Regie: Niki Caro, Drehbuch: Rick Jaffa, Amanda Silver,
Elizabeth Martin, Lauren Hynek, Musik: Harry Gregson-Williams
Darsteller: Liu Yifei, Donnie Yen, Gong Li, Jason Scott Lee,
Jet Li, Yoson An, Tzi Ma, Rosalind Chao, Xana Tang, Ron Yuan, Yu Jun, Chen
Tang, Doua Moua, Jimmy Wong, Cheng Pei-pei, Nelson Lee, Roger Yuan, Ming Na-Wen
FSK: 12, Dauer: 115 Minuten.
Als die Mongolen um ihren skrupellosen Anführer Bori Khan (Jason Scott
Lee, "Dragon – Die Bruce Lee Story") und die mächtige Hexe Xianniang
(Gong Li, "Der Fluch der goldenen Blume") das chinesische Kaiserreich bedrohen,
befiehlt der Kaiser (Jet Li, "The Expendables 2"), daß jede Familie einen Mann für seine Armee abstellen muß. In der Familie Hua kommt dafür nur Hua Zhou (Tsi Ma, "Der stille Amerikaner") in Frage,
der zwar einst ein großer Krieger war, aber inzwischen alt ist und ein lahmes
Bein hat. Um seinen sicheren Tod zu verhindern, verkleidet sich
Zhous Tochter Mulan (Liu Yifei, "The Forbidden Kingdom") – die sich
zum Verdruß ihrer Mutter (Rosalind Chao, "Solange du da bist")
sowieso von klein auf wie ein Junge verhielt und eine talentierte Kämpferin und
Reiterin ist – kurzerhand als Mann, stiehlt Pferd und Schwert ihres Vaters und
nimmt dessen Platz in der Armee ein. Tatsächlich bemerkt niemand, daß
der gelenkige junge Mann in Wirklichkeit eine Frau ist, zumal sich Mulan unter
der Anleitung des Ausbilders Kommandant Tung (Donnie Yen, "Rogue
One") mit ihren Fähigkeiten schon bald unter ihren Kameraden hervortut. Als Bori Khan erste vernichtende Erfolge bei seiner Invasion erzielt, müssen
sich Mulan und ihre unerfahrenen Kameraden jedoch schneller als gedacht im Kampf
beweisen …
Kritik:
Es gibt Filme, bei denen hat man das Gefühl, daß sie von
vornherein unter einem schlechten Stern stehen. Manche dieser Werke mit
einer schwierigen Produktionsgeschichte schaffen es trotzdem, zu künstlerischen
und/oder kommerziellen Triumphen zu werden ("Apocalypse Now", "Titanic"),
andere bleiben konsequent und bleiben qualitativ und an der
Kinokasse hinter den Erwartungen zurück ("Lone
Ranger", "Die Piratenbraut", "Waterworld"). In Disneys langer Reihe von überwiegend erfolgreichen
Realfilm-Remakes eigener Zeichentrickklassiker lief es für die Neuinterpretation
des auf einer populären chinesischen Volkssage basierenden "Mulan"
aus dem Jahr 1998 von Anfang an nicht gut. Ein erster Versuch mit "Tiger
& Dragon"-Star Zhang Ziyi in der Titelrolle versandete 2010, als
das Projekt ab 2015 dann doch mit komplett neuem Personal verwirklicht wurde, nahmen die Nebengeräusche einfach kein Ende. Ob es um die nachvollziehbare, aber dennoch kontroverse Drehbuch-Entscheidung ging, die
Musikeinlagen, den sprechenden Drachen Mushu und generell großteils den Humor aus
dem Zeichentrickfilm ersatzlos zu streichen oder darum, aus Mulans dortigem
Love Interest Hauptmann Shang zwei komplett neue Figuren zu machen (Kommandant
Tung und Mulans vom Neuseeländer Yoson An verkörperten Mitrekruten Honghui, der die leichte romantische Komponente übernimmt) – für Diskussionen war
gesorgt. Auch abseits des Inhaltlichen gab es Kontroversen zu Genüge wie die Dreharbeiten in der Provinz Xinjiang, wo
es Umerziehungslager für die ethnische Minderheit der Uiguren gibt, oder
abschätzige Kommentare von Hauptdarstellerin Liu über die Demokratie-Bewegung
in Hongkong. Als wäre das noch nicht genug an schwerem Gepäck, schlug dann
auch noch die Corona-Pandemie zu und verhinderte den geplanten Kinostart
im Sommer 2020. Nach mehreren Verschiebungen entschied sich Disney zum
gewagten Schritt, in vielen Ländern inklusive der USA und Deutschlands ganz
auf die Kinoauswertung zu verzichten und "Mulan" stattdessen gegen
einen saftigen Aufpreis im eigenen Streamingdienst Disney+ anzubieten. Ob
sich dieses Wagnis in finanzieller Hinsicht gelohnt hat, ist nicht ganz klar.
Disney selbst behauptet, es sei so, unabhängige Experten haben daran nicht nur ob des hohen Budgets von $200 Mio. ihre Zweifel – zumal der
Film dort, wo er doch im Kino gezeigt wurde (etwa in China), weit unter den
Erwartungen sowie der Performance anderer Disney-Großproduktionen blieb.
Die insgesamt wohlwollenden Kritiken blieben eher wirkungslos, derweil die
Mundpropaganda der "normalen" Zuschauer erheblich schwächer ausfiel. Und
zwar völlig verdient: Die Neuauflage von "Mulan" ist in meinen Augen
das schwächste Disney-Remake eines Zeichentrickfilms bisher!
Dabei war die Ausgangslage doch vielversprechend:
Mit der Neuseeländerin Niki Caro ("Whale Rider") konnte Disney eine
begabte Regisseurin gewinnen, das ursprüngliche Skript von den Newcomern
Elizabeth Martin und Lauren Hynek wurde vom erfolgsverwöhnten Duo Rick Jaffa
und Amanda Silver ("Planet der Affen: Prevolution", "Jurassic
World") überarbeitet und mit Jet Li, Gong Li und Donnie Yen agieren gleich drei
Legenden des (hongkong-)chinesischen Kinos in tragenden Rollen. Was genau ging also
schief? Nunja, was nicht? Das Hauptproblem von "Mulan"
ist, daß der Film langweilig ist. Die Legende von Mulan selbst ist im
Kern ziemlich geradlinig und dadurch, daß der Realfilm die Musical-Einlagen ebenso wie die starke Humor-Komponente des Originals eliminiert hat, fällt
das umso mehr auf. Dies gilt auch für diverse Plausibilitätsmängel, die das
Verhalten der Figuren oft wenig realistisch erscheinen und gerade die Bösen
mitunter unfaßbar dämlich dastehen lassen (die Lawinen-Szene). Wobei
"unfaßbare Dämlichkeit" zumindest ein Charakterzug ist, der auffällt – etliche durchaus wichtige Figuren bleiben dermaßen blaß und unscheinbar,
daß sie über die Eigenschaft "unfaßbare Dämlichkeit" wahrscheinlich
sogar dankbar wären. Neben Mulan selbst hinterläßt eigentlich nur ihr Vater
(der aber lediglich im ersten Akt und ganz am Ende eine Rolle spielt) etwas Eindruck,
wohingegen Donnie Yen als Kommandant Tung enttäuschend wenig Profil entwickelt und anders als im Original die weiteren Rekruten weitgehend austauschbar bleiben – ja, das gilt auch für
Honghui, denn zwischen ihm und Mulan knistert es entgegen den Vorgaben des
Drehbuches gar nicht. Apropos Mulan: Yiu Lifei macht ihre Sache
zweifellos ordentlich, allerdings offenbart sie weder die schauspielerischen
Fähigkeiten noch die Ausstrahlung, die man für eine solch ikonische Rolle
erwartet – das ist sicherlich zum Teil auch dem Drehbuch geschuldet, das ihr
nicht allzu viele Möglichkeiten zum Glänzen gibt, aber ich bin mir sehr sicher,
daß jemand wie Zhang Ziyi trotzdem mehr herausgeholt hätte.
Den Bösewichten ergeht es kaum besser, wobei die von Gong Li
routiniert verkörperte Hexe wenigstens ansatzweise ambivalent gezeichnet und
damit grundsätzlich interessant ist. Das kommt jedoch kaum zum Tagen, womit sie
ebenso wenig wie Jason Scott Lees Mongolen-Anführer Bori Khan – über den wir
eigentlich nur erfahren, daß er den Tod seines Vaters durch den Kaiser rächen
will – einen auch nur halbwegs denkwürdigen Antagonisten abgeben kann. Achja,
und wenngleich es schön ist, Jet Li nach einer längeren Pause wegen
gesundheitlicher Probleme mal wieder zu sehen, ist er als Kaiser die meiste Zeit
absent und darf erst im Finale etwas Präsenz zeigen. Dumm nur, daß dieses
erschreckend kurze und antiklimaktische Finale ähnlich enttäuschend ausfällt
wie der gesamte Film. Viel Action gibt es in "Mulan" sowieso nicht: Eine Schlacht zwischen
Chinesen und Mongolen muß fast schon reichen, ansonsten gibt es nur
kleinere Scharmützel. Das ist überwiegend solide inszeniert und
choreographiert, bleibt aber deutlich hinter vergleichbaren Highlights aus dem
asiatischen Kino zurück und hat kaum Höhepunkte zu bieten (die einzige Ausnahme
ist eine akrobatische Verfolgungsjagd zu Pferde). Um auch etwas Positives
zu berichten: Wie nicht anders zu erwarten, sieht "Mulan" sehr gut aus, wenn die eindrucksvollen Bilder von Kamerafrau Mandy Walker
("Hidden Figures") auf dem heimischen TV-Bildschirm auch sicher nicht
die selbe Wirkung entfalten wie auf einer großen Kinoleinwand. Insgesamt
plätschert "Mulan" die meiste Zeit über vor sich hin, wirkt dabei
kantenfrei, uninspiriert und belanglos (manche behaupten sogar: seelenlos),
manchmal gar unfreiwillig komisch – jedenfalls fand ich den zugegebenermaßen ansprechend gestalteten Phoenix, der immer wieder in Schlüsselszenen aus dem Nichts
auftaucht und Mulan leitet, auf Dauer reichlich albern, Metapher hin und
Anspielung auf den sprechenden Drachen Mushu im Original her. Wer ein richtig
gutes Asien-Epos sehen will, der sollte sich doch lieber einen Film von John
Woo, Akira Kurosawa, Zhang Yimou oder Tsui Hark anschauen und nicht eine teure
Hollywood-Kopie (diese Lektion hätten die Studios schon mit "47
Ronin" lernen können).
Abschließend noch einige Sätze zum direkten Vergleich
zwischen Zeichentrick-Original und Realfilm-Remake: Obwohl sich beide
Interpretationen von Mulans Story stilistisch grundlegend unterscheiden,
darf man lobend anerkennen, daß das Remake dem Original in vielerlei
Hinsicht Tribut zollt. Das fängt damit an, daß jeweils Christina
Aguilera während des Abspanns singt (im Remake sogar zwei Lieder), zudem wurden
die tierischen Begleiter – die zum ernsten, betont realistischen Ton des Remakes
natürlich nicht passen – nicht komplett ignoriert. So wurde aus dem
Falken-Begleiter des Bösewichts (damals übrigens ein Hunne statt ein Mongole)
die Hexe Xianniang, die sich in einen Falken verwandeln kann; der sprechende kleine
Drache Mushu wurde zum (stummen) Phoenix und Mulans Glücksgrille wurde durch
einen naiven Rekruten namens Grille ersetzt. Jedoch erweist sich davon
lediglich die Hexe als Begleiterin des bereits im Original denkbar
uninteressanten Oberschurken als eine gute Idee, wenn sie auch – wie erwähnt –
suboptimal umgesetzt wurde. Am deutlichsten werden die qualitativen
Unterschiede in jenen Momenten, welche die Neuinterpretation ziemlich direkt
übernimmt. So besteht bei der Sequenz mit der verkniffenen Heiratsvermittlerin zu Beginn, die uns Mulan und ihre Familie näherbringen soll, ein
himmelweiter Unterhaltsamkeits-Unterschied: Während die Version des Realfilms ganz nett, aber reichlich unspektakulär und etwas in die Länge gezogen
wirkt, sprüht die Zeichentrick-Variante vor Tempo und ist mit ihren
Slapstick-Anleihen teilweise zum Brüllen komisch. Noch eklatanter sind die
Differenzen bei der Ausbildung der Rekruten: Im Remake fällt die trotz
kleinerer Humor-Einsprengsel sehr klassisch und wenig einfallsreich aus, kein
Vergleich zu tatsächlich asiatischen Genrekollegen wie "Die 36 Kammern der
Shaolin", welche vorgemacht haben, wie abwechslungsreich und unterhaltsam
man sowas gestalten kann. Der Zeichentrickfilm wählte einen
ganz anderen Ansatz, indem die komplette Ausbildung in einer Musikeinlage zum
schmissigen Song "Be a Man" abgehandelt wird, in der man
ironischerweise trotz ihrer Kürze Mulans Kameraden wesentlich näher kommt als im
Realfilm. Apropos Musik: Auch hier gewinnt das Original um Längen. Neben den
überwiegend eingängigen Songs trumpft dort nämlich Jerry Goldsmiths ("Das
Omen") variabler, phantasievoller Score auf, wogegen die Musik von
Harry Gregson-Williams ("Der Marsianer") im Realfilm eher unauffällig
bleibt. Achja, und fast hätte ich die oben erwähnte strunzdumme Lawinen-Szene vergessen
– die gibt es im Original nämlich auch, nur daß sie da absolut Sinn ergibt! Ein
paar Sachen macht derweil Niki Caros "Mulan" tatsächlich besser, so
wirkt beispielsweise die Szene, in der sich Mulans Vater trotz seines lahmen
Beins stolz meldet, seiner Pflicht auf dem Schlachtfeld nachzukommen,
erheblich glaubwürdiger. Zudem kommt Caros "Mulan" eben
erklärtermaßen viel erwachsener daher, was jenen gefallen dürfte, denen der
Zeichentrickfilm vielleicht etwas zu komödiantisch und kinderfreundlich war.
Generell bleibt es aber dabei, daß der Zeichentrickfilm von 1998 als rasantes,
einfallsreiches und ungemein witziges Fernost-Abenteuer dem realistischeren, jedoch
uninspirierten, beliebigen und von blassen Figuren bevölkerten Realfilm-Remake weit überlegen ist.
Fazit: Disneys "Mulan"-Realfilm schafft das
Kunststück, aus an sich schmackhaften Zutaten – eine gute
Besetzung, eine zeitlose, inspirierende Abenteuer-Geschichte, eine teure visuelle
Umsetzung – einen beliebigen, nur mit gutem Willen genießbaren Eintopf zu kochen.
Wertung: 5 Punkte ("Mulan" von 1998: 8
Punkte).
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