialist noch ein Stück heraus und ist damit endgültig im
Charakterfach angelangt.
Obwohl also jeder der drei Genre-Teile von "Dallas Buyers
Club" gut funktioniert, ist Rons Charakterstudie doch das stärkste und
eindringlichste Element. Für den deutlich höchsten Unterhaltungswert sorgt dagegen
die Underdog-Story, zumal durch Rons teils phantasievolle und oft ziemlich dreiste
Versuche, die noch nicht zugelassenen Medikamente in die USA einzuführen, sogar
ein bißchen gelungener Humor Einzug in den Film hält. Allerdings kommt hier für
meinen Geschmack die Sichtweise der Arzneimittelzulassungsbehörde FDA – die in
der Realität in der Angelegenheit zweifellos keine gute Figur gemacht hat –
etwas zu kurz, denn deren Vorbehalte, so bürokratisch und mißgünstig sie auch
erscheinen mögen, sind zumindest teilweise durchaus nachvollziehbar. Im Film fungiert
die FDA mit ihrem Vertreter Richard Barkley (Michael O'Neill aus TV-Serien wie "The West Wing" und "Grey's Anatomy") recht
undifferenziert als Bösewicht – das funktioniert dramaturgisch einwandfrei, ist
aber nicht wirklich fair. Und schließlich fehlt mir im Sterbedrama-Teil des Films doch ein
klein wenig die letzte Emotionalität. Es muß ja nicht automatisch ein
Tränenzieher á la "Philadelphia" dabei herauskommen, aber etwas mehr
wäre doch schön gewesen. Das ändert aber nichts daran, daß "Dallas Buyers
Club" ein richtig guter Film ist.
Fazit: "Dallas Buyers Club" ist ein
AIDS-Drama, das einen höchst beeindruckenden Matthew McConaughey in einer
authentischen, zu Beginn ziemlich unsympathischen Rolle präsentiert
und dank eines gut durchdachten, geschickt konstruierten Drehbuchs trotz der
deprimierenden Thematik erstaunlich unterhaltsam geraten ist. Großes
Kino mit Anspruch!
Wertung: 8,5 Punkte.
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