Regie: Fede
Alvarez, Drehbuch: Rodo Sayagues und Fede Alvarez, Musik: Roque Baños
Darsteller: Jane Levy, Dylan Minnette, Daniel Zovatto,
Stephen Lang, Franciska Töröcsik
FSK: 16, Dauer: 89 Minuten.
Drei noch kaum erwachsene Kleinkriminelle machen die
heruntergekommeneren Viertel der von der Wirtschaftskrise und dem Strukturwandel
hart getroffenen Großstadt Detroit mit Einbrüchen unsicher. Dem Großmaul Money (Daniel Zovatto,
"It Follows") geht es einfach ums Geld, der attraktiven Rocky (Jane
Levy, "Evil Dead") zwar ebenfalls, jedoch mit einer deutlich edleren
Motivation: Sie braucht genügend Geld, um endlich mit ihrer kleinen Schwester
aus dem Haus der gewalttätigen Säufer-Mutter in ein besseres Leben abzuhauen.
Und der smarte Alex (Dylan Minnette, "Prisoners") macht nur mit, weil er heimlich in Rocky verliebt ist. Ihr Vorgehen ist ziemlich
risikolos: Da Moneys Vater einen Sicherheitsdienst betreibt, besorgt sein Sohn
die Alarmanlagen-Codes wohlhabender Kunden, sodaß das Trio unbemerkt
einbrechen und wieder abhauen kann. Allerdings kommt dabei letztlich nur
Kleingeld heraus, was Money und Rocky, die beide raus aus Detroit wollen, nicht
mehr reicht. Als Money von einem blinden Vietnam-Veteranen (Stephen Lang,
"Avatar") erfährt, der nach dem Unfalltod seiner Tochter eine hohe
Schadensersatzzahlung erhielt und wie ein Einsiedler in einem baufälligen Haus
in einem von fast allen einstigen Bewohnern verlassenen Viertel wohnt, soll das
– trotz Alex' Einwänden – ihr großer Coup werden, nach dem sie (mehr oder
weniger) ehrbare Bürger werden können …
Kritik:
Nun ist es endgültig klar: Der Uruguayer Fede Alvarez ist einer
der vielversprechendsten jungen Genreregisseure. Denn nach dem geglückten
englischsprachigen Debüt mit dem "Evil Dead"-Reboot legt er mit
dem Home Invasion-Thriller "Don't Breathe" qualitativ sogar noch eine
kleine Schippe drauf und beweist zudem seine Vielseitigkeit. Denn nachdem
"Evil Dead" ein wahres Splatterfest war, das in den deutschen
Kinos zwar noch in seiner vollen blutgetränkten Pracht gezeigt werden durfte, bei
der Heimkinoauswertung dann jedoch in der ungeschnittenen Version indiziert wurde,
fließt in "Don't Breathe" das Blut nur noch tröpfchenweise. Alvarez zufolge übrigens eine sehr bewußte Entscheidung, denn nachdem die Gewaltexzesse
in "Evil Dead" selbst manchen Genrefans am Ende doch fast zu viel waren,
wollte er in seinem nächsten Film mehr auf atemlose Spannung anstelle von
beinahe comicartig übertriebener Gewalt setzen. Dieses Vorhaben ist ihm
ausgezeichnet gelungen, denn trotz der simplen Prämisse hält "Don't
Breathe" die Spannung fast von der ersten bis zur letzten Minute hoch.
Die Variationsmöglichkeiten im Subgenre der Home
Invasion-Thriller sind naturgemäß limitiert – vor allem, wenn man eine gewisse
Glaubwürdigkeit bewahren will. "Don't Breathe" hat letztlich auch
nichts wirklich Neues zu bieten, mischt bekannte, noch nicht im Übermaß
ausgereizte Ideen aber gekonnt durcheinander. Am ehesten als
Alleinstellungsmerkmal taugt natürlich die Blindheit des Hausbesitzers – zwar,
wie gesagt, auch keine ganz neue Idee, da bereits 1967 in dem relativ unbekannten,
aber sehr guten Psycho-Thriller "Warte, bis es dunkel ist" Audrey
Hepburn ein blindes Einbruchsopfer spielte (und
sogar eine OSCAR-Nominierung erhielt). Der große Unterschied: In "Warte,
bis es dunkel ist" war Audrey Hepburn die Identifikationsfigur, das
unschuldige Opfer, mit dem man ganz selbstverständlich mitfiebert – in
"Don't Breathe" dagegen verspielt der Hausbesitzer jegliche
Sympathien schnell mit seinem brutalen Vorgehen gegen die jugendlichen
Einbrecher, zumal Stephen Lang mit seiner intensiven Darbietung voller
Schnaufen und Stöhnen in seiner Rolle fast an Gollum aus "Der Herr der
Ringe" erinnert! Die von Jane Levy, Dylan Minnette und Daniel Zovatto
ebenso überzeugend verkörperten Einbrecher wiederum werden in der wenig
überraschend verlaufenden ersten halben Stunde zwar auch nur bedingt
sympathisch gezeichnet, wachsen einem dann aber trotz ihrer kriminellen Ader
recht schnell ans Herz, als sie zu Gejagten werden – ganz im Gegensatz zum
psychopathischen "Warte, bis es dunkel ist"-Bösewicht (den übrigens
Alan Arkin verkörperte). In gewisser Weise ist "Don't Breathe" also
die Antithese zu "Warte, bis es dunkel ist" – richtig originell ist
das nicht (zumal ebenfalls Versatzstücke aus Werken wie "Panic Room",
"10 Cloverfield Lane" oder "You're Next" Anwendung finden),
dafür aber ziemlich clever.
Die üblichen Genretropen kommen in "Don't Breathe" fast alle vor, werden jedoch ebenfalls inhaltlich und formal geschickt
variiert. Ein gutes Beispiel dafür ist das Haus des Blinden, das nicht –
wie sonst so oft in Filmen dieser Art – irgendwo weit abgelegen positioniert
ist, sondern inmitten vieler anderer Häuser. Nur daß die infolge der
Wirtschaftskrise (die ja letztlich auch die Motivation für die Einbrecher
liefert) und des für die einst blühende Metropole so verheerenden
Strukturwandels inzwischen allesamt leer stehen – wie es auch in der
amerikanischen Realität des Jahres 2016 vorkommt. Der Schauplatz ist also (obwohl
ironischerweise größtenteils in Ungarn gedreht wurde) deutlich glaubwürdiger
als bei vielen anderen Genrevertretern, engt die Optionen der Filmemacher aber
trotzdem nicht ein. In anderen Worten: Der blinde Mann und die drei
Jugendlichen können so viel Krach machen, wie sie wollen, ohne daß irgendjemand
die Polizei rufen würde … Auch die Heruntergekommenheit des Hauses wirkt
angesichts des eher deprimierenden Settings absolut natürlich und wird von Fede Alvarez
ausgenutzt, um Türen und Bodendiehlen nach Herzenslust quietschen und knarren
zu lassen. Wobei das hier nicht nur für die obligatorische Gruselstimmung sorgt
(auf billige Jump Scares verzichtet Alvarez zum Glück mit einer Ausnahme),
sondern angesichts des geschärften Hörsinns des Besitzers zusätzliche
Bedeutung bekommt. Nicht sehr subtil, aber raffiniert: Bei der ersten Erkundung des Hauses durch die
noch unentdeckten Einbrecher präsentiert der Regisseur dem Publikum nebenbei
schon mal all die echten und improvisierten Waffen, die in der folgenden
Stunde zum Einsatz kommen werden. Gelungen ist auch der Einsatz des
Hundes des blinden Mannes: Während Hunde in Horrorfilmen ja meist früh "entsorgt" werden, spielt das "Don't Breathe"-Exemplar fast
eine weitere Hauptrolle und wird dabei wirklich gut und sinnvoll eingesetzt –
zumindest wenn man es mit der Logik nicht immer ganz genau nimmt.
Apropos Logik: Manchen Zuschauer wird sicherlich stören, daß
unser Antihelden-Trio gleich mehrfach Chancen ungenutzt läßt, den blinden Mann außer
Gefecht zu setzen. Doch wenn man sich einmal in die Lage der drei kaum erwachsenen
Straftäter versetzt, dann kann man ihre Handlungsweise durchaus nachvollziehen.
Denn auch wenn es selbstverständlich logisch wäre, in solch einer Situation die Konfrontation zu suchen,
solange man noch im Vorteil ist, ist es fraglos einfacher, diese zu scheuen
und stattdessen lieber zu versuchen, wegzurennen. Kurzsichtiges Vorgehen ist
beim Menschen eben erwiesenermaßen nur allzu realistisch. Und ganz pragmatisch
gedacht: Der Film wäre ziemlich langweilig, wenn der Hausbesitzer gleich zu Beginn
K.O. ginge … Von Langeweile ist "Don't Breathe" jedoch zum Glück weit
entfernt, dafür sorgt Alvarez mit ein paar unerwarteten Wendungen und
einigen effektiven inszenatorischen Ideen (beispielsweise sehen wir in einer
Passage durch einen Nachtsichtfilter, wie Rocky und Co. durch völlige
Dunkelheit stolpern, den dadurch nicht beeinträchtigten blinden Mann auf den
Fersen), stets unterstützt von der vergleichsweise konventionellen, aber
stimmungsvollen Musik des Genreexperten Roque Baños ("Der
Maschinist"). Mal sehen, womit uns Fede Alvarez als Nächstes erfreuen wird
…
Fazit: "Don't Breathe" ist ein kleiner, aber
in seiner gewollten Reduziertheit raffiniert gestrickter Home Invasion-Reißer mit starken Darstellern
und guten Ideen.
Wertung: 8 Punkte.
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