Regie: Denzel Washington, Drehbuch: August Wilson, Musik: Marcelo
Zarvos
Darsteller: Denzel Washington, Viola Davis, Jovan Adepo,
Russell Hornsby, Stephen McKinley Henderson, Mykelti Williamson, Saniyya Sidney
FSK: 6, Dauer: 139 Minuten.
Pittsburgh, zweite Hälfte der 1950er Jahre: Der Mittfünfziger
Troy Maxson (Denzel Washington, "The Equalizer") schuftet als
Müllmann, um seine Familie zu ernähren, ist aber verbittert, da er glaubt,
daß er es nur aufgrund seiner Hautfarbe nicht zum Baseball-Profi geschafft hat.
Diese Verbitterung läßt er vor allem seine Söhne spüren, speziell den
jüngeren Cory (Jovan Adepo, TV-Serie "The Leftovers"), dem ein Football-Stipendium für das College in
Aussicht gestellt wird – in Troys Augen eine Falle, da die Weißen sowieso nie
zulassen würden, daß ein schwarzer Sportler als Profi Erfolg hat. Da kann sein
Umfeld, allen voran seine Ehefrau Rose (Viola Davis, "Glaubensfrage"),
noch so sehr auf ihn einreden und ihm zu erklären versuchen, daß sich seit seiner
Baseball-Zeit einiges geändert hat und es sogar schon sehr erfolgreiche
schwarze Profi-Sportler wie Jackie Robinson gibt – Troy befiehlt, daß Cory
seine Zeit nicht weiter mit Football und Collegeplänen verschwendet und stattdessen
lieber wie er selbst eine einfache Arbeit lernt, beispielsweise Verkäufer im
Supermarkt. Unter Troys engstirnigem und großspurigen Verhalten beginnt auch
seine Ehe zunehmend zu leiden …
Kritik:
Der 2005 verstorbene August Wilson gilt als der bedeutendste
afroamerikanische Theaterautor des 20. Jahrhunderts. Im Zentrum seines Werks steht der "Pittsburgh Cycle", eine Sammlung von zehn Stücken, die jede Dekade des 20. Jahrhunderts
abdecken und die Entwicklung der gesellschaftlichen Stellung der Afroamerikaner
in den USA anhand eines kleinen, allerdings durchaus beispielhaften Ausschnitts nachzeichnen. Das die 1950er Jahre
abdeckende und mit dem Pulitzer-Preis und einem Tony (dem
"Theater-OSCAR") prämierte "Fences" steht nicht nur
zeitlich in der Mitte dieses Dezetts, sondern gilt auch qualitativ als
Höhepunkt. Das war wohl auch der Grund dafür, daß er es später in ein Drehbuch
umschrieb, das jedoch auch deshalb lange nicht verfilmt wurde, weil er auf
einem schwarzen Regisseur bestand – und so kam er erst 12 Jahre nach seinem Tod
zu seiner ersten OSCAR-Nominierung. Denzel Washington und Viola Davis wie auch
ein Großteil der übrigen Besetzung (alle, bei denen es altersmäßig
noch paßte) standen 2010 in einer gefeierten Broadway-Aufführung von
"Fences" gemeinsam auf der Bühne und da Washington sich inzwischen
auch als Regisseur versucht hat ("Antwone Fisher", "The Great
Debaters"), bot es sich an, daß er die Adaption in Szene setzt. Und das war eine
gute Entscheidung, denn wenngleich "Fences" in seiner Statik (der größte Teil der Handlung spielt sich im Garten der Maxsons ab) seine
Theater-Herkunft nie verleugnen kann (oder will), ist der Film erstklassiges
Schauspieler-Kino mit einer gesellschaftlich immer noch relevanten Thematik.
Ein bißchen hat mich "Fences" an Arthur Millers
"Tod eines Handlungsreisenden" erinnert, in dem ebenfalls ein (allerdings
weißer) Working Class-Familienvater mittleren Alters mit seinen Lebenslügen
konfrontiert wird – was übrigens auch schon sehr gelungen verfilmt wurde,
speziell Volker Schlöndorffs TV-Adaption von 1985 mit Dustin Hoffman und John
Malkovich kann ich nur empfehlen. Auch die Protagonisten der beiden Stücke,
wenngleich optisch sehr verschieden, haben etliche Gemeinsamkeiten, aber
natürlich gibt es auch Unterschiede, speziell angesichts der Rassismus-Thematik
in "Fences". Troy Maxson, der zu besonderen Anlässen stets einen schlecht sitzenden Anzug trägt, ist alles andere als eine sympathische
Hauptfigur: Zwar ist er fraglos charismatisch und ein einnehmender
Geschichtenerzähler, gleichzeitig ist er aber auch großspurig, egozentrisch,
heuchlerisch, selbstgerecht, aufbrausend, verbittert. Ein ehemaliger Schwerkrimineller,
der es – das muß man ihm lassen – nach der Verbüßung einer langjährigen Haftstrafe geschafft
hat, den Weg zurück in die Zivilgesellschaft zu finden, eine ehrliche
Arbeit anzunehmen und eine Familie zu gründen, für die er gewissenhaft sorgt.
Oder zumindest glaubt er das, in Wirklichkeit macht der "rechtschaffene
Mann" (wie er sich selbst stolz bezeichnet) allen
Familienmitgliedern das Leben mindestens schwer und zeigt ihnen gleichzeitig fast
nie seine Liebe. Seine Söhne bekommen immer nur seine Verachtung zu spüren,
woran sich der deutlich ältere Lyons (Russell Hornsby aus der TV-Serie
"Grimm") gewöhnt hat, dessen Arbeit als Musiker selbstverständlich
nicht im Geringsten Troys Zustimmung findet. Cory hingegen will sich nicht
abfinden mit dem Verhalten seines Vaters, der ihm aus seiner Perspektive das
Leben ruiniert (da er ihn nicht aufs College läßt), weshalb er irgendwann offen
die Konfrontation sucht.
Und genau in diesen konfrontativen Szenen – unaufdringlich,
aber speziell in Schlüssenszenen effektiv untermalt von Marcelo Zarvos'
("The Door in the Floor") einfühlsamer Musik – entfaltet
"Fences" seine größte Wucht, da sich die Schauspieler ausnahmslos die
Seele aus dem Leib spielen und die intelligenten Dialoge für viele Einsichten
und viel Nachdenkenswertes sorgen. Denn wenn man versucht, sich in Troy
hineinzuversetzen, dann kann man ihn ein Stück weit schon verstehen. Er ist
nun einmal ein Kind seiner Zeit, geprägt vom Rassismus, den er sein ganzes Leben
lang erfuhr (auch wenn er die Auswirkungen wohl übertreibt, wie eine Bemerkung
von Rose später im Film mehr als nur andeutet) und von der damals noch ganz
normalen – und bis heute in gewissen Kreisen nicht vollständig überwundenen –
Vorstellung, er als Mann im Haus und Alleinverdiener könne sich alles leisten,
da Rose ja "nur" Hausfrau und Mutter ist und die Kinder ohne
Gegenleistung freie Kost und Logis erhalten; aber ebenso von seinen eigenen
Eltern und seiner Kindheit, die noch viel härter und ungerechter war als das, wogegen seine Söhne rebellieren. Liebe zu zeigen sieht er nicht als Teil seiner
Aufgaben als Vater an, für ihn zählt nur, daß er seine Familie ernährt
und verhindert, daß seine Kinder das gleiche Unrecht durchleiden müssen wie er.
Das Problem an dieser Einstellung ist, daß seine Überzeugung, die
gesellschaftliche Stellung der Afroamerikaner werde sich sowieso nie
verbessern, ihn Schlüsse ziehen läßt, von denen wir aus der Perspektive des 21.
Jahrhunderts, das unter anderem den ersten afroamerikanischen US-Präsidenten
gesehen hat, wissen, daß sie einfach falsch sind. Und die Konsequenzen dieser
Fehlschlüsse sind für seine Familienmitglieder dummerweise vor allem in
emotionaler Hinsicht schwerwiegend (wobei Wilson allerdings ziemlich offen
läßt, wie stark sie sich tatsächlich negativ auf ihre weiteren Lebenswege
auswirken). Wenn Troy also behauptet, er hätte sein Bestes gegeben, dann kann man
ihm kaum eine Lüge unterstellen – ein großer Trost ist das für die
Opfer seiner Wutausbrüche und sonstigen Verfehlungen aber eher nicht …
Der Gegenpol zu Troy ist seine Frau Rose: immer freundlich
und mitfühlend, zudem mit großer Besonnenheit und Gelassenheit auf Troys
Ausfälle reagierend. Roses mäßigender Einfluß auf Troy ist unverkennbar, wenn auch klar
begrenzt. Immer wieder kann sie banale Streitigkeiten schlichten und für
Ausgleich zwischen den Streithähnen sorgen, so schwer das angesichts
Troys aufbrausenden Verhaltens auch ist. Und gerade weil Rose so voller
Empathie ist und so selbstlos auftritt, ist es umso eindrucksvoller, wenn dann selbst sie in einer atemberaubenden verbalen Konfrontation die
Geduld mit ihrem selbstgerechten Ehemann verliert. Keine Frage, die Academy hat
richtig entschieden, Viola Davis ihren ersten OSCAR zu überreichen, Denzel Washington
dagegen "nur" zu nominieren, denn wenngleich Washington die
spektakulärere Rolle hat – für die er übrigens etliche Kilos zulegte – und
diese "larger than life"-Persönlichkeit wie eine Naturgewalt ausspielt,
ist es Davis' umwerfend subtile, nuancenreiche Darstellung der Rose, die
für die größten schauspielerischen Highlights sorgt. August Wilsons Dialoge
wirken dabei vielleicht nicht immer lebensecht, sind dafür aber kraftvoll
und die Figuren sind trotzdem authentisch und vielschichtig gestaltet. Das gilt auch für
die Nebenrollen, zu denen neben den beiden Söhnen Troys bester Freund Jim
Bono (Stephen McKinley Henderson, "Manchester by the Sea") und sein als Folge einer schweren Kriegsverletzung
geistig zurückgebliebener Bruder Gabriel (Mykelti Williamson, "Forrest Gump") zählen. Interessant ist, daß sich die meisten Szenen auf drei oder vier Personen beschränken, es fällt zudem auf, daß die Brüder Lyons und Cory erst ganz zum Schluß aufeinandertreffen. Durch diese strenge Abgrenzung der einzelnen Sequenzen bleibt "Fences" dem Mangel an Themen- und Schauplatzvielfalt zum Trotz recht abwechslungreich, weil man immer wieder neue Konstellationen kennenlernt, die einem stets neue Facetten der einzelnen Charaktere begreifbar machen. Ein
Element von Wilsons Stück, das in der deutschen Synchronfassung zwangsläufig
weitestgehend verlorengeht, ist derweil die Sprache, denn Wilson legte in
seinem "Pittsburgh Cycle" Wert darauf, auch die Entwicklung der
Sprache der Afroamerikaner zu schildern. Davon ist in der deutschen Fassung
kaum mehr übriggeblieben als Troys Gewohnheit, andere Schwarze als
"Nigger" zu bezeichnen, ohne daß es irgendjemanden großartig zu stören
scheint (nur Rose äußert einmal dezentes Mißfallen) … Aufgrund seiner betonten
Theaterhaftigkeit und des wenig sympathischen Protagonisten ist "Fences" bestimmt kein einfacher Film, sicher
hätte er auch ein wenig gekürzt werden können. Trotzdem ist Denzel Washington
ein intensives, phasenweise ungemein bewegendes Drama gelungen.
Fazit: "Fences" ist eine recht spartanisch
umgesetzte, aber sehr effektive Theateradaption, ein emotionales Familiendrama, das
von einsichtsreichen Dialogen und dem exzellenten Ensemble lebt.
Wertung: Knapp 8 Punkte.
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