Regie: David Mackenzie, Drehbuch: Taylor Sheridan, Musik:
Nick Cave und Warren Ellis
Darsteller: Chris Pine, Ben Foster, Jeff Bridges, Gil
Birmingham, Katy Mixon, Marin Ireland, John-Paul Howard, Dale Dickey, Buck Taylor, Kevin Rankin,
Alma Sisneros, Margaret Bowman, Kevin Wiggins, Amber Midthunder, Taylor Sheridan
FSK: 12, Dauer: 102 Minuten.
West-Texas ist eine jener ländlichen Gegenden im Kernland der USA, die besonders stark von den Folgen der globalen Wirtschafts-
und Finanzkrise ab 2007 betroffen sind: Die Industrie liegt brach, mit Landwirtschaft
läßt sich auch nicht mehr viel verdienen, viele Einwohner sind hoch verschuldet und fühlen
sich von den Banken betrogen. So auch die Brüder Toby (Chris Pine, "Star Trek Beyond") und Tanner Howard (Ben Foster, "Warcraft"), die
kurz davor stehen, die Familienfarm an die Bank zu verlieren. Doch das wollen
sie sich nicht bieten lassen und so überfallen sie die lokalen Filialen der
betreffenden Bank, um mit der Beute dann die Hypothek begleichen zu können.
Obwohl die ungleichen Brüder – Toby ist eigentlich ein netter Kerl, der
niemandem schaden will, Tanner dagegen ein echter Krimineller, der ein
Viertel seines Lebens hinter Gittern verbracht hat – Anfängerfehler begehen,
funktioniert ihr Plan ganz gut. Doch dann setzt sich der kurz vor dem Ruhestand
stehende Texas Ranger Marcus Hamilton (Jeff Bridges, "True Grit") mit
seinem etwas jüngeren Partner Alberto Parker (Gil Birmingham, "Lone Ranger") auf
ihre Spur …
Kritik:
Deutsche Verleihfirmen waren ja bis vor ein paar
Jahren absolute Meister der manchmal mehr, oft deutlich weniger sinnvollen Untertitel. Im Zeitalter des Internets und der Social Networks hat
das klar nachgelassen, weil viele Kinointeressierte sich früh speziell über englischsprachige Filme informieren und sich dabei an den Originaltitel
gewöhnen, womit der erklärende Mehrwert eines deutschen Untertitels vielen
Verleihern überflüssig scheint. Manchmal ist das ein bißchen bedauerlich, bei
David Mackenzies ("Hallam Foe", "Perfect Sense")
Neo-Western "Hell or High Water" etwa würde sich der
Untertitel "Warum Donald Trump US-Präsident werden
konnte" geradezu anbieten. Natürlich geht es darum nicht vordergründig in
dieser eigentlich ziemlich klassischen Bankräuber-Geschichte, die Assoziationen
mit "Bonnie & Clyde" oder "Thelma & Louise" ebenso
weckt wie mit "No Country for Old Men" und dem Humphrey
Bogart-Klassiker "Entscheidung in der Sierra" von Raoul Walsh und in
der Politiker – soweit ich mich erinnere – nicht einmal erwähnt werden. Die Beschreibung der Lebensumstände der ärmlichen ländlichen Region, die
sich infolge der großen Wirtschaftskrise nicht zu Unrecht von der Gesellschaft
im Stich gelassen fühlt, zeigt jedoch gekonnt das Fundament auf, auf dem die
populistischen Anti-Establishment-Parolen eines Donald Trump leicht aufbauen konnten.
Die Vermischung des Neo-Western-Kerns mit Thriller- und
Wirtschaftsfilmelementen, ergänzt um einen – passend zur von den verfallenden Resten der Industrie geprägten Landschaft –
staubtrockenen Humor macht "Hell or High Water" (dessen Titel der Redewendung "Come Hell or High Water" entlehnt ist, der poetischeren englischsprachigen Version von "Komme, was wolle") zum besonderen
Erlebnis, auch wenn sich die Originalität der Story wie auch des
Handlungsverlaufs in Grenzen hält.
Es ist schon ein bißchen kurios, daß mit David Mackenzie
ausgerechnet ein Brite eine durch und durch amerikanische Geschichte verfilmt. Allerdings
wird das dadurch kompensiert, daß das Drehbuch von einem waschechten Texaner
stammt: Der Ex-Schauspieler Taylor Sheridan (der hier eine kleine
Gastrolle als Cowboy übernimmt, der den Weg der beiden Texas Ranger kreuzt)
beweist nach seinem brillanten und OSCAR-nominierten "Sicario"-Debüt
erneut, daß er quasi aus dem Nichts zu einem der besten Autoren in Hollywood
avanciert ist. Zwar sind die Figuren etwas stereotyper und weniger
vielschichtig angesetzt als in "Sicario", funktionieren im
Zusammenspiel dennoch hervorragend; mehr Zeit wendet Sheridan diesmal für
die Skizzierung der Umgebung auf und es gelingt ihm, dem
Publikum mit Anekdoten und präzise beobachteten Details den desolaten
Zustand dieser scheinbar weltvergessenen Region im Herzen Amerikas
nahezubringen. Das verbindet er gerne mit trockenem bis bösem Humor,
wenn etwa ein alter Mann, der beim ersten Banküberfall der Howard-Brüder
zufällig anwesend ist, empört fragt: "Ihr raubt die Bank aus? Aber ihr
seid doch nicht mal Mexikaner!" oder wenn die Tanners lernen müssen, daß
Banküberfälle in einem Bundesstaat, in dem gefühlt jeder mit mindestens einer
Pistole rumläuft, gar nicht so ungefährlich sind … Gelegentlich bringt Sheridan
auch harmlos witzige Szenen ein, beispielsweise lernen wir die vermutlich
furchteinflößendste Bedienung der Filmgeschichte kennen (wunderbar knorrig
verkörpert von Margaret Bowman, die auch in "No Country for Old Men" eine kleine Rolle spielte), aber im Allgemeinen herrscht eher resignierter
Galgenhumor vor. Selbst Texas Ranger Marcus macht da keine Ausnahme, der sich
aufrichtig über die mexikanisch-indianische Herkunft seines nur leicht genervten
Partners Alberto freut, weil er ihn so gleich in zweifacher Hinsicht (relativ
liebevoll) rassistisch beleidigen kann …
Alberto, eine sehr erfrischende Figur, weiß das jedoch
meist mit Gelassenheit zu nehmen und ist zudem immer für einen Konter gut, der
manchmal fast schon philosophisch gerät. Wie er einmal treffend bemerkt: Vor
150 Jahren wurde genau dieses Land in Texas den Indianern von den Weißen
weggenommen – jetzt wird es deren Nachfahren von den Banken weggenommen. Darauf
fällt selbst dem sonst so schlagfertigen Marcus keine Entgegnung mehr ein. Die
beiden eigentlichen Protagonisten, erfreulich nuanciert porträtiert von Chris Pine und
Ben Foster, fallen derweil vor allem durch ihre Verschiedenheit auf. Während Toby
eigentlich ein guter Kerl ist, der niemandem wehtun will, stets rational und
vorsichtig vorgeht und nur aus seiner finanziellen Not und der Sorge um
seine bei der Mutter lebenden beiden Söhne heraus zum Bankräuber wird, ist sein
älterer Bruder Tanner ein brutaler Hitzkopf, dem es schlicht und ergreifend
Spaß macht, Banken auszurauben und Menschen zu verletzen. Diese Kombination
sorgt für ambivalente Gefühle beim Publikum: Während man dem sympathischen Toby
durchaus die Daumen drückt – um so mehr, je mehr man über ihn und seine
Situation erfährt –, ruft Tanner eher Abscheu hervor und erinnert daran, daß
die beiden nunmal unbestreitbar schwere Verbrechen begehen. Das kann eigentlich nicht gut enden, was Tanner im Gegensatz zu Toby vollkommen bewußt ist (und
vermutlich zu seinem sorglosen Vorgehen beiträgt, das seinen bedächtigeren Bruder
immer wieder auf die Palme bringt). Weil Sheridan das alles so gut und mit
treffenden Dialogen geschrieben hat und Mackenzie es so effektiv und atmosphärisch in Szene gesetzt hat, kann man "Hell or High Water" auch verzeihen, daß die Story sich nicht allzu ideenreich präsentiert und (ganz anders als bei "Sicario") relativ geradlinig ihrem scheinbar
unvermeidlichen Ende entgegenstrebt. In diesem Fall ist die Handlung
tatsächlich mal nur zweitrangig, wichtiger sind die Figuren und die Region sowie die
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umstände, die ein überzeugendes
Gesamtbild der ländlichen Gegenden in den Kernlanden der USA in den 2010er Jahren ergeben – musikalisch stimmungsvoll untermalt von den bedächtigen, sehnsuchtsvollen Klängen von Nick Cave
und Warren Ellis ("Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford") und einer gelungenen Auswahl von Country- und Bluesrock-Songs.
Fazit: "Hell or High Water" ist ein
grimmiger Neo-Western mit einer exzellenten Besetzung und einem starken
Drehbuch, das ein beklemmend realistisches Bild der ländlichen Regionen der USA
nach der großen Wirtschaftskrise zeichnet.
Wertung: Gut 8 Punkte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen