Originaltitel: Birkebeinerne
Regie: Nils Gaup, Drehbuch: Ravn Lanesskog, Musik: Gaute
Storaas
Darsteller: Jakob Oftebro, Kristofer Hivju, Pål Sverre
Hagen, Thorbjørn Harr, Nikolaj Lie Kaas, Stig Henrik Hoff, Ane Ulimoen Øverli, Torkel
D. Soldal, Thea Sofie Loch Næss, Lia Boysen, Anders Dahlberg, Benjamin Helstad,
Åsmund-Brede Eike, Søren Pilmark
FSK: 12, Dauer: 96 Minuten.
Kritik:
Obwohl Norwegen – wie alle skandinavischen Länder – eine
sehr fruchtbare, funktionierende Filmlandschaft hat, erreichen doch relativ wenige
norwegische Filme ein großes internationales Publikum. Immerhin gibt es immer
wieder Achtungserfolge (oft mit Hilfe von Nominierungen für den
Auslands-OSCAR) wie "Elling" (2001),
"Max Manus" (2008), "Trollhunter" (2010) oder auch "Kon-Tiki" (2012). Ebenfalls
OSCAR-Nominee und einer der erfolgreichsten norwegischen Filme der 1980er Jahre
war das historische Abenteuer "Pathfinder – Die Rache des
Fährtensuchers" (1987) von Nils Gaup, das 20 Jahre später gar ein loses
(und leider richtig mieses) Hollywood-Remake namens "Pathfinder – Fährte des Kriegers" erfuhr. Nach fast 30 Jahren knüpft Gaup an seinen Hit mit
"The Last King" an. Denn auch wenn zwischen den Handlungen in
"Pathfinder" (der etwa 1000 v. Chr. spielt) und "The Last King"
mehr als 2000 Jahre liegen, gibt es einige auffällige Parallelen, allen
voran die Problematik, daß schön gefilmte Landschaftsaufnahmen und
solide umgesetzte Kampfszenen auf eine nur rudimentär ausgearbeitete Handlung
treffen. Beide Filme bieten zweifellos unterhaltsame Genrekost, doch besonders
"The Last King" – mit mehr als 270.000 Zuschauern klar der
erfolgreichste norwegische Film des Jahres 2016 – läßt einiges an
erzählerischem Potential liegen.
Das trifft vor allem auf den Erzählstrang rund um den
Königshof zu. Regisseur Nils Gaup und Drehbuch-Autor Ravn Lanesskog schneiden nach
der frühen Ermordung König Håkons etliche interessante Aspekte an, etwa den
Bruderkonflikt zwischen Inge und dem Verräter Gisle, die blutige Rolle der
Kirche oder das Schicksal der Königinwitwe Margrete (Lia Boysen, TV-Serie
"Jordskott") und ihrer schönen jugendlichen Tochter Kristin (Thea
Sofie Loch Næss), die gegen ihren Willen mit Herzog Gisle verheiratet werden
soll, um dessen Anspruch auf den Thron zu stärken. Unerklärlicherweise verfolgt
"The Last King" keinen dieser Handlungsstränge mit der nötigen Konsequenz,
stattdessen werden nur hin und wieder mal halbherzig klischeetriefende Szenen
eingestreut, die die nötigen Informationen zum Verständnis der historischen
Vorgänge vermitteln sollen. Von einem raffinierten Intrigenspiel á la
"Game of Thrones" oder "Die Tudors" oder – um der Fairneß
halber nicht nur Serienbeispiele zu nennen, die ja viel mehr Zeit zur Verfügung
haben – "Der Löwe im Winter" gibt es keine Spur, vielmehr verärgern
eine allzu simple Gut-Böse-Dichotomie und blasse, reißbrettartige Charaktere,
die keinerlei Entwicklung durchlaufen (jedoch ihren dramaturgischen Zweck einwandfrei erfüllen und somit nicht wirklich schlecht sind, sondern einfach mittelmäßig). Gerade in der Darstellung der
dänisch-kirchlichen Invasoren ist "The Last King" letztlich
auch nicht weniger patriotisch als ein Hollywood-Film …
Besser sieht es bei jenem Part der Handlung aus, der
den Filmemachern offensichtlich primär am Herzen lag, nämlich Skjervalds und Torsteins Flucht mit dem Baby vor den kirchentreuen (und
selbstverständlich äußerst skrupellos vorgehenden) Häschern. Hier gibt es
zumindest ein wenig Ambivalenz – Skjervald soll zunächst sogar hingerichtet werden,
weil er als Birkebeiner (eine politische Gruppierung, ursprünglich Rebellen und später Herrscher) unter Zwang wichtige Informationen an den Feind verriet, ehe er entkommen und seine Kameraden warnen konnte –, außerdem sorgen die häufigen
Actionszenen für Unterhaltung. Die Kämpfe sind gut inszeniert, wenn man auch hin und wieder merkt, daß das Budget von umgerechnet ungefähr 5 Millionen Euro natürlich deutlich
unter Hollywood-Niveau liegt; eigentliches Highlight sind die rasanten
Verfolgungsjagden auf Holz-Skiern, die an James Bond-Filme erinnern, innerhalb des
Genres aber ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal sind. Hier läuft auch
der polnische Kameramann Peter Mokrosinski (der den zweiten und den dritten Teil der
schwedischen Adaption von Stieg Larssons "Millennium"-Saga bebilderte)
zur Hochform auf mit einer durchaus spektakulären Mischung aus immersiven
Handkamera-Nahaufnahmen und epischen Luftaufnahmen. Die sind übrigens auch
abseits der Verfolgungs-Sequenzen atemberaubend – wenn etwa das
nächtliche Nordlicht eingefangen wird – und stimmungsvoll untermalt von der melodischen, folkloristisch angehauchten Musik von Gaute
Storaas ("Ein Mann namens Ove").
Wenn Skjervald, Torstein und das Baby einmal nicht kämpfen
und/oder flüchten müssen, dann wäre endlich Zeit für ein paar schöne
Charaktermomente – die Gaup jedoch auch nur bedingt ausspielt, denn das
teils minutenlange, wenig aufregende "Zwei Väter und ein Baby"-Getue
ist doch arg in die Länge gezogen und schafft es dabei noch nicht einmal
wirklich, eine Verbindung zwischen den beiden heldenhaften Protagonisten und dem
Publikum zu etablieren. Da können sich die erwiesenermaßen fähigen Darsteller Oftebro und Hivju noch sehr bemühen, Skjervald und Torstein bleiben über weite Strecken ebenso
blaß wie der Oberbösewicht Gisle. Einzig die erbitterte Feindschaft zwischen
Skjervald und Orm (Nikolaj Lie Kaas, der Inspektor Mørck aus den Jussi
Adler-Olsen-Verfilmungen), dem brutalen Anführer der Kirchenkrieger, sorgt für
eine zwar auch nicht überragend ausgearbeitete, aber dennoch sehr wohltuende
persönliche Note. Hätte Gaup mehr davon eingebaut – vor allem in den
Königshof-Sequenzen –, hätte aus einem ordentlichen ein richtig guter Film
werden können.
Fazit: "The Last King – Der Erbe des
Königs" ist ein schön gefilmtes norwegisches Historien-Abenteuer, das
eindeutig von seinen unterhaltsamen Actionszenen lebt, jedoch hinsichtlich der Handlung
einiges vermissen läßt.
Wertung: 6,5 Punkte.
"The Last King – Der Erbe des Königs" erscheint am 22. September 2016 auf DVD und Blu-ray (auch als Steelbook). Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise vom Entertainment Kombinat (für Koch Films) zur Verfügung gestellt.
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