Regie und Drehbuch: Daniel Scheinert und Daniel Kwan, Musik:
Andy Hull, Robert McDowell
Darsteller:
Paul Dano, Daniel Radcliffe, Mary Elizabeth Winstead, Antonia Ribero, Andy Hull, Richard
Gross, Timothy Eulich, Aaron Marshall, Marika Casteel, Shane Carruth
FSK: 12, Dauer: 97 Minuten.
Hank (Paul Dano, "Ewige Jugend"), einsamer Schiffbrüchiger
auf einer Insel, ist gerade dabei,
sich selbst zu erhängen, als er am Strand einen leblosen Körper (Daniel
Radcliffe, "Die Frau in Schwarz") entdeckt. Dummerweise ist der nicht
nur leblos, sondern mausetot, wenngleich er noch, ähm, Geräusche von sich gibt,
da die Gase aus seinem verwesenden Körper entweichen. In seiner Einsamkeit
und Verzweiflung reicht das für Hank völlig aus, um ihm so etwas wie Hoffnung
zu geben. Die Selbstmordgedanken sind zunächst einmal ad acta gelegt, zumal
Hank schnell feststellt, daß sich die fröhlich vor sich hinpupsende Leiche sehr
vielseitig einsetzen läßt, beinahe wie ein menschliches Schweizer
Offiziersmesser. So schleppt Hank die Leiche mühsam überall mit sich hin – die fängt dann auch noch an, mit Hank zu sprechen und stellt sich als Manny
vor …
Kritik:
Als "Swiss Army Man" im Januar 2016 auf dem Sundance Film Festival seine Weltpremiere feierte, verließen nicht wenige
Zuschauer nach wenigen Minuten angewidert die Vorstellung. Das finde ich zwar ein bißchen übertrieben, aber ein Stück weit kann ich es nachvollziehen.
Immerhin wird alleine in der ersten Viertelstunde schätzungsweise in etwa so oft
und ausgiebig gefurzt wie in fünf Adam Sandler-Komödien zusammen – und das will was heißen! Andererseits kann man aber bereits in dieser frühen Phase
erkennen, daß gewaltige Unterschiede zwischen typischen, anspruchslosen Hollywood-"Lowbrow"-Komödien und "Swiss Army
Man" bestehen, denn hier ist das Ganze so übertrieben und charmant-skurril
in Szene gesetzt – zudem mit wirklich amüsanten Toneffekten –, daß das Groteske
der Handlung früh verdeutlicht wird, die mit der unweigerlichen Frage des Publikums spielt, ob Hank phantasiert oder das alles wider jede Wahrscheinlichkeit doch tatsächlich geschieht. Und glücklicherweise läßt das mit dem
Gepupse dann auch deutlich nach, sobald Leiche Manny zu sprechen beginnt …
Ja, Manny ist wirklich talentiert für einen Leichnam, das
muß man neidlos anerkennen. Im Lauf der eineinhalb Stunden nutzt Hank ihn unter
anderem als Jetski mit patentiertem Pups-Motor, als hygienisch vollkommen
unbedenklichen Wasserspender, als Kompaß (mittels eines, ähem, hervorstechenden
Körperteils), als Schußwaffe sowie – eine herrlich absurde Szene! – als Axt. Seien wir ehrlich: Es gibt lebende
Menschen, die sind weitaus weniger nützlich als dieses Leichnam gewordene
Schweizer Taschenmesser! Doch obwohl die unkonventionelle Bromance zwischen Hank und
Manny für zahlreiche amüsante Momente sorgt und Mannys selbstbewußt immer
übertriebener und unglaubwürdiger inszenierte Verwendung als
Allzweck-Werkzeug auch als Folge der einfallsreichen akustischen und visuellen
Umsetzung etliche Lacher generiert, ist "Swiss Army Man" keine reine
Komödie, sondern eher eine tragikomische Groteske. Natürlich sind sowohl
Hank als auch Manny bedauernswerte Gestalten. Bei Manny ist das Hauptproblem
offensichtlich (er ist tot), bei Hank ist die Sache vielschichtiger. Da Hank
seinen neuen besten Freund – der unter Amnesie leidet und dem deshalb selbst
elementare Züge des Menschseins erklärt werden müssen – auch als eine Art
Psychiater mißbraucht, erfahren wir nach und nach einiges über sein früheres
Leben. Und das war auch nicht viel weniger einsam als es jetzt nach seinem
Schiffbruch der Fall ist.
Tatsächlich entwickeln sich durch Mannys naive Fragen
und Hanks Versuche, seinem Freund das Menschsein zu erklären, mitunter erstaunlich
tiefgehende, beinahe schon philosophisch zu nennende Diskussionen, zudem wird Hank
auf diese Weise dazu gezwungen, sein eigenes Verhalten in der Zivilisation
kritisch zu reflektieren. Da ist es dann auch passend, daß Mannys Herz durch
Liebe wieder zum Schlagen gebracht wird – als er auf Hanks nutzlosem Handy das
Foto einer schönen jungen Frau (Mary Elizabeth Winstead, "10 Cloverfield Lane") erblickt, läßt der ihn im Glauben, daß sie Mannys Freundin ist –,
die Emotionen gleichzeitig aber auch seine unglaublichen Fähigkeiten beeinträchtigen. Ganz ähnlich erging es Hank stets, besonders in Liebesdingen war er immer eine
Niete und ganz generell hatte er so seine Probleme, sich den Zwängen und Konventionen der
Zivilisation anzupassen. Alles in allem hält das Regieduo Kwan und
Scheinert gekonnt die Balance zwischen komischen und ernsten Szenen, wenngleich sich die aberwitzige Prämisse der Story im Verlauf doch etwas abnutzt und
der groteske Humor im letzten Filmdrittel für meinen Geschmack zu kurz
kommt – dafür mündet jedoch alles in ein für diesen unangepaßten Film wunderbar passendes, beinahe
märchenhaftes Finale.
Großes Lob gebührt den Hauptdarstellern Paul Dano und Daniel Radcliffe, die das (über weite Strecken) Zwei-Personen-Stück bravourös auf ihren doch eher schmalen Schultern tragen und ihre zwischen tragischen und komischen Extremen wechselnden, in eine betont unrealistische Handlung eingebetteten Rollen bemerkenswert authentisch darstellen. Vor allem Radcliffe zeigt sich absolut unerschrocken, dafür beeindruckt Dano damit, daß er immer wieder Hanks große Verletzlichkeit durchscheinen läßt. Beide singen auch (u.a. das "Jurassic Park"-Theme), womit wir bei einer weiteren großen Stärke des Films wären: Die Absurdität von "Swiss Army Man" wird perfekt unterstrichen durch die a cappella-lastigen und ungewöhnlichen, mal verträumten, mal verspielten, aber immer irgendwie schrägen und emotionalen Songs von Robert McDowell und Andy Hull, zwei Mitgliedern der amerikanischen Indierock-Band "Manchester Orchestra". "Swiss Army Man" ist nicht perfekt und bedient ganz bestimmt nicht den Mainstream-Markt, aber wer auf der Suche nach etwas Besonderem ist, der sollte dem Film von Daniel Kwan und Daniel Scheinert definitiv eine Chance geben!
Großes Lob gebührt den Hauptdarstellern Paul Dano und Daniel Radcliffe, die das (über weite Strecken) Zwei-Personen-Stück bravourös auf ihren doch eher schmalen Schultern tragen und ihre zwischen tragischen und komischen Extremen wechselnden, in eine betont unrealistische Handlung eingebetteten Rollen bemerkenswert authentisch darstellen. Vor allem Radcliffe zeigt sich absolut unerschrocken, dafür beeindruckt Dano damit, daß er immer wieder Hanks große Verletzlichkeit durchscheinen läßt. Beide singen auch (u.a. das "Jurassic Park"-Theme), womit wir bei einer weiteren großen Stärke des Films wären: Die Absurdität von "Swiss Army Man" wird perfekt unterstrichen durch die a cappella-lastigen und ungewöhnlichen, mal verträumten, mal verspielten, aber immer irgendwie schrägen und emotionalen Songs von Robert McDowell und Andy Hull, zwei Mitgliedern der amerikanischen Indierock-Band "Manchester Orchestra". "Swiss Army Man" ist nicht perfekt und bedient ganz bestimmt nicht den Mainstream-Markt, aber wer auf der Suche nach etwas Besonderem ist, der sollte dem Film von Daniel Kwan und Daniel Scheinert definitiv eine Chance geben!
Fazit: "Swiss Army Man" ist eine schrullige, tragikomische
und sehr originelle Groteske über die wundersame Freundschaft zwischen einem
Mann und einer Leiche (sowas schreibt man auch nicht jeden Tag …).
Wertung: 7,5 Punkte.
"Swiss Army Man" ist von capelight pictures ab sofort auf DVD und Blu-ray erhältlich (sowie als "Limited Collector's Edition", die neben DVD und Blu-ray noch den exzellenten Soundtrack auf CD enthält), mir wurde freundlicherweise eine Rezensionsmöglichkeit zur Verfügung gestellt.
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