Regie: John Strickland und Thomas Vincent, Drehbuch: Jed
Mercurio, Musik: Ruth Barrett und Ruskin Williamson
Darsteller:
Richard Madden, Keeley Hawes, Sophie Rundle, Stuart
Bowman, Nina Toussaint-White, Gina McKee, Ash Tandon, Anjli Mohindra, Vincent Franklin, Pippa
Haywood, Stephanie Hyam, Paul Ready, Shubham Saraf, Michael Shaeffer, Nicholas
Gleaves, Richard Riddell, Tom Brooke, Claire-Louise Cordwell, Chike Chan, David
Westhead
Als der Afghanistan-Veteran und aktuelle Londoner
Polizist David Budd (Richard Madden, TV-Serie "Game of Thrones") mit
seinen beiden Kindern mit dem Zug auf der Rückreise von einem Besuch bei seiner
Mutter ist, bemerkt er einen sich suspekt verhaltenden Mann orientalischen
Aussehens. Tatsächlich stellt sich heraus, daß ein Selbstmordattentat kurz
bevorsteht, doch David kann Nadia (Anjli Mohindra, TV-Serie "The Sarah
Jane Adventures"), die Ehefrau des von ihm Verdächtigten, im letzten
Moment überzeugen, sich zu ergeben. Als Belohnung für seine Heldentat wird David
zum Personenschützer der amtierenden Innenministerin Julia Montague (Keeley Hawes, TV-Serie
"Ashes to Ashes") befördert. Die ambitionierte Ministerin will den
verhinderten Anschlag nutzen, um ein deutlich verschärftes
Sicherheitsgesetz durchzudrücken, das die breite Überwachung etwa von Telefonen
und Internet erleichtern würde – was in Teilen der Bevölkerung auf heftigen Widerstand
stößt und auch parteiintern alles andere als umstritten ist, zumal Julia mit
ihrem Vorhaben ohne Absprache vorgeprescht war. Das macht die Aufgabe für
David nicht leichter, der sowieso schon mit einem von ihm verheimlichten
posttraumatischen Streßsyndrom aus seiner Zeit als Soldat zu kämpfen hat – das
auch zur Trennung von seiner Frau Vicky (Sophie Rundle, "The Midnight
Sky") führte – sowie damit, daß er nicht unbedingt ein Freund der von
Julia verfolgten Politik ist. Dann geschieht ein Anschlag auf die Ministerin …
Kritik:
Bekanntlich bespreche ich auf meinem Blog in erster Linie
Kinofilme, wie es schon der Name nahelegt. Das heißt aber keineswegs, daß
ich TV-Serien nicht mindestens ebenso schätzen würde wie Filme. Ich
rezensiere sie nur nicht sonderlich gerne, weil erstens das Anschauen
logischerweise in aller Regel deutlich mehr Zeit für eine einzige
Staffel-Rezension in Anspruch nimmt als selbst eine epische Kinoproduktion und
weil ich es zweitens schwierig finde, eine Staffel angemessen zu
rezensieren, ohne entweder zu viel zu verraten oder umgekehrt zu vage zu
bleiben. Als ich ein Rezensionsexemplar zu der sechsteiligen ersten Staffel der britischen
Thriller-Serie "Bodyguard" angeboten bekam, konnte ich trotzdem
nicht ablehnen, schließlich stammt von Serienschöpfer Jed Mercurio mit der
Polizeiserie "Line of Duty" eine der besten, spannendsten und
komplexesten britischen Serien überhaupt – außerdem hatte ich sehr wohl
mitbekommen, daß "Bodyguard" 2018 in Großbritannien ein
vieldiskutierter Straßenfeger war mit den höchsten Zuschauerzahlen seit Jahren.
Da wäre es gar nicht nötig gewesen, daß mit Keeley Hawes eine meiner
Lieblings-Seriendarstellerinnen die weibliche Hauptrolle spielt, um mich zu
überzeugen … Tatsächlich erweist sich "Bodyguard" als rasante,
wendungsreiche, in vielerlei Hinsicht unvorhersehbare, gut durchdachte
und von einer Vielzahl undurchschaubarer Figuren bevölkerte Serie, die
nur vielleicht manchmal ein bißchen zu konstruiert wirkt und ob der
Beschränkung auf sechs Episoden nicht den Tiefgang von "Line of Duty"
erreicht – aber natürlich trotzdem ein sehr lohnenswertes TV-Erlebnis ist.
Wie erwähnt, finde ich es schwierig, über horizontal
erzählte TV-Serien zu schreiben, ohne zu viel über den Handlungsverlauf zu
verraten. Um entsprechende Spoiler zu vermeiden,
werde ich im Folgenden nur auf die Pilotfolge ausführlich inhaltlich eingehen.
Dabei muß ich naturgemäß ein wenig spoilern, aber es sollte zu verschmerzen
sein. Also: Der Auftakt von "Bodyguard" ist sehr gelungen,
tatsächlich neige ich sogar dazu, die ganze Pilotfolge als den erzählerischen
Höhepunkt der Staffel einzuordnen – was keinesfalls bedeuten soll, daß der Rest erheblich schlechter wäre. Doch während ab Episode 2 Hochspannung und auch Action
dominieren, ist "Bodyguard" in der ersten Folge noch ein wunderbar
undurchschaubarer Psycho-Thriller, der die meisten der zahlreichen wichtigen
Figuren vorstellt. Im Mittelpunkt steht dabei eindeutig David, der alleine in
diesen fast 60 Minuten –
zumindest in den Augen des Publikums – eine stärkere charakterliche Wandlung durchmacht als so manche andere Serienfigur in
fünf Staffeln. Wird er uns zunächst als liebevoller Vater und guter Beobachter
präsentiert, sehen wir ihn alsdann als heroischen Polizisten, der auch wegen
seiner Erfahrungen als Ex-Soldat unter Lebensgefahr die verunsicherte Selbstmord-Kandidatin
nicht allein von ihrem Anschlag abzuhalten versucht, sondern auch ihr Leben vor
den bereitstehenden Scharfschützen der Spezialeinheit retten will. Die
Botschaft ist deutlich, so scheint es: David Budd ist ein guter Mensch, ein
guter Vater und ein herausragender Polizist, ergo ein idealer TV-Serienheld.
Nur daß es Serienschöpfer Jed Mercurio natürlich keineswegs
sich und uns so leicht macht – was niemanden, der je "Line of Duty"
gesehen hat, überraschen kann. Denn nach diesen 20 Minuten mitsamt der
Beförderung zum Personenschützer der Innenministerin als Belohnung für seine
Heldentat erleben wir den privaten David Budd, der ohne den Schutz seiner
kugelsicheren Weste ein ganz anderer Mensch ist. Aus dem gelassenen,
hochprofessionellen Polizisten wird ein unsicherer, mitunter aufbrausender
Mensch, dessen vor seinen Vorgesetzten und Kollegen verheimlichte
posttraumatische Belastungsstörung ihn seine Ehe gekostet hat. Und daß er nun
ausgerechnet die Innenministerin beschützen soll, deren konservative Ansichten
inklusive ihres Eintretens für bewaffenete Auslandseinsätze der britischen
Armee er ablehnt, könnte ihm den letzten Schubs in eine düstere Richtung versetzen. Wiewohl David streng genommen nichts wirklich
Bedrohliches sagt oder tut, schaffen es Schauspieler Richard Madden und Drehbuch-Autor Jed Mercurio, mit einfachsten Mitteln starke Zweifel an diesem eben
noch so selbstlosen und heroischen Mann zu schüren, wobei auch die stets ganz
nah an Davids Gesicht haftende Kamera eine wichtige Rolle spielt sowie die
Beleuchtung – denn wenn David im Dunklen vor seinem
Laptop sitzt und Julias Abstimmverhalten googelt, während sein Gesicht nur
durch das vom Bildschirm abstrahlende Licht beleuchtet wird, wirkt er wie ein
gefährlicher Stalker. Wenn nicht sogar wie ein zukünftiger Serienmörder,
durchaus vergleichbar mit Jamie Dornans Paul Spector aus der britischen
TV-Serie "The Fall".
David Budd wird also schnell als zumindest potentiell
hochgradig ambivalente Person etabliert (letztlich handelt es sich ja nur um
Andeutungen, die durchaus ein Stück weit manipulativ sind) – womit er sich
exzellent in ein Figurenensemble einfügt, in welchem es vor
Grautönen nur so wimmelt, wobei diese meist eher Richtung Schwarz als Weiß tendieren.
Tatsächlich würde es mich nicht wundern, wenn die Serie in Großbritannien
gerade aufgrund der ziemlich negativen bis zynischen Darstellung der meisten
Politiker so erfolgreich war, schließlich ist bei Gestalten wie Boris Johnson,
Nigel Farage, David Cameron oder auf der anderen politischen Seite auch Jeremy
Corbyn eine mehr als nur ansatzweise Politikverdrossenheit sehr
nachvollziehbar, und die bedient "Bodyguard" gekonnt. Meint man
zunächst noch, die ab Folge 2 gleichberechtigt zu David in den Fokus rückende
Julia Montague wäre auch abseits ihres kontroversen politischen Programms mit
ihren Intrigen und ihrer Machtgier die Schlimmste, wird man recht bald – dieser
Spoiler muß erlaubt sein – eines besseren (bzw. schlechteren) belehrt,
denn diese Regierung gleicht einer Schlangengrube (und die Geheimdienste treiben
parallel ihr eigenes Machtspiel). Kein Wunder, daß David das verachtet,
womit er uns dann bei aller Doppelbödigkeit doch gleich wieder etwas
sympathischer wird. Halbwegs gut kommen in "Bodyguard" höchstens ein paar Polizisten und
Davids Noch-Gattin weg … Umso bemerkenswerter ist es, wie überzeugend es
"Bodyguard" gelingt, Julia Montague trotz allem nicht unsympathisch
wirken zu lassen. Ja, sie ist intrigant und machtbesessen, gleichzeitig aber
charismatisch – und überraschenderweise scheint sie sogar aus lauteren
Motiven heraus zu handeln (Stichwort: Der Zweck heiligt die Mittel). Da wäre es
für meine Begriffe gar nicht nötig gewesen, daß sich zwischen David und Julia
romantische Gefühle entwickeln, denn dieser Nebenhandlungsstrang lenkt eigentlich eher vom
Wesentlichen ab und trägt nicht allzu viel Wesentliches zur Geschichte bei.
Womit wir wieder bei der Handlung wären. Beeindruckend ist
es zweifellos, wie penibel Jed Mercurio seine Story durchdacht und konstruiert
hat, wobei ich empfehle, besonders in der Pilotfolge aufzupassen – denn
daraus werden selbst einige vermeintliche Nebensächlichkeiten im Finale noch
einmal wichtig. Zwar schadet es dem Verständnis nicht, wenn man sich daran
nicht mehr so gut erinnert; aber wenn man es tut, ist es bemerkenswert, wie
viele Kleinigkeiten aus der ersten Folge Mercurio in Episode 6 so subtil wie
intelligent referenziert (die Stalker-Andeutungen) oder auch konterkariert
(etwa bezüglich Davids Haltung zu bestimmten Personen oder Personengruppen). Bedauerlicherweise kann die Handlung an sich nicht ganz
mithalten. Sie bleibt zwar von Anfang bis Ende spannend und voller
Überraschungen, wirkt jedoch mit einigen großen "Zufällen" (auch wenn die durchaus logisch begründet werden) recht
konstruiert und vor allem der erste Teil der Auflösung wirkt etwas billig und
nur bedingt glaubwürdig (würde der Bösewicht nicht praktischerweise alles
zugeben, dürfte es sehr schwierig werden, ihm vor Gericht etwas stichhaltig
nachzuweisen). Angesichts des rasanten Erzähltempos erhält man
glücklicherweise wenig Zeit, über die leichten dramaturgischen Schwächen
nachzudenken, sie sind aber sehr wohl vorhanden – und der Schwerpunkt auf
Suspense und die zwei Hauptfiguren sorgt dafür, daß die Verschwörungs-
und Terrorismusaspekte der Handlung relativ oberflächlich wirken. Wenig Grund zur
Klage gibt es hingegen bei der Besetzung: Vor allem Richard Madden liefert eine
glänzende Leistung ab und schafft es mit einer energetischen,
leidenschaftlichen Performance zu Davids Achterbahnfahrt der Emotionen, daß man
wirklich lange nicht sicher ist, wie man ihn einschätzen soll. Aber auch
Keeley Hawes ist als zwielichtige, jedoch nicht unsympathische Politikerin
bestens aufgelegt, ihre Julia Montague zeigt all die Chancen und Gefahren charismatischer
Politiker mit einer Agenda auf. Alle übrigen Rollen verblassen gegen das
dominante zentrale Duo, dennoch fügen sich Schauspieler wie Nina
Toussaint-White (als Ermittlerin Louise Rayburn), Gina McKee (als Anne Sampson,
Leiterin der Anti-Terroreinheit), Sophie Rundle (als Davids Noch-Gattin
Vicky), Stuart Bowman (als Geheimdienstchef Stephen Hunter-Dunn) oder Anjli
Mohindra (als Beinahe-Selbstmord-Attentäterin Nadia Ali) einwandfrei in ein
überzeugendes Ensemble ein. Ursprünglich war "Bodyguard" übrigens
wohl als Miniserie vorgesehen, wofür auch das weitestgehend abgeschlossene Ende der Geschichte spricht; aber angesichts des riesigen Erfolges befindet
sich inzwischen eine zweite Staffel in Planung.
Fazit: Die in sich abgeschlossene erste Staffel der
britischen TV-Serie "Bodyguard" beschert dem Publikum eine atemlose und
wendungsreiche politische Verschwörungs-Thrillerstory, die bei genauer
Betrachtung ein wenig oberflächlich bleibt, aber mit erstklassiger Inszenierung
und zwei tollen Hauptdarstellern durchgehend glänzend unterhält.
Wertung: 8,5 Punkte.
Die erste Staffel von "Bodyguard" ist am 19. Februar 2021 von Pandastorm Pictures auf DVD und Blu-ray erschienen. Das Bonusmaterial umfaßt neben dem Trailer eine gute Handvoll kurzer Featurettes, die allerdings nicht allzu sehr in die Tiefe gehen. Ein Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise von Glücksstern-PR zur Verfügung gestellt.
Screenshots: © Pandastorm Pictures, BBC
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