Regie: Hitoshi Matsumoto, Drehbuch: Mitsuyoshi Takasu,
Tomoji Hasegawa, Kôji Ema, Mitsuru Kuramoto und Hitoshi Matsumoto, Musik:
Shûichi Sakamoto und Shûichirô Toki
Darsteller: Nao Ômori, Suzuki Matsuo, Shinobu Terajima,
Naomi Watanabe, Katagiri Hairi, Mao Daichi, You, Eriko Sato, Ai Tominaga,
Lindsay Hayward, Hitoshi Matsumoto, Haruki Nishimoto, Gin Maeda, Atsurô Watabe
Kritik:
Zu den beliebesten und hartnäckigsten Klischees über Japaner
zählt, daß sie irgendwie alle einen an der Waffel haben. Das ist natürlich
unfair und grob pauschalisierend, aber klar ist auch: Solange die Japaner Filme
wie "R100 – Härter ist besser" drehen, werden sie diesen Ruf
garantiert nicht wieder los! Wobei das von meiner Seite aus keine Beschwerde
ist, denn als jemand, der besonders solche Filme liebt, die auf die Konventionen
pfeifen und stattdessen mit Wendungen und Ideen überraschen, von denen eine
durchgeknallter ist als die andere, ist gerade ein so bizarres Kunstwerk wie
"R100" ein wahres Fest! Keine Frage: Was Regisseur Hitoshi
Matsumoto ("Der große Japaner", "Symbol") dem zunehmend
verblüfften Publikum hier präsentiert, spottet wahrlich jeder Beschreibung und
überschreitet wieder und wieder voller Genuß die Grenze hin zum Trash, jedoch ohne dabei bemerkenswerterweise einen gewissen erzählerischen Anspruch wie auch
eine unter all dem Klamauk gut verborgene satirische Ebene zu vernachlässigen.
Dabei fängt alles halbwegs normal an. In der ersten
Hälfte ist "R100" im Grunde genommen "nur" die leicht
bizarre Charakterstudie eines einfachen Mannes mittleren Alters, dessen Leben
von der Arbeit und von der Sorge um die seit Jahren komatöse Ehefrau sowie den
kleinen Sohn geprägt ist. Dieser beständige Dreiklang beansprucht den armen Takafumi vor
allem psychisch – und Ablenkung erfährt er eben einzig durch sexuelle
Erniedrigungen. Die finden zunächst übrigens meistens "off-screen" statt
und sorgen damit zwar durch die absurden Situationen für Erheiterung beim
Publikum, kommen insgesamt aber doch ziemlich harmlos rüber. Das ändert sich,
als die immer rabiateren Methoden der Dominas zu einem unglücklichen Unfall
führen, woraufhin Takafumi zur Zielscheibe aller "Königinnen"
wird (und am Ende sogar der nicht ganz alltäglichen Vorstandsvorsitzenden des
Unternehmens), die immer größere Geschütze gegen ihn auffahren.
Ab diesem Zeitpunkt gegen Mitte des Films wird die Handlung
zunehmend typisch japanisch durchgeknallt: Die bis dahin noch recht ernsthaft vorgetragene, von Ômori auch gut gespielte Charakterstudie gerät abrupt in den Hintergrund, stattdessen folgt eine absurde Wendung auf die
nächste, die herrlich verrückten Einfälle häufen sich, der Humor wird immer
schwärzer und makabrer, Logik und Realitätsnähe werden nebensächlich. Besonderes Highlight (neben den wunderbar grotesk in
Szene gesetzten "Königinnen") ist derweil eine zusätzliche
erzählerische Ebene, denn es zeigt sich, daß wir tatsächlich einen Film im Film
sehen. Genau genommen handelt es sich bei Takafumis Geschichte um das gerade
fertiggestellte Magnum Opus eines 100-jährigen Regisseurs, das fünf
"Zensoren" vorgeführt wird, die die passende Altersfreigabe bestimmen
sollen. Die kleine Gruppe reagiert, gelinge gesagt, irritiert ob des
Dargebotenen. Das ist natürlich einerseits ein Seitenhieb gegen die nicht nur
in Deutschland umstrittene, da letztlich stets ziemlich willkürliche Praxis der Altersfreigaben, gleichzeitig
repräsentieren die fünf aber auch das Publikum – das sich in den hilflosen bis
verzweifelten (und urkomischen) Interpretationsversuchen des geballten Irrsinns
rasch wiedererkennen dürfte. Verwunderlich ist die kollektive Verständnislosigkeit
allerdings nicht, denn laut des Assistenten des Regisseurs ist der Film nur für
Menschen ab einem Alter von 100 Jahren verständlich …
Auf das, was in der sehr actionreichen zweiten Filmhälfte
geschieht, will ich im Detail gar nicht eingehen – erstens spottet das
Gezeigte im Grunde genommen jeder Beschreibung, zweitens muß man das einfach
selber erlebt haben, um es zu glauben. Speziell das Finale, das alles davor
Geschehene in Sachen Wahnsinn und auch absurd überzogener Gewalt noch einmal spielerisch toppt und bei dem
kurioserweise Ludwig van Beethovens "Ode an die Freude" eine
gewichtige Rolle spielt, ist einfach nur irre. Verstärkt wird die
Bizarrheit des Films übrigens durch die Spezialeffekte, die teilweise ganz
altmodisch aus handgemachten, prosthetischen Effekten bestehen und teilweise aus gewollt trashigen CGI-Effekten. Humoristischer Höhepunkt in dieser Hinsicht ist
Takafumis herrlich bescheuerter ekstatischer Gesichtsausdruck (samt sich von seinem Glückszentrum ausbreitender
"Schallwellen"), wenn die SM-Praktiken auf ihn "wirken".
Es ist schwer zu beschreiben, für welche Zuschauer "R100" geeignet
ist: Japan-Fans, die bereits Erfahrung mit solchen Filmen haben, sind natürlich
die naheliegendste Zielgruppe, aber auch, wer etwa die Werke eines Quentin
Dupieux ("Wrong Cops", "Reality") mag, sollte einen Blick
auf Hitoshi Matsumotos Schöpfung riskieren. Jedoch immer auf eigene Gefahr ...
Fazit: "R100" ist ein wahres Fest für Anhänger des bizarren, nicht vorhersehbaren Kinos, ein Mix aus recht seriöser Charakterstudie und absurdem Action-Theater, beständig schwankend zwischen grellem Klamauk und treffsicherer Gesellschaftssatire.
Wertung: 8,5 Punkte.
Hinweis: Gemäß FSK-Datenbank ist "R100" bereits ab 16 Jahren freigegeben, die Heimkino-Veröffentlichung hat aber keine Jugendfreigabe – falls die FSK keinen Fehler gemacht hat, liegt das vermutlich daran, daß Trailer für "ab 18"-Filme enthalten sind (kommt öfter vor, scheinbar ist das rote FSK-Logo mittlerweile fast ein Marketinginstrument geworden). Grundsätzlich halte ich beide Freigabe-Möglichkeiten für möglich, da der Film gegen Ende zwar sehr gewalthaltig ist, aber eben auch völlig unrealistisch und überzogen, was die FSK in der Regel positiv in die Gesamtbetrachtung einfließen läßt.
Hinweis: Gemäß FSK-Datenbank ist "R100" bereits ab 16 Jahren freigegeben, die Heimkino-Veröffentlichung hat aber keine Jugendfreigabe – falls die FSK keinen Fehler gemacht hat, liegt das vermutlich daran, daß Trailer für "ab 18"-Filme enthalten sind (kommt öfter vor, scheinbar ist das rote FSK-Logo mittlerweile fast ein Marketinginstrument geworden). Grundsätzlich halte ich beide Freigabe-Möglichkeiten für möglich, da der Film gegen Ende zwar sehr gewalthaltig ist, aber eben auch völlig unrealistisch und überzogen, was die FSK in der Regel positiv in die Gesamtbetrachtung einfließen läßt.
Hallo, gibt es auch einen Bericht zu "das perfekte Geheimnis"?
AntwortenLöschenWo kann ich allgemeine Kommentare schicken. Unten auf der Seite kommt ein Hinweis zu Amazon, es gibt aber keine Banner oder ähnliches zu Amazon. Warum erscheint das?
Hallo,
Löscheneine Kritik zu "Das perfekte Geheimnis" gibt es von mir nicht, weil ich den Film nicht gesehen habe - ich bin kein großer Fan der bisherigen Werke des Teams und die Thematik von "Das perfekte Geheimnis" reizt mich ehrlich gesagt auch nicht sonderlich; deshalb habe ich auf den Kinobesuch verzichtet.
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Einen eigenen Bereich für allgemeine Kommentare gibt es nicht, aber da mir als Blogbetreiber neue Kommentare sozusagen intern angezeigt werden, kannst du die eigentlich überall posten, am sinnvollsten wäre vermutlich der jeweils aktuellste Blogpost.