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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Dienstag, 20. September 2016

THE LAST KING - DER ERBE DES KÖNIGS (2016)

Originaltitel: Birkebeinerne
Regie: Nils Gaup, Drehbuch: Ravn Lanesskog, Musik: Gaute Storaas
Darsteller: Jakob Oftebro, Kristofer Hivju, Pål Sverre Hagen, Thorbjørn Harr, Nikolaj Lie Kaas, Stig Henrik Hoff, Ane Ulimoen Øverli, Torkel D. Soldal, Thea Sofie Loch Næss, Lia Boysen, Anders Dahlberg, Benjamin Helstad, Åsmund-Brede Eike, Søren Pilmark
 Birkebeinerne
(2016) on IMDb Rotten Tomatoes: 89% (6,4); weltweites Einspielergebnis: $3,7 Mio.
FSK: 12, Dauer: 96 Minuten.

Norwegen im Jahr 1204: Nach dem Tod des kirchenkritischen Birkebeiner-Königs Sverre und der bald darauf folgenden Ermordung seines Sohnes Håkon (Benjamin Helstad, TV-Miniserie "Der Kampf um Schweres Wasser") ist dessen uneheliches, bei der Mutter Inga (Ane Ulimoen Øverli) lebendes Baby der letzte Erbe der Blutlinie. Doch der verschlagene Herzog Gisle (Pål Sverre Hagen, "Kon-Tiki") greift selbst nach der Macht, läßt seinen edelmütigen älteren Bruder Inge (Thorbjørn Harr, TV-Serie "Vikings") in den Kerker werfen und verbündet sich heimlich mit den von den papsttreuen Dänen unterstützten Baglern, um das Baby zu töten. Nur die beiden Birkebeiner-Krieger Skjervald (Jakob Oftebro, "Einer nach dem anderen") und Torstein (Kristofer Hivju, der Wildling Tormund aus der TV-Serie "Game of Thrones") können den künftigen König noch vor der Ermordung retten …

Kritik:
Obwohl Norwegen – wie alle skandinavischen Länder – eine sehr fruchtbare, funktionierende Filmlandschaft hat, erreichen doch relativ wenige norwegische Filme ein großes internationales Publikum. Immerhin gibt es immer wieder Achtungserfolge (oft mit Hilfe von Nominierungen für den Auslands-OSCAR) wie "Elling" (2001), "Max Manus" (2008), "Trollhunter" (2010) oder auch "Kon-Tiki" (2012). Ebenfalls OSCAR-Nominee und einer der erfolgreichsten norwegischen Filme der 1980er Jahre war das historische Abenteuer "Pathfinder – Die Rache des Fährtensuchers" (1987) von Nils Gaup, das 20 Jahre später gar ein loses (und leider richtig mieses) Hollywood-Remake namens "Pathfinder – Fährte des Kriegers" erfuhr. Nach fast 30 Jahren knüpft Gaup an seinen Hit mit "The Last King" an. Denn auch wenn zwischen den Handlungen in "Pathfinder" (der etwa 1000 v. Chr. spielt) und "The Last King" mehr als 2000 Jahre liegen, gibt es einige auffällige Parallelen, allen voran die Problematik, daß schön gefilmte Landschaftsaufnahmen und solide umgesetzte Kampfszenen auf eine nur rudimentär ausgearbeitete Handlung treffen. Beide Filme bieten zweifellos unterhaltsame Genrekost, doch besonders "The Last King" – mit mehr als 270.000 Zuschauern klar der erfolgreichste norwegische Film des Jahres 2016 – läßt einiges an erzählerischem Potential liegen.
Das trifft vor allem auf den Erzählstrang rund um den Königshof zu. Regisseur Nils Gaup und Drehbuch-Autor Ravn Lanesskog schneiden nach der frühen Ermordung König Håkons etliche interessante Aspekte an, etwa den Bruderkonflikt zwischen Inge und dem Verräter Gisle, die blutige Rolle der Kirche oder das Schicksal der Königinwitwe Margrete (Lia Boysen, TV-Serie "Jordskott") und ihrer schönen jugendlichen Tochter Kristin (Thea Sofie Loch Næss), die gegen ihren Willen mit Herzog Gisle verheiratet werden soll, um dessen Anspruch auf den Thron zu stärken. Unerklärlicherweise verfolgt "The Last King" keinen dieser Handlungsstränge mit der nötigen Konsequenz, stattdessen werden nur hin und wieder mal halbherzig klischeetriefende Szenen eingestreut, die die nötigen Informationen zum Verständnis der historischen Vorgänge vermitteln sollen. Von einem raffinierten Intrigenspiel á la "Game of Thrones" oder "Die Tudors" oder – um der Fairneß halber nicht nur Serienbeispiele zu nennen, die ja viel mehr Zeit zur Verfügung haben – "Der Löwe im Winter" gibt es keine Spur, vielmehr verärgern eine allzu simple Gut-Böse-Dichotomie und blasse, reißbrettartige Charaktere, die keinerlei Entwicklung durchlaufen (jedoch ihren dramaturgischen Zweck einwandfrei erfüllen und somit nicht wirklich schlecht sind, sondern einfach mittelmäßig). Gerade in der Darstellung der dänisch-kirchlichen Invasoren ist "The Last King" letztlich auch nicht weniger patriotisch als ein Hollywood-Film …
Besser sieht es bei jenem Part der Handlung aus, der den Filmemachern offensichtlich primär am Herzen lag, nämlich Skjervalds und Torsteins Flucht mit dem Baby vor den kirchentreuen (und selbstverständlich äußerst skrupellos vorgehenden) Häschern. Hier gibt es zumindest ein wenig Ambivalenz – Skjervald soll zunächst sogar hingerichtet werden, weil er als Birkebeiner (eine politische Gruppierung, ursprünglich Rebellen und später Herrscher) unter Zwang wichtige Informationen an den Feind verriet, ehe er entkommen und seine Kameraden warnen konnte –, außerdem sorgen die häufigen Actionszenen für Unterhaltung. Die Kämpfe sind gut inszeniert, wenn man auch hin und wieder merkt, daß das Budget von umgerechnet ungefähr 5 Millionen Euro natürlich deutlich unter Hollywood-Niveau liegt; eigentliches Highlight sind die rasanten Verfolgungsjagden auf Holz-Skiern, die an James Bond-Filme erinnern, innerhalb des Genres aber ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal sind. Hier läuft auch der polnische Kameramann Peter Mokrosinski (der den zweiten und den dritten Teil der schwedischen Adaption von Stieg Larssons "Millennium"-Saga bebilderte) zur Hochform auf mit einer durchaus spektakulären Mischung aus immersiven Handkamera-Nahaufnahmen und epischen Luftaufnahmen. Die sind übrigens auch abseits der Verfolgungs-Sequenzen atemberaubend – wenn etwa das nächtliche Nordlicht eingefangen wird – und stimmungsvoll untermalt von der melodischen, folkloristisch angehauchten Musik von Gaute Storaas ("Ein Mann namens Ove").
Wenn Skjervald, Torstein und das Baby einmal nicht kämpfen und/oder flüchten müssen, dann wäre endlich Zeit für ein paar schöne Charaktermomente – die Gaup jedoch auch nur bedingt ausspielt, denn das teils minutenlange, wenig aufregende "Zwei Väter und ein Baby"-Getue ist doch arg in die Länge gezogen und schafft es dabei noch nicht einmal wirklich, eine Verbindung zwischen den beiden heldenhaften Protagonisten und dem Publikum zu etablieren. Da können sich die erwiesenermaßen fähigen Darsteller Oftebro und Hivju noch sehr bemühen, Skjervald und Torstein bleiben über weite Strecken ebenso blaß wie der Oberbösewicht Gisle. Einzig die erbitterte Feindschaft zwischen Skjervald und Orm (Nikolaj Lie Kaas, der Inspektor Mørck aus den Jussi Adler-Olsen-Verfilmungen), dem brutalen Anführer der Kirchenkrieger, sorgt für eine zwar auch nicht überragend ausgearbeitete, aber dennoch sehr wohltuende persönliche Note. Hätte Gaup mehr davon eingebaut – vor allem in den Königshof-Sequenzen –, hätte aus einem ordentlichen ein richtig guter Film werden können.

Fazit: "The Last King – Der Erbe des Königs" ist ein schön gefilmtes norwegisches Historien-Abenteuer, das eindeutig von seinen unterhaltsamen Actionszenen lebt, jedoch hinsichtlich der Handlung einiges vermissen läßt.

Wertung: 6,5 Punkte.


"The Last King Der Erbe des Königs" erscheint am 22. September 2016 auf DVD und Blu-ray (auch als Steelbook). Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Entertainment Kombinat (für Koch Films) zur Verfügung gestellt.

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