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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 27. Oktober 2016

DOCTOR STRANGE (3D, 2016)

Regie: Scott Derrickson, Drehbuch: Jon Spaihts, C. Robert Cargill, Scott Derrickson, Musik: Michael Giacchino
Darsteller: Benedict Cumberbatch, Tilda Swinton, Chiwetel Ejiofor, Mads Mikkelsen, Rachel McAdams, Benedict Wong, Scott Adkins, Michael Stuhlbarg, Benjamin Bratt, Katrina Durden, Topo Wresniwiro, Stan Lee, Chris Hemsworth
Dr. Strange
(2016) on IMDb Rotten Tomatoes: 89% (7,3); weltweites Einspielergebnis: $677,8 Mio.
FSK: 12, Dauer: 115 Minuten.

Stephen Strange (Benedict Cumberbatch, "The Imitation Game") ist ein brillanter Neurochirurg – dummerweise weiß er das auch, weshalb er gleichzeitig ein zwar charismatischer, jedoch selbstverliebter und herablassender Mistkerl (um vulgärere Ausdrücke zu vermeiden) ist. Genau deshalb steht Stephen ziemlich einsam da, als er nach einem fatalen Autounfall mit kaputten Händen dasteht, trotz aller Heilungsversuche nicht weiterhin als Arzt praktizieren kann und in seinem Selbstmitleid selbst seine einzige wirkliche Freundin (und Ex-Freundin) Dr. Christine Palmer (Rachel McAdams, "Spotlight") vergrault. Als letzte Hoffnung macht er sich nach dem Tip eines auf wundersame Weise Geheilten auf nach Tibet, wo er tatsächlich fündig wird bei einer geheimen Organisation, die von der Ältesten (Tilda Swinton, "Snowpiercer") angeführt wird – einer waschechten Magierin! Die weigert sich zunächst, Stephen aufzunehmen, da dessen Art sie an einen anderen Schüler, Kaecilius (Mads Mikkelsen, "The Salvation"), erinnert, der sie verraten hat und nun einem fast allmächtigen außerirdischen Wesen namens Dormammu dabei helfen will, die Erde zu erobern und die Menschheit zu vernichten. Meister Mordo (Chiwetel Ejiofor, "12 Years a Slave") überzeugt die Älteste jedoch davon, daß gerade angesichts dieser gigantischen Bedrohung ein offensichtliches Magie-Naturtalent wie Dr. Strange ein hilfreicher Verbündeter sein könnte …

Kritik:
Es ist schon erstaunlich, wie Marvel für sein Cinematic Universe immer wieder unbekannte oder bis dahin nur wenig renommierte Regisseure anheuert, die dann ziemlich zuverlässig die beste Arbeit ihrer Karriere hinlegen. Ob das nun an einem ausgesprochen feinen Gespür des Marvel-Masterminds Kevin Feige für die richtigen Leute für jeden Stoff liegt oder doch eher daran, daß die jeweiligen Regisseure aufgrund der klaren Vorgaben "von oben" – überspitzt formuliert gar nicht mehr viel verhunzen können, läßt sich von außen schwer beurteilen. Daß bereits mehrere Filmemacher von ihren Projekten wieder absprangen (allen voran Edgar Wright bei "Ant-Man") spricht eher für letztere These, aber solange die Resultate stimmen – wie bislang eigentlich immer – kann das dem Publikum ziemlich gleichgültig sein. Als jedoch mit Scott Derrickson ausgerechnet ein Mann für die Einführung des neuen Superhelden Dr. Strange engagiert wurde, der sich einen Ruf als Regisseur mittelmäßiger Horrorfilme wie "Der Exorzismus von Emily Rose", "Sinister" oder "Erlöse uns von dem Bösen" (zuzüglich eines schwachen Remakes des SF-Klassikers "Der Tag, an dem die Erde stillstand") einen eher zweifelhaften Namen machte, da war ich trotz der bisherigen Marvel-Erfolgsbilanz sehr skeptisch. Zu Unrecht, wie sich nun zeigt, denn Derricksons "Doctor Strange" ist einer der unterhaltsamsten MCU-Filme geworden und kämpft mit Jon Favreaus "Iron Man" sogar um die Stellung als bester erster Film eines Marvel-Helden bislang!

Im Vorfeld wurde von den Machern wiederholt betont, daß "Doctor Strange" eher in die Horror-Richtung gehen würde, wozu ja auch die Wahl des Regisseurs zu passen schien. Von Horror oder selbst mildem Grusel kann jedoch kaum die Rede sein; zwar ist "Doctor Strange" in der Tat etwas düsterer geraten als viele MCU-Kollegen, von der schwermütigen DC-Konkurrenz um "Batman v Superman" ist das aber meilenweit entfernt und eher als Fantasyfilm einzuordnen. Mag die Geschichte von Dr. Strange auch in der Gegenwert spielen, so sind die phantastischen Elemente doch nicht nur durch die zahlreichen Zaubersprüche dominant, sondern auch durch diverse Zeit- und Dimensionsspielereien. Was deren Logik anbelangt, so sollte man vermutlich nicht allzu genau darüber nachgrübeln (ich habe es jedenfalls erfolgreich vermieden …) und der Erfolg von Stephens finalem Schachzug im Kampf gegen Dormammu erscheint mir reichlich unglaubwürdig, aber eines läßt sich nicht leugnen: Mann, sieht das alles wunderbar abgefahren aus! Bei der visuellen Umsetzung der Magie wie auch der unterschiedlichen Dimensionen geht "Doctor Strange" aufs Ganze und liefert einen regelrechten Rausch aus Farben und Formen ab, der absolut revolutionär für die Welt des Kinos wäre; wenn, ja wenn es nicht bereits Christopher Nolans "Inception" gäbe … So ist das, was "Doctor Strange" in weitgehend makellosem 3D bietet, "nur" spektakulär; Grund zur Klage ist das natürlich nicht. Einen Schwachpunkt gibt es bei den Spezialeffekten allerdings doch: bei wenigen Szenen, deren Umsetzung selbst für die besten Stuntleute physikalisch unmöglich wäre, erkennt man recht deutlich, daß die Figuren computergeneriert sind. Das ist kein Beinbruch, angesichts der ansonsten tollen Optik aber schon etwas enttäuschend.

Wenngleich sich die Handlung von "Doctor Strange" strukturell nicht sonderlich von anderen Superhelden-Geschichten unterscheidet und zudem aufgrund der besonderen Notwendigkeiten eines "Origin-Films", der die neuen Figuren dem Publikum erstmal recht ausführlich vorstellen muß, ziemlich geradlinig verläuft, gibt es doch ein paar gelungene Variationen. Die für mich erfreulichste ist die Abweichung von dem sonst fast schon obligatorischen Action-Overkill im Showdown, der hier nur ansatzweise präsentiert, dann aber abrupt von einer originelleren und unterhaltsameren Alternative abgelöst wird (auch wenn deren Ende, wie erwähnt, nur bedingt glaubwürdig wirkt). Dazu passend hat Michael Giacchino ("Jupiter Ascending") eine wunderbar abwechslungsreiche Musik geschrieben, die die buchstäbliche Magie der Geschichte mit für Superhelden-Filmen eher ungewöhnlichem Instrumenten-Einsatz wie Cello- und Bratschen-Soli glänzend zur Geltung bringt. Für mich ist das sogar der bisher beste Soundtrack eines Films aus dem Marvel Cinematic Universe.

Nicht behaupten kann man etwas in der Art bedauerlicherweise von Kaecilius, der trotz Mads Mikkelsens routinierter Darstellung ein sehr durchschnittlicher Marvel-Bösewicht ist, der keinen nennenswerten Fußabdruck im MCU hinterläßt. Auch Rachel McAdams kommt als Stephens Ex-Freundin Rachel noch nicht so richtig zur Geltung, aber die Grundlage für weitere Auftritte ist gelegt. Spannend ist dafür das zentrale Magiertrio, das die Älteste mit Meister Mordo und Dr. Strange bildet. Alle drei erweisen sich als erfreulich ambivalente Charaktere, die etwas mehr Tiefgang entwickeln dürfen als man das sonst des öfteren im Superhelden-Genre erlebt. Neben Cumberbatch, der wie geboren für die Rolle des Magiers Dr. Strange scheint, überzeugt vor allem Tilda Swinton als geheimnisumwitterte die Älteste (eine etwas blasse Übersetzung für ihren englischen Namen "The Ancient One") mit Glatze. Weil sie nicht als eine klischeehafte, tiefsinnig mit Weisheiten um sich werfende Zen-Meisterin daherkommt, sondern als erstaunlich normale Person, die sogar ein kleines bißchen den sprichwörtlichen Schalk im Nacken hat, erobert sie schnell die Sympathien des Publikums. Und Benedict Wong ("Der Marsianer") sorgt im Zusammenspiel mit Cumberbatch als stoischer Bibliothekar Wong, den Strange mit seinen lockeren Sprüchen so gar nicht beeindrucken kann, für die nötigen humoristischen Elemente. Nach diesem ausgesprochen gelungenen ersten Auftritt wird es nun sehr spannend zu sehen sein, wie sich Dr. Strange in die Gemeinschaft der Marvel-Superhelden einfügen wird – einen ersten Vorgeschmack gibt eine zusätzliche Szene nach dem ersten Teil des Abspanns, die als Überleitung zu "Thor: Ragnarök" dient. Und am Ende der Credits wird scheinbar auch gleich der zweite "Doctor Strange"-Film vorbereitet.

Fazit: Das Grundgerüst der Geschichte ist altbekannt, aber der gewohnt gut besetzte "Doctor Strange" verleiht dem Marvel Cinematic Universe mit eindrucksvollen visuellen Spielereien und einem etwas düstereren Tonfall eine neue Farbe, die ihm sehr gut zu Gesicht steht.

Wertung: 8,5 Punkte.

P.S.: Übrigens wird Cumberbatch in der deutschen Tonfassung nicht von seinem "Sherlock"-Sprecher Tommy Morgenstern synchronisiert, sondern von Sascha Rotermund, der die Aufgabe auch schon in Filmen wie "Star Trek Into Darkness", "Gefährten" oder "Black Mass" übernahm. Ich persönlich finde Morgenstern etwas passender, Rotermund macht es aber ebenfalls gut.


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