Regie und Drehbuch: Joel und Ethan Coen, Musik: Carter
Burwell
Darsteller: Josh Brolin, George Clooney, Alden Ehrenreich,
Scarlett Johansson, Tilda Swinton, Ralph Fiennes, Channing Tatum, Frances
McDormand, Jonah Hill, Clancy Brown, Christopher Lambert, Veronica Osorio, Alison
Pill, Fisher Stevens, David Krumholtz, Patrick Fischler, Max Baker, John
Bluthal, Robert Picardo, Robert Trebor, Mather Zickel, Kyle
Bornheimer, Wayne Knight, Jack Huston, Agyness Deyn, Dolph Lundgren
FSK: 0, Dauer: 106 Minuten.
Hollywood, Anfang der 1950er Jahre: Auf dem Studiogelände
der Capitol Pictures geht es so turbulent zu wie immer. Auf einem Set wird eine
anspruchsvolle Theateradaption gedreht, auf einem anderen ein
Wasserballettfilm, auf einem dritten eine Matrosen-Musicalkomödie. Das ganz große
Prestigeprojekt ist jedoch "Hail, Caesar!", ein opulenter
Momunentalfilm über einen römischen Legionär – gespielt von dem Superstar Baird
Whitlock (George Clooney, "Burn After Reading") –, der durch eine kurze Begegnung mit Jesus Christus
kurz vor dessen Kreuzigung in seinem Glauben erschüttert wird. Eddie Mannix
(Josh Brolin, "Inherent Vice") ist der Mann, der im Hintergrund dafür
sorgt, daß all diese Produktionen halbwegs reibungslos ablaufen und auch die
Verfehlungen der Schauspieler in ihrem Privatleben möglichst unter der Decke
bleiben. Kurzum: Er ist ein sogenannter "Fixer" – und zwar der
wahrscheinlich beste in der gesamten Filmbranche. Womit er nun konfrontiert wird,
ist allerdings selbst für den alten Hasen Eddie neu: Baird Whitlock wird
kurz vor dem Abschluß der Dreharbeiten zu "Hail, Caesar!" von einer Studiengruppe
kommunistischer Drehbuch-Autoren entführt (wobei die Identität der
Entführer Eddie verborgen bleibt), die für seine Freilassung $100.000 Lösegeld fordert
…
Kritik:
Es ist keineswegs ein neuer Trend, daß Hollywood es liebt, Filme über
Hollywood (oder ganz allgemein die Unterhaltungsindustrie) zu drehen, die häufig auch
mit Auszeichnungen belohnt werden. Allein in den letzten Jahren gab es mit
"The Artist" und "Birdman" sogar zwei OSCAR-gekrönte
"Hinter den Kulissen"-Filmen, die sich in eine Reihe mit thematisch
vergleichbaren, oft ausgesprochen bissigen Meisterwerken wie Robert Altmans "The
Player" oder Billy Wilders "Boulevard der Dämmerung" stellten.
Auch die Coen-Brüder haben sich zu ihrer kreativsten Zeit um 1990 herum mit der
sperrigen, aber ziemlich brillanten Tragikomödie "Barton Fink" bereits an dem
Sujet versucht – 25 Jahre später tun sie das mit "Hail, Caesar!"
erneut, wenngleich die Unterschiede allerdings beträchtlich sind. Wo "Barton
Fink" aus Sicht eines Drehbuch-Autors vor allem die bitteren Seiten des
Geschäfts satirisch beleuchtete, ist "Hail, Caesar!" eine mild
spöttische Liebeserklärung an das Kino der frühen 1950er Jahre, also in der Spätphase des
"Goldenen Zeitalters" von Hollywood während des Studiosystems.
Primäre Zielgruppe von "Hail, Caesar!" sind insofern naturgemäß Menschen, die
sich gut mit dieser Ära auskennen – was die Massenkompatibilität des Films
stark einschränkt, denn welcher durchschnittliche Kinogänger hat
schon tiefergehende Kenntnisse über das amerikanische Nachkriegskino? Zwar
funktioniert "Hail, Caesar!" vermutlich auch für dahingehend
unbeleckte Zuschauer einigermaßen gut als lockere Komödie mit Starbesetzung, den
ganz großen Reiz übt er allerdings zweifellos auf jene vergleichsweise wenige Kinofans aus (zu
denen ich mich zählen darf), die zumindest viele der
Anspielungen und Hommagen erkennen und zuordnen können.
Ein generelles dramaturgisches Problem ist jedoch, daß die
Coens bei "Hail, Caesar!" weniger auf eine stringente Handlung setzen
als auf eine Aneinanderreihung meist witziger Szenen mit geringer
inhaltlicher Verbindung zueinander. Zusammengehalten wird das zwar durch die
(reale, wenngleich hier sehr frei interpretierte) Figur des Eddie
Mannix, der beim Versuch, alles am Laufen zu halten, von Set zu Set eilt und
abends noch das gedrehte Rohmaterial sichtet – was auch für einige amüsante Augenblicke
sorgt, wenn etwa eine Szene, die in der fertigen Version wohl zeigen soll, wie
Moses von Gott die Zehn Gebote empfängt, im entscheidenden Moment abbricht und
mit der Texttafel "Göttliche Erscheinung in Produktion" fortsetzt …
Jedenfalls stellt Eddie den roten Faden dar, an dem sich die Handlung
entlanghangelt, das ist aber leicht als bloße Alibifunktion aus dramaturgischer
Notwendigkeit zu entlarven. In Wirklichkeit geht es Joel und Ethan Coen darum, dem
Publikum einen kurzen, aber möglichst umfassenden und angemessen detailverliebten Blick
auf das turbulente Treiben hinter den Kulissen eines großen Hollywood-Studios der
damaligen Zeit zu gewähren. Und dieses Vorhaben funktioniert ziemlich gut, was
auch daran liegt, daß die Coens immer wieder ihren berühmten
schwarzhumorigen Wahnsinn einflechten. So wirkt das Ganze mitunter wie eine
Episode von "Monty Python's Flying Circus", in denen ja auch gerne
munter, übergangslos und mit sich stetig steigerndem Irrsinn von Szenerie zu
Szenerie gesprungen wurde.
Tatsächlich bietet "Hail, Caesar!" einen guten
Überblick über die damals relevanten Genres und verquickt diesen mit vielen
skurrilen Ideen und (aber)witzigen, anekdotenhaften Momenten mit für Kenner klar
erkennbaren Anspielungen auf die damaligen Realitäten. Da wäre zum Beispiel der offensichtlich von Gene Autry inspirierte
singende Cowboy Hobie Doyle (Alden Ehrenreich, "Stoker"), der auf
Befehl der Studiobosse von dem B-Western, den er gerade dreht, abgezogen wird, um
seine Zielgruppe durch die Rolle in einer anspruchsvollen Theateradaption
auszubauen – obwohl er keinerlei schauspielerische oder sprachliche Ausbildung
genossen hat (was bei den B-Western ob seiner artistischen Fähigkeiten und seines
guten Aussehens egal war) und den renommierten Regisseur Laurence Laurentz
(Ralph Fiennes, "Spectre") deshalb schnell in den
Wahnsinn treibt. Oder wie wäre es mit DeeAnna Moran (Scarlett Johansson,
"Under the Skin"), dem großen Star im Genre der Wasserballettfilme –
einem der rückblickend betrachtet seltsamsten Trends, die es in Hollywood jemals
gab –, der (wie einst Esther Williams) von seiner unschuldig-erotischen
Ausstrahlung vor der Kamera lebt, aber im realen Leben bereits mit einem
Gangster und einem Junkie verheiratet war und nun schwanger (wahrscheinlich)
von einem viel älteren europäischen Regisseur (Christopher "Es kann
nur einen geben" Lambert in einem kurzen, aber witzigen Gastauftritt) ist,
weshalb ihr Eddie dringend einen Kandidaten für eine Schein-Ehe besorgen muß.
Und so hangelt sich "Hail, Caesar!" von einem für Kenner der Ära sehr amüsanten Moment zum nächsten, während die eigentliche Story – soweit man davon
überhaupt sprechen kann – über die Star-Entführung und Eddies
Versuche, deren Hintergründe zu verstehen, träge vor sich hindümpelt. Es ist
einfach zu offensichtlich, daß die Coens sich lieber den filmhistorischen
Hommagen widmen als den überwiegend schablonenhaft bleibenden Figuren oder der
Alibi-Handlung – auch wenn diese immer wieder mit genialen Augenblicken glänzt,
wenn etwa der von George Clooney wieder einmal hübsch selbstironisch interpretierte, eigentlich eher simpel gestrickte Baird hingebungsvoll
mit seinen kommunistischen Entführern über die Position der Filmbranche innerhalb des
kapitalistischen Systems debattiert …
Zum heimlichen Star des Films avanciert derweil Hobie Doyle,
der als einzige Filmfigur eine echte Entwicklung durchlaufen darf
und damit dem jungen Mimen Alden Ehrenreich erfreulich viel Gelegenheit
gibt, zu zeigen, was er drauf hat. Während Hobie zunächst noch wie nur ein weiteres Stereotyp
wirkt als der singende Cowboy, den scheinbar nichts interessiert, was nicht
irgendwie mit Western zu tun hat, durchläuft er nach seiner Abberufung vom Set
fast schon eine Karriere im Schnelldurchlauf. Die Versuche, sich mit typisch
breitbeinigem Western-Gang und undeutlicher Aussprache in einem dialoglastigen historischen Drama zurechtzufinden, sind schon herrlich mit anzusehen; später darf er
dann sogar überraschende geistige Fähigkeiten offenbaren, als er Eddie in Sachen
Entführung auf den richtigen Weg bringt – und schließlich zeigen die Coens in einer
kurzen wortlosen, von Kameramann Roger Deakins ("Sicario")
perfekt eingefangenen (und ausgeleuchteten) Film noir-Autosequenz sogar auf
subtile Art und Weise, wie gut sich Ehrenreich als gebrochener Anti-Held á la
Humphrey Bogart machen würde. Derart glänzen dürfen die deutlich größeren Stars nicht, dennoch merkt man ihnen den Spaß an ihren kleinen
Rollen an, was vor allem auf Tilda Swinton ("Moonrise Kingdom") in einer
Doppelrolle als rivalisierende Boulevardjournalisten-Zwillingsschwestern und auf
Channing Tatum ("21 Jump Street") als stepptanzender
Hauptdarsteller des bereits erwähnten, virtuos choreographierten Matrosen-Musicals (samt homoerotischer Andeutungen) – quasi in jener Rolle, die früher Gene Kelly gespielt hätte – zutrifft. Allgemein ist es bewundernswert, wie viele Themen die Coens in diesem Film
unterbringen, teils auch nur im Vorbeigehen und für viele Zuschauer vermutlich
unbemerkt (wie besagte Film noir-Sequenz, die gestelzte Sprache in dem Bibelfilm oder einige Details bei der Sache mit den kommunistischen Drehbuch-Autoren). Gleichzeitig muß aber klar
gesagt werden, daß die thematische Vielfalt eben ihren Tribut zollt, da
"Hail, Caesar!" letztlich nur an der glänzenden Oberfläche des Studiosystems kratzt und
deutlich weniger satirischen Biß zeigt als man das von den Coen-Brüdern
eigentlich gewohnt ist. Aber mitunter wollen halt auch so begnadete
Künstler einfach "nur" einen unterhaltsamen Film ohne größeren
Anspruch drehen.
Fazit: "Hail, Caesar!" ist eine
detailverliebte Liebeserklärung an das Hollywood-Nachkriegskino, die gut
unterhält und für Kenner der Materie mit unzähligen klugen bis brillanten
Anspielungen aufwartet, aber für sich genommen doch etwas unter dem Fehlen
einer richtigen Handlung und Figurenzeichnung leidet.
Wertung: 7,5 Punkte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen