Regie: Scott Derrickson, Drehbuch: Jon Spaihts, C. Robert
Cargill, Scott Derrickson, Musik: Michael Giacchino
Darsteller: Benedict Cumberbatch, Tilda Swinton, Chiwetel
Ejiofor, Mads Mikkelsen, Rachel McAdams, Benedict Wong, Scott Adkins, Michael
Stuhlbarg, Benjamin Bratt, Katrina Durden, Topo Wresniwiro, Stan Lee, Chris
Hemsworth
Stephen Strange (Benedict Cumberbatch, "The Imitation Game") ist ein brillanter Neurochirurg – dummerweise weiß er das
auch, weshalb er gleichzeitig ein zwar charismatischer, jedoch selbstverliebter
und herablassender Mistkerl (um vulgärere Ausdrücke zu vermeiden) ist. Genau
deshalb steht Stephen ziemlich einsam da, als er nach einem fatalen Autounfall
mit kaputten Händen dasteht, trotz aller Heilungsversuche
nicht weiterhin als Arzt praktizieren kann und in seinem Selbstmitleid selbst
seine einzige wirkliche Freundin (und Ex-Freundin) Dr. Christine Palmer (Rachel McAdams,
"Spotlight") vergrault. Als letzte Hoffnung macht er sich nach dem
Tip eines auf wundersame Weise Geheilten auf nach Tibet, wo er tatsächlich
fündig wird bei einer geheimen Organisation, die von der Ältesten (Tilda
Swinton, "Snowpiercer") angeführt wird – einer waschechten Magierin!
Die weigert sich zunächst, Stephen aufzunehmen, da dessen Art sie an einen
anderen Schüler, Kaecilius (Mads Mikkelsen, "The Salvation"), erinnert, der sie verraten hat und
nun einem fast allmächtigen außerirdischen Wesen namens Dormammu dabei helfen will,
die Erde zu erobern und die Menschheit zu vernichten. Meister Mordo (Chiwetel
Ejiofor, "12 Years a Slave") überzeugt die Älteste jedoch davon, daß
gerade angesichts dieser gigantischen Bedrohung ein offensichtliches
Magie-Naturtalent wie Dr. Strange ein hilfreicher Verbündeter sein könnte …
Kritik:
Es ist schon erstaunlich, wie Marvel für sein Cinematic
Universe immer wieder unbekannte oder bis dahin nur wenig renommierte
Regisseure anheuert, die dann ziemlich zuverlässig die beste Arbeit ihrer
Karriere hinlegen. Ob das nun an einem ausgesprochen feinen Gespür des
Marvel-Masterminds Kevin Feige für die richtigen Leute für jeden Stoff liegt
oder doch eher daran, daß die jeweiligen Regisseure aufgrund der klaren
Vorgaben "von oben" – überspitzt formuliert – gar nicht mehr viel
verhunzen können, läßt sich von außen schwer beurteilen. Daß bereits mehrere
Filmemacher von ihren Projekten wieder absprangen (allen voran Edgar Wright bei
"Ant-Man") spricht eher für letztere These, aber solange die
Resultate stimmen – wie bislang eigentlich immer – kann das dem
Publikum ziemlich gleichgültig sein. Als jedoch mit Scott Derrickson ausgerechnet ein
Mann für die Einführung des neuen Superhelden Dr. Strange engagiert wurde, der
sich einen Ruf als Regisseur mittelmäßiger Horrorfilme wie "Der Exorzismus von Emily Rose", "Sinister" oder "Erlöse uns von dem
Bösen" (zuzüglich eines schwachen Remakes des SF-Klassikers
"Der Tag, an dem die Erde stillstand") einen eher zweifelhaften Namen
machte, da war ich trotz der bisherigen Marvel-Erfolgsbilanz sehr skeptisch. Zu
Unrecht, wie sich nun zeigt, denn Derricksons "Doctor Strange" ist
einer der unterhaltsamsten MCU-Filme geworden und kämpft mit Jon Favreaus
"Iron Man" sogar um die Stellung als bester erster Film eines
Marvel-Helden bislang!
Im Vorfeld wurde von den Machern wiederholt betont, daß
"Doctor Strange" eher in die Horror-Richtung gehen würde, wozu ja
auch die Wahl des Regisseurs zu passen schien. Von Horror oder selbst mildem
Grusel kann jedoch kaum die Rede sein; zwar ist "Doctor Strange" in
der Tat etwas düsterer geraten als viele MCU-Kollegen, von der schwermütigen
DC-Konkurrenz um "Batman v Superman" ist das aber meilenweit entfernt und
eher als Fantasyfilm einzuordnen. Mag die Geschichte von Dr. Strange auch
in der Gegenwert spielen, so sind die phantastischen Elemente doch nicht
nur durch die zahlreichen Zaubersprüche dominant, sondern auch durch diverse
Zeit- und Dimensionsspielereien. Was deren Logik anbelangt, so sollte man
vermutlich nicht allzu genau darüber nachgrübeln (ich habe es jedenfalls
erfolgreich vermieden …) und der Erfolg von Stephens finalem Schachzug im Kampf
gegen Dormammu erscheint mir reichlich unglaubwürdig, aber eines läßt sich
nicht leugnen: Mann, sieht das alles wunderbar abgefahren aus! Bei der
visuellen Umsetzung der Magie wie auch der unterschiedlichen Dimensionen
geht "Doctor Strange" aufs Ganze und liefert einen regelrechten Rausch
aus Farben und Formen ab, der absolut revolutionär für die Welt des Kinos wäre;
wenn, ja wenn es nicht bereits Christopher Nolans "Inception" gäbe …
So ist das, was "Doctor Strange" in weitgehend makellosem 3D bietet,
"nur" spektakulär; Grund zur Klage ist das natürlich nicht.
Einen Schwachpunkt gibt es bei den Spezialeffekten allerdings doch: bei wenigen
Szenen, deren Umsetzung selbst für die besten Stuntleute physikalisch unmöglich
wäre, erkennt man recht deutlich, daß die Figuren computergeneriert sind.
Das ist kein Beinbruch, angesichts der ansonsten tollen Optik aber schon etwas
enttäuschend.
Wenngleich sich die Handlung von "Doctor Strange" strukturell nicht sonderlich von anderen Superhelden-Geschichten
unterscheidet und zudem aufgrund der besonderen Notwendigkeiten eines
"Origin-Films", der die neuen Figuren dem Publikum erstmal recht
ausführlich vorstellen muß, ziemlich geradlinig verläuft, gibt es doch ein paar
gelungene Variationen. Die für mich erfreulichste ist die Abweichung von dem
sonst fast schon obligatorischen Action-Overkill im Showdown, der hier nur
ansatzweise präsentiert, dann aber abrupt von einer originelleren und
unterhaltsameren Alternative abgelöst wird (auch wenn deren Ende, wie erwähnt,
nur bedingt glaubwürdig wirkt). Dazu passend hat Michael Giacchino ("Jupiter Ascending") eine
wunderbar abwechslungsreiche Musik geschrieben, die die buchstäbliche Magie der
Geschichte mit für Superhelden-Filmen eher ungewöhnlichem Instrumenten-Einsatz
wie Cello- und Bratschen-Soli glänzend zur Geltung bringt. Für mich ist das
sogar der bisher beste Soundtrack eines Films aus dem Marvel Cinematic
Universe.
Nicht behaupten kann man etwas in der Art bedauerlicherweise von
Kaecilius, der trotz Mads Mikkelsens routinierter Darstellung ein sehr durchschnittlicher
Marvel-Bösewicht ist, der keinen nennenswerten Fußabdruck im MCU hinterläßt.
Auch Rachel McAdams kommt als Stephens Ex-Freundin Rachel noch nicht so richtig
zur Geltung, aber die Grundlage für weitere Auftritte ist gelegt. Spannend
ist dafür das zentrale Magiertrio, das die Älteste mit Meister Mordo und Dr.
Strange bildet. Alle drei erweisen sich als erfreulich ambivalente Charaktere,
die etwas mehr Tiefgang entwickeln dürfen als man das sonst des öfteren im
Superhelden-Genre erlebt. Neben Cumberbatch, der wie geboren für die Rolle des
Magiers Dr. Strange scheint, überzeugt vor allem Tilda Swinton als
geheimnisumwitterte die Älteste (eine etwas blasse Übersetzung für ihren englischen Namen "The Ancient One") mit Glatze. Weil sie nicht als eine klischeehafte,
tiefsinnig mit Weisheiten um sich werfende Zen-Meisterin daherkommt, sondern
als erstaunlich normale Person, die sogar ein kleines bißchen den
sprichwörtlichen Schalk im Nacken hat, erobert sie schnell die Sympathien des
Publikums. Und Benedict Wong ("Der Marsianer") sorgt im Zusammenspiel
mit Cumberbatch als stoischer Bibliothekar Wong, den Strange mit seinen lockeren
Sprüchen so gar nicht beeindrucken kann, für die nötigen humoristischen
Elemente. Nach diesem ausgesprochen gelungenen ersten Auftritt wird es nun sehr
spannend zu sehen sein, wie sich Dr. Strange in die Gemeinschaft der
Marvel-Superhelden einfügen wird – einen ersten Vorgeschmack gibt eine
zusätzliche Szene nach dem ersten Teil des Abspanns, die als Überleitung zu
"Thor: Ragnarök" dient. Und am Ende der Credits wird scheinbar auch
gleich der zweite "Doctor Strange"-Film vorbereitet.
Fazit: Das Grundgerüst der Geschichte ist altbekannt, aber
der gewohnt gut besetzte "Doctor Strange" verleiht dem Marvel
Cinematic Universe mit eindrucksvollen visuellen Spielereien und einem
etwas düstereren Tonfall eine neue Farbe, die ihm sehr gut zu Gesicht steht.
Wertung: 8,5 Punkte.
P.S.: Übrigens wird Cumberbatch in der deutschen Tonfassung nicht von seinem "Sherlock"-Sprecher Tommy Morgenstern synchronisiert, sondern von Sascha Rotermund, der die Aufgabe auch schon in Filmen wie "Star Trek Into Darkness", "Gefährten" oder "Black Mass" übernahm. Ich persönlich finde Morgenstern etwas passender, Rotermund macht es aber ebenfalls gut.
P.S.: Übrigens wird Cumberbatch in der deutschen Tonfassung nicht von seinem "Sherlock"-Sprecher Tommy Morgenstern synchronisiert, sondern von Sascha Rotermund, der die Aufgabe auch schon in Filmen wie "Star Trek Into Darkness", "Gefährten" oder "Black Mass" übernahm. Ich persönlich finde Morgenstern etwas passender, Rotermund macht es aber ebenfalls gut.
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