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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Mittwoch, 22. Juni 2016

X-MEN: APOCALYPSE (3D, 2016)

Regie: Bryan Singer, Drehbuch: Simon Kinberg, Musik: John Ottman
Darsteller: James McAvoy, Jennifer Lawrence, Michael Fassbender, Oscar Isaac, Rose Byrne, Nicholas Hoult, Sophie Turner, Evan Peters, Tye Sheridan, Kodi Smit-McPhee, Lucas Till, Josh Helman, Olivia Munn, Alexandra Shipp, Ben Hardy, Tómas Lemarquis, Ally Sheedy, Željko Ivanek, James Malloch, Stan Lee, Joanie Lee, John Ottman, Hugh Jackman
X-Men: Apocalypse
(2016) on IMDb Rotten Tomatoes: 47% (5,6); weltweites Einspielergebnis: $543,9 Mio.
FSK: 12, Dauer: 145 Minuten.

Nachdem sich die Mutanten am Ende von "Zukunft ist Vergangenheit" offenbarten, schien eine friedliche Koexistenz zwischen Menschen und Mutanten realistisch. 1983, zehn Jahre später, ist eine gewisse Ernüchterung eingekehrt. Zwar können sich Mutanten theoretisch frei bewegen und sind gesellschaftlich akzeptiert – in der Praxis werden sie aber in vielen Regionen der Erde noch immer gejagt und gefürchtet, andererseits haben sich Sekten gebildet, die sie abgöttisch verehren. Diese Problematik gerät allerdings zur Nebensache, als En Sabah Nur (Oscar Isaac, "Star Wars Episide VII") erwacht. Der erste und mächtigste Mutant auf Erden wurde im antiken Ägypten als ein Gott angebetet … und gefürchtet. Als Folge eines Attentatsversuchs wurde En Sabah Nur in einen jahrtausendelangen Schlaf versetzt, aus dem er nun erwacht. Sein Ziel ist das gleiche wie vor 3600 Jahren: Er will die Apokalypse herbeiführen und mit ihr die verdorbene Menschheit vernichten; aus deren Überresten soll dann eine neue und bessere Welt entstehen, angeführt von den Mutanten. Für sein Ziel schart En Sabah Nur vier "Reiter der Apokalypse" um sich, deren bereits große Kräfte er durch seine Macht erheblich verstärkt: Magneto (Michael Fassbender, "Shame"), Psylocke (Oliva Munn, "Magic Mike"), Angel (Ben Hardy, TV-Serie "EastEnders") und Storm (Alexandra Shipp, "Straight Outta Compton"). Um seinen Plan zu vollenden, benötigt En Sabah Nur aber zusätzlich die mentalen Kräfte von Professor X (James McAvoy, "Wanted") – der das natürlich um jeden Preis verhindern will, unterstützt von Beast (Nicholas Hoult, "Mad Max: Fury Road"), Mystique (Jennifer Lawrence, "American Hustle") und einigen jüngeren Mutanten …

Kritik:
Ich ließ mir viel Zeit mit meinem Kinobesuch von "X-Men: Apocalypse", da mir die vor allem in den USA nur mittelmäßigen Kritiken (in Deutschland fielen sie meinem Eindruck nach positiver aus), aber auch die nicht auf überragende Mundpropaganda hindeutenden Einspielergebnisse etwas die Vorfreude verdarben. Doch im Nachhinein kann ich zum Glück konstatieren, daß sich meine Befürchtungen als weitgehend haltlos erwiesen haben. Tatsächlich zählt die erste Hälfte von "Apocalypse" für mich sogar mit zum Besten, was das "X-Men"-Filmuniversum bisher zu bieten hatte. Zugegeben, die zweite Hälfte kann dieses hohe Niveau nicht halten und speziell in Sachen Charakterzeichnung gibt es einiges zu kritisieren, dennoch: Regisseur Bryan Singer hat einmal mehr einen würdigen Vertreter der Reihe geschaffen, der über weite Strecken gut zu unterhalten weiß. Bevor ich darauf näher eingehe, habe ich jedoch erst einmal eine Quizfrage: Was haben die Filme "The King's Speech", "Mr. Holland's Opus", "The Fall", "Irreversibel" und "X-Men: Apocalypse" gemeinsam? Antwort: Sie alle verwenden in Schlüsselsequenzen den 2. Satz der 7. Sinfonie von Ludwig van Beethoven. Diese getragene, majestätische Komposition zählt vermutlich zu den am häufigsten in Hollywood verwendeten klassischen Stücken, auch hier verfehlt sie ihre Wirkung nicht. Wunderbar!

Besagte Sequenz ist Höhe- und Schlußpunkt einer ersten Hälfte, die nach dem eindrucksvollen Prolog im alten Ägypten (und einer ungemein stylishen Titelsequenz, die eine zeitliche Brücke zwischen Prolog und Filmgegenwart schlägt) die bekannten Stärken des "X-Men"-Universums glänzend zur Geltung bringt. Dabei gelingt es Singer, einerseits durch die Einführung "neuer" Mutanten (die wir allerdings allesamt bereits aus der älteren Trilogie kennen, wenn auch teils nur sehr flüchtig) wieder lange und sehr unterhaltsame "Rekrutierungs"-Storylines einzubringen, andererseits aber auch durch zahlreiche Rückgriffe auf "Erste Entscheidung" und "Zukunft ist Vergangenheit" klarzumachen, daß es sich um den Abschluß dieser Prequel-Trilogie handelt. Wobei das mit dem "Prequel" ziemlich relativ ist, denn wo schon die beiden Vorgänger mit dem Thema Kontinuität zur Original-Trilogie recht großzügig umgingen, scheint das in "Apocalypse" fast gar keine Rolle mehr zu spielen. Besonders gut kann man das anhand der Figur "Angel" erkennen, deren Darsteller Ben Hardy mit 25 Jahren das gleiche Alter hat wie Ben Foster, als er die Rolle 2006 in "X-Men: Der letzte Widerstand" spielte – obwohl "Apocalypse" mehr als 20 Jahre vorher angesetzt ist … Aber was soll's, das ist zwar für Fans der Reihe schon ein wenig ärgerlich, inhaltlich macht es jedoch natürlich keinen wirklichen Unterschied auch wenn es schon nett gewesen wäre, zur Abwechslung wieder ein paar komplett unverbrauchte Mutanten einzuführen (ich lese die Comics nicht, aber ich bin sicher, da gäbe es genügend Optionen).

Die Besetzung der Neuzugänge ist dafür insgesamt gelungen, vor allem "Game of Thrones"-Aktrice Sophie Turner als Jean Grey (ursprünglich: Famke Janssen) und Kodi Smit-McPhee ("Let Me In") als Nightcrawler – der in Alan Cummings Verkörperung schon in der Original-Trilogie zu meinen Favoriten zählte, auch wenn er nur im zweiten Film dabei war – machen einen guten Eindruck. Schön auch die Rückkehr von Rose Byrne ("Insidious") als CIA-Agentin Moira MacTaggert, außerdem hat der heimliche "Zukunft ist Vergangenheit"-Star Quicksilver diesmal eine deutlich größere Rolle erhalten – angesichts Evan Peters' (TV-Serie "American Horror Story") erneut ausgesprochen amüsanter Darbietung eine sehr erfreuliche Entscheidung, die selbstredend erneut mit einer grandiosen Sequenz (zu den Klängen des Eurythmics-Hits "Sweet Dreams") garniert wird, die die extrem coole Fähigkeit des blitzschnellen Mutanten eindrucksvoll zur Schau stellt. Angesichts der Fülle von Figuren kommen jedoch zwangsläufig wieder einige davon deutlich zu kurz, was in diesem Fall vor allem auf die wiederkehrenden Figuren zutrifft, aber auch auf die Nebenantagonisten. Vor allem die eigentlich im Zentrum der "X-Men"-Prequels stehenden Professor X, Mystique und Beast haben in "Apocalypse" merklich weniger zu tun als in den beiden Vorgängern, was den Unterhaltsamkeitsgrad des Films jedoch zum Glück kaum beeinträchtigt – da eben die neuen Mutanten gut eingeführt werden und sich nicht nur als wertvolle Ergänzung erweisen, sondern sogar als dazu in der Lage, die Handlung vorübergehend fast alleine zu tragen.

Daß die erste Filmhälfte mit ihrem vergleichsweise actionarmen Vorgehen mir so große Freude bereitet hat, liegt aber auch am blauhäutigen Antagonisten En Sabah Nur (aka Apocalypse), der für mich dank Oscar Isaacs (der kaum zu erkennen ist) intensiver Darbietung mit einer eindrucksvoll unheimlich-bedrohlichen Ausstrahlung sogar der beste Bösewicht der Reihe ist – wenngleich zugegebenermaßen seine Motivation und seine Ziele keinen Preis für Originalität gewinnen. Das ist aber auch gar nicht unbedingt nötig, dafür ist dieser gottgleiche, scheinbar unbesiegbare "Erzmutant", dessen Macht selbst die von Magneto bei weitem übertrifft, einfach zu cool. Zu kurz kommen dagegen eindeutig seine vier "Reiter", von denen drei so gut wie keine eigene Persönlichkeit zeigen dürfen (am ehesten noch die junge Storm, was natürlich daran liegt, daß sie in Halle Berrys Interpretation ein zentrales Element der Originaltrilogie war). Die große Ausnahme ist Magneto, der schon vor En Sabah Nurs Auftauchen einen eigenen Handlungsstrang erhält, der erstens seine Rekrutierung durch den Urmutant vorbereitet und zweitens natürlich Michael Fassbender die Gelegenheit gibt, seine großartige Schauspielkunst zu zeigen – alles andere wäre auch Verschwendung, wenn man schon einen Darsteller dieses Kalibers im Cast hat. Allerdings will ich nicht verschweigen, daß es doch etwas einfallslos wirkt, Magneto schon wieder mit einer privaten Tragödie zu konfrontieren, damit er auch ja weiterhin zwischen Gut und Böse schwankt. Sollte Magneto in weiteren "X-Men"-Filmen (vor einem eventuellen erneuten Reboot) auftauchen – was absolut unklar ist, da die Verträge von Fassbender, McAvoy, Lawrence und Hoult mit "Apocalypse" ausgelaufen sind und zuerst neu verhandelt werden müssten –, sollte auf ein erneutes Recycling dieses Plotelements tunlichst verzichtet werden …

Im großen und ganzen gelungen ist derweil die Einbettung der Handlung in das 1980er Jahre-Setting. Zwar hätte man sicher noch etwas mehr auf eine entsprechende Atmosphäre achten können, aber optisch (die Frisuren ...), musikalisch (Metallica, Eurythmics, auch John Ottmans gelungener Score orientiert sich hörbar an der Dekade) und politisch (der Kalte Krieg ist im Hintergrund allgegenwärtig) ist das sehr solide umgesetzt. Unglücklicherweise geht das alles in der zweiten Filmhälfte dann aber ziemlich unter, in der doch wieder – blockbustertypisch – fast alles der Action untergeordnet wird. Das beinhaltet einen Storyschwenker, der mal wieder den berüchtigten Colonel Stryker (Josh Helman, "Jack Reacher") ins Spiel bringt und ansprechend gestaltete Kampfsequenzen präsentiert, dramaturgisch aber ziemlich überflüssig wirkt (und ebenso wie die Post-Credit-Szene wohl vor allem als Brücke zum nächsten "Wolverine"-Film eingefügt wurde). Letztlich mündet natürlich alles in einen optisch spektakulären, unterhaltsam choreographierten Showdown zwischen En Sabah Nur und seinen Reitern auf der einen Seite und den X-Men auf der anderen. Das macht Laune und sollte vor allem Actionfans befriedigen (speziell bei En Sabah Nurs teils doch recht grausigen Aktionen werden die FSK12-Grenzen übrigens ziemlich ausgereizt), kommt aber eben auch recht unoriginell daher und macht die zuvor durchaus in Ansätzen offenbarte Handlungstiefe beinahe zur Makulatur. Immerhin stört in diesem Finale der 3D-Einsatz nicht sonderlich, der vor allem in der ersten Hälfte mit zahllosen nervigen Geisterbildern speziell bei Nahaufnahmen ziemlich schludrig geraten ist.

Insgesamt merkt man "Apocalypse" noch mehr als den meisten anderen Teilen der Reihe an, daß er eine Comicverfilmung ist – und das meine ich durchaus positiv, weil Regisseur Bryan Singer und Drehbuch-Autor Simon Kinberg ("Sherlock Holmes") nicht davor zurückschrecken, das Publikum mit einem immer größeren Maß an phantastischen Elementen zu konfrontieren. Andererseits werden so vermutlich Zuschauer, die nicht viel mit Comics am Hut haben, eher verschreckt (stärker als bei den Vorgänger-Filmen), was vielleicht die schwächeren Kritiken und Einspielergebnisse erklärt. Daß es eine Fortsetzung geben wird, ist dennoch so gut wie sicher – laut Kinberg soll sie in den 1990er Jahren spielen –, welche Figuren und Schauspieler genau daran beteiligt sein werden, ist noch offen.

Fazit: "X-Men: Apocalypse" bildet den Abschluß der insgesamt sehr sehenswerten Prequel-Trilogie und vereint dabei die größten erzählerischen, figurenbezogenen und schauspielerischen Stärken der Reihe (in der ersten Filmhälfte) mit altbekannten Schwächen im Action-Overkill des breit ausgewälzten Finales (samt noch längerer unmittelbarer Vorbereitung).

Wertung: Knapp 8 Punkte.


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