Originaltitel:
A Hologram for the King
Regie und Drehbuch: Tom Tykwer, Musik: Johnny Klimek und Tom
Tykwer
Darsteller:
Tom Hanks, Sarita Choudhury, Alexander Black, Sidse Babett Knudsen, Tracey
Fairaway, Tom Skerritt, Ben Whishaw, Khalid Laith, Jane Perry, David Menkin,
Christy Meyer, Megan Maczko, Amira El Sayed, Mohamed Attifi
FSK: 6, Dauer: 98 Minuten.
Es ist die wohl letzte Chance für Alan Clay (Tom Hanks,
"Captain Phillips"): Der Mittfünfziger war einst Manager eines im
Zuge der Wirtschaftskrise Pleite gegangenen Fahrradherstellers, nun ist er kaum
mehr als ein einfacher IT-Verkäufer. Da seine Frau ihn verlassen hat und er seiner
Tochter Kit (Tracey Fairaway, "Genug gesagt") das College finanzieren
muß, ist Alan auf sein Einkommen angewiesen. Doch es läuft nicht allzu gut in
seinem neuen Job und so sagt ihm sein Vorgesetzter ziemlich klar: Wenn es
ihm nicht gelingt, dem König von Saudi-Arabien ein hochmodernes holographisches
Kommunikationssystem zu verkaufen, dann ist Schluß für ihn. Also macht sich
Alan auf nach Saudi-Arabien, wo er und sein kleines Präsentationsteam jedoch in
ihrem Zelt auf einer riesigen – aber verdächtig wenig arbeitsamen – Baustelle Tag
für Tag vertröstet werden. Also macht Alan das Beste aus der Situation und
erkundet mit seinem redseligen Fahrer Yousef (Alexander Black) die für ihn so
fremde Gegend und lernt außerdem als Folge gesundheitlicher Probleme die nette
Ärztin Dr. Zahra Hakeem (Sarita Choudhury, "Die Tribute von Panem – Mockingjay, Teil 1") kennen …
Kritik:
Nachdem das gemeinsam mit den Wachowskis geschaffene Drei-Stunden-Epos "Cloud Atlas" zwar qualitativ durchaus ansprechend
geriet, aber in kommerzieller Hinsicht
angesichts der enormen Produktionskosten als ein veritabler Flop verbucht werden
mußte, entschied sich der deutsche Filmemacher, als nächstes einen deutlich
kleineren Film zu drehen. "Ein Hologramm für den König" ist die
Adaption eines Bestsellers von Dave Eggers und erinnert mit seinem Fokus auf
die Charaktere auf den ersten Blick an Tykwers Frühwerke wie "Die tödliche
Maria", "Winterschläfer", "Der Krieger und die Kaiserin"
oder sein fremdsprachiges Debüt "Heaven" (mit Cate Blanchett).
Im Vergleich zu denen entpuppt sich "Ein Hologramm für den König"
dann allerdings doch als erheblich leichtfüßiger inszeniert, was leider
einhergeht mit einer deutlich geringeren Intensität – trotz einer erneuten Glanzleistung
von Tom Hanks (den Tykwer beim "Cloud Atlas"-Dreh kennenlernte) in
der Hauptrolle.
Keine Frage: Ohne Hanks wäre diese Tragikomödie vor
exotischer Kulisse nur halb so gut und unterhaltsam. Der zweifache
OSCAR-Preisträger schafft es spielerisch, den beruflich und privat
gescheiterten Mann in seiner zweiten Lebenshälfte authentisch und sympathisch
wirken zu lassen. Sein Alan Clay ist jemand, der mit sich und seiner Rolle
ringt, dessen Habitus noch immer der befehlsgewohnte Manager anmerken ist,
obwohl ihm selbst schmerzlich bewußt ist, daß er in seinem neuen Job nur noch wenig
Verantwortung trägt und schon altersbedingt von seinen jüngeren Konkurrenten
aufs Abstellgleis befördert zu werden droht. So schwankt Alan zwischen Selbstvertrauen
ob seiner unbestreitbaren Qualitäten und seiner Erfahrung auf der einen Seite –
beispielsweise kann er wie ein wahrer Profi von einer Sekunde auf die andere
in den selbstbewußten, jovialen Verkäufer-Modus umschalten – und einer gewissen
Verlorenheit, sogar andeutungsweisen Verzweiflung auf der anderen, da er sehr
genau weiß, daß diese neue digitale Welt nicht mehr wirklich die seine ist. Da ist
es dann auch bezeichnend, wenn
seine jungen Mitarbeiter für die Präsentation nicht nur ein
"Lawrence von Arabien"-Zitat von ihm nicht zuordnen können, sondern
nach Alans Erklärung sogar fragen müssen: "Wer ist Lawrence von
Arabien?" Daß ihn sein eigener Vater (leider im Grunde genommen nur in
einer Szene präsent: der inzwischen 82-jährige frühere "Alien"-Raumschiffkapitän Tom Skerritt) noch immer für die Pleite des Fahrradherstellers – bei dem
auch er selbst angestellt war – verantwortlich macht, läßt Alan sich nicht unbedingt besser fühlen.
Wenigstens hält seine erwachsene Tochter Kit (Tracey Fairaway) noch zu ihm.
Alan Clay und seine einfühlsame Darstellung durch Tom Hanks
erinnern nicht von ungefähr an Bob Harris aus Sofia Coppolas Meisterwerk
"Lost in Translation". Wie dort Bill Murray den alternden
Schauspieler auf Arbeitsbesuch in Tokio porträtiert auch Tom Hanks seine Figur
als eine verlorene, mindestens leicht depressive Seele, die ihren Weg verloren
hat – ihn aber durch unerwartete Zufallsbegegnungen in fremdartiger Umgebung
wiederfindet. Jawohl, die Parallelen zwischen "Lost in Translation" und
"Ein Hologramm für den König" sind unübersehbar – sogar ähnliche
Fahrstuhlszenen gibt es, wobei Murray in Japan einen Kopf größer ist als die
anderen, während Hanks in Saudi-Arabien durch seinen westlichen Anzug
hervorsticht –, wenngleich es im Detail natürlich viele Unterschiede gibt. Denn mag
die japanische Kultur auf Amerikaner und Europäer auch mitunter bizarr wirken, so handelt es sich doch um eine (vor allem politisch)
vergleichsweise westlich orientierte Gesellschaft mit einem ähnlichen
Wertesystem. Bei Saudi-Arabien sieht das ganz anders aus: zwar der wichtigste
Verbündete der USA im Nahen Osten und auch für Europa ein unverzichtbarer
politischer Partner – allerdings einer, dessen restriktive Gesellschaftsordnung
den Partnern regelmäßig Zahnschmerzen bereitet. Islamisches Recht,
Unterdrückung der Frauen, keine Opposition, keine Meinungs- und Pressefreiheit,
eklatante Klassenunterschiede, enge Verbindungen zum
islamistischen Terrorismus ... ein Traumpartner ist Saudi-Arabien für die
meisten Amerikaner und Europäer wohl eher nicht. Von daher war ich
gespannt, wie Tykwer dieses aus unserer Sicht so seltsame Königreich
präsentieren würde. Die Antwort: besonnen. Tykwer zeigt, ohne zu urteilen; nur
durch den "Mittelsmann" Alan gibt es gelegentliche Einordnungen. Das
mag mancher als eher feige empfinden, aber ganz ehrlich: Mehr ist gar nicht
nötig. Wenn Alan etwa von Yousef erfährt, daß der Menschenauflauf bei der Moschee
neben seinem luxuriösen Hotel, den er am Tag zuvor von seinem Balkon aus
gesehen hat, von den hier ganz normalen öffentlichen Hinrichtungen ausgelöst
wurde, dann ist Alans schockierte Reaktion mehr als ausreichend. Und das ist
fast schon die plakativste Szene in dieser Hinsicht, sonst geht Tykwer noch
subtiler vor, indem er einfach nur unkommentiert den
wahrlich verschwenderischen Pomp der Scheichs mit den katastrophalen
Arbeitsbedingungen der (überwiegend ausländischen) Bauarbeiter kontrastiert oder die komplette
Nichtbeachtung des offensichtlich "unwürdigen" Yousef durch den
Assistenten des Königs vor Ort zeigt. Daß Tykwer keine Drehgenehmigung für
Saudi-Arabien erhielt (stattdessen wich er nach Ägypten aus), ist zusätzlicher
Beleg dafür, daß der Film das Land keineswegs verharmlost.
Gleichzeitig ist neben einer gewissen Faszination für diese
von Tykwers Stamm-Kameramann Frank Griebe sehr atmosphärisch eingefangene
fremde Kultur und Wiege des Islam (es gibt sogar einen kurzen Abstecher
nach Mekka) die Sympathie des Films für die kleinen Leute klar erkennbar, um
die es Tykwer vor allem geht und für die in erster Linie Yousef
steht. Gerade die gute Chemie zwischen Alan und Yousef (überzeugend verkörpert
vom gänzlich filmunerfahrenen Theater-Schauspieler Alexander Black) sorgt
dafür, daß "Ein Hologramm für den König" in der ersten Hälfte
viel Freude bereitet. Ist Alan anfangs noch dezent genervt von dem redseligen jungen Mann –
der immer erst mal checkt, ob der reiche Ehemann seiner
Mehr-oder-weniger-Freundin einen Sprengsatz in seinem Auto plaziert hat … –,
freunden sie sich doch schnell an. Yousef macht Alan mit den örtlichen Gewohnheiten
bekannt, quasi mit dem "echten" Dschidda, das wenig zu tun hat mit
der abgehobenen und abgeriegelten Welt der Scheichs. Somit ist es Yousef, der
Alan gewissermaßen gerade durch seine Umwege zurück auf den richtigen Weg
befördert. Leider wird er in dieser Funktion in der zweiten Filmhälfte durch
die Ärztin Dr. Zarah Hakeem abgelöst. Nicht daß gegen die oder ihre formidable
(übrigens indischstämmige, was vermutlich mit einigen Nacktszenen
zusammenhängt) Darstellerin Sarita Choudhury etwas einzuwenden wäre.
Nein, Dr. Hakeem, die eine der ganz wenigen weiblichen Ärzte im Land ist, ist
einem auf Anhieb sympathisch und auch die Anziehung zwischen ihr und Alan ist
absolut glaubhaft. Zudem wird durch sie auch die Sache mit der Diskriminierung
der Frauen in Saudi-Arabien nicht vernachlässigt, inhaltlich ergibt also alles
einen Sinn. Das Problem ist nur: Durch Dr. Hakeem wird "Ein Hologramm für
den König" von einer vielleicht nicht allzu tiefgehenden, aber dafür umso
unterhaltsameren Tragikomödie mit Culture Clash-Elementen zu einer ziemlich konventionellen Romanze. Und
das ist wohl sogar so gewollt, wenn Tykwer schon Dr. Hakeem sagen läßt, daß sie keine großen kulturellen Unterschiede zwischen sich und Alan erkennen
könne. So führt sie zwar Yousefs (eigentlich unbeabsichtigte) Anstrengungen zu einem guten
Ende, indem sie Alan endgültig wieder einen echten Sinn in seinem Leben erkennen läßt,
aber unglücklicherweise ist das alles so "normal" und ereignisarm,
daß es sich nur bedingt für einen Kinofilm eignet und dem starken Auftakt des
Films nicht wirklich gerecht wird. Das gilt umso mehr, als der viel spannendere kulturelle Hintergrund, die Interaktion mit den Scheichs und ihren aus aller Herren Länder "zusammengekauften" Fachleuten – darunter die von "Borgen"-Ministerpräsidentin Sidse Babett Knudsen verkörperte Dänin Hanne – und schließlich auch Alans Präsentation vor dem König immer stärker in den Hintergrund rücken.
Fazit: "Ein Hologramm für den König" ist
eine anfangs sehr unterhaltsame, dabei erstaunlich humorvolle tragikomische Charakterstudie mit einem wieder
einmal famosen Tom Hanks, die aber leider mit einem eher lahmen,
antiklimaktischen dritten Akt endet.
Wertung: 7 Punkte (8 für die erste Hälfte, 6 für die
zweite).
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