Regie: Kristian Levring, Drehbuch: Anders Thomas Jensen und
Kristian Levring, Musik: Kasper Winding
Darsteller: Mads Mikkelsen, Jeffrey Dean Morgan, Eva Green,
Mikael Persbrandt, Jonathan Pryce, Douglas Henshall, Eric Cantona, Michael
Raymond-James, Alexander Arnold, Danny Keogh, Sean Cameron Michael, Adam Neill,
Nanna Øland Fabricius, Toke Lars Bjarke
FSK: 16, Dauer: 93 Minuten
Nach dem gegen die Preußen verlorenen Krieg ist der dänische
Soldat Jon (Mads Mikkelsen, "King Arthur") mit seinem Bruder Peter
(Mikael Persbrandt, "Der Hobbit – Smaugs Einöde") 1864 nach Amerika
ausgewandert. Während seine Frau Marie und sein kleiner Sohn Kresten noch in
Dänemark blieben, haben Jon und Peter sich in einer kleinen Siedlerstadt
irgendwo im Nirgendwo eine Existenz aufgebaut. Sieben Jahre später holt Jon
seine Familie endlich nach. Doch die letzte Station der Reise verläuft tragisch: Nachdem Jon Marie und Kresten vom Zug abgeholt hat, geht es
mit der Postkutsche in die neue Heimat – doch zwei eben aus der Haft
entlassene Mitreisende entpuppen sich als nicht allzu angenehme
Reisegesellschaft: Paul (Michael Raymond-James, "Jack Reacher") und
sein Kumpan werfen Jon kurzerhand aus der fahrenden Kutsche, wenig später
entdeckt er – der Kutsche zu Fuß folgend – zunächst die Leiche seines Sohnes,
dann die seiner Gattin sowie der beiden Kutscher. Die Mörder sind auch noch
anwesend, aber Jon macht kurzen Prozeß mit ihnen. Eine sehr verständliche Tat,
die aber unangenehme Folgen für die ganze Stadt hat, denn Paul war der jüngere Bruder des ehemaligen Offiziers Delarue (Jeffrey Dean Morgan,
"Watchmen"), der mit seiner Bande bereits seit längerem die Gegend terrorisiert
und nun Rache schwört …
Kritik:
Dafür, daß der Western eigentlich seit Jahrzehnten als so
gut wie ausgestorben gilt, gibt es noch immer erstaunlich häufig neue
Genrevertreter – von denen etliche weiterhin aus den USA kommen ("True Grit", "Django Unchained", "Open Range",
"Sweetwater"), immer mehr aber auch aus Europa ("Das finstere
Tal", "Blackthorn") und sogar aus Asien ("The Good, the Bad, the Weird",
"The Warrior's Way", "The Unforgiven"). "The
Salvation" hat seine Wurzeln dank Regisseur, Drehbuch-Autoren,
Komponist und Hauptdarsteller in Dänemark. Die Ausrichtung ist allerdings
international, nicht nur, weil die Finanziers auch aus Großbritannien und
Südafrika (wo die Dreharbeiten stattfanden) stammen. In der Besetzung
finden sich Franzosen (Green, Cantona), Schweden (Persbrandt), Amerikaner
(Morgan, Raymond-James) und Briten (Pryce, Henshall), stilistisch gibt es klare
Anleihen beim Italo-Western. Eine Melange, die unerwartet gut funktioniert und einen sehr geradlinigen Oldschool-Western mit gesellschaftskritischer
Note ergibt.
Anfangs dominieren klassische Westernmotive: die Rachestory,
der wortkarge Protagonist, die klare Schwarz-Weiß-Einteilung der meisten
Figuren (eine wohltuende Ausnahme ist der Sheriff, der gleichzeitig auch der
Pfarrer der Stadt ist und im gutgemeinten Versuch, das Beste für die
Gemeinschaft zu erreichen, auch mal sehr böse Dinge tut). Doch schon nach
relativ kurzer Zeit werden diese Motive genügend variiert (etwa durch die wechselnde Rache-Perspektive), um nicht zu
langweilen. Eine besondere zusätzliche Facette verleiht der insgesamt dennoch
nicht übermäßig originellen Handlung die von Eva Green ("Sin City 2") gespielte Figur:
Madelaine wurde als Kind von Indianern entführt, die ihr die Zunge
herausschnitten. Ausgerechnet Paul hat sie gerettet und geheiratet, nach seinem
Tod verspricht ihr nun sein Bruder, sich um sie zu kümmern. Angesichts
ihrer Schönheit ist das allerdings kein ganz uneigennütziges Angebot, zunächst
ist nicht ganz klar, wie Madelaine dazu und generell zu Delarues
Machenschaften steht. Sie ist gewissermaßen der Joker der Handlung, die
Graustufe zwischen Schwarz und Weiß. Und Eva Green verkörpert diese
faszinierende Rolle auch ohne Worte gewohnt intensiv und energiegeladen.
Überhaupt ist die Besetzung eine der größten Stärken von
"The Salvation": Zwar gibt es keine ganz großen Namen im Cast, dafür
haben die Filmemacher sorgfältig darauf geachtet, echte Charakterköpfe für die
Rollen auszuwählen, die hervorragend in einen Western passen. Ob
das nun Jeffrey Dean Morgan als grimmiger, brutaler Rächer ist, Michael
Raymond-James als hitzköpfiger Mörder und Vergewaltiger, Douglas Henshall ("Der Adler der neunten Legion") als Sheriff und Pfarrer, Jonathan Pryce ("In guten Händen") als geschäftstüchtiger Bürgermeister (der gleichzeitig
Schreiner ist und dank großer Nachfrage nach Särgen gut daran verdient), der
kantige Ex-Fußballer Eric Cantona ("Looking for Eric") als Delarues
rechte Hand, Alexander Arnold (TV-Serie "Skins") als mutiger junger
Ladenbesitzer Voichek oder Mikael Persbrandt als Jons kampfstarker Bruder: Sie
alle füllen ihre Rollen ideal aus. Diese Stärke bringt allerdings gleichzeitig
auch die bedeutendste Schwäche des Films mit sich: Er ist mit seinen 90 Minuten
zu kurz, um all den interessanten Figuren gerecht zu werden. Zwar sind diese
von den Autoren markant genug gezeichnet, daß sie schnell im
Gedächtnis bleiben und man gerne mehr über sie erfahren würde (wobei natürlich
wiederum die hervorragende Besetzung eine Rolle spielt), doch echten Tiefgang
gibt es kaum, eine Entwicklung ist nur in Ausnahmefällen zu erkennen – am offensichtlichsten
bei Madelaine. Dummerweise kommt gerade Protagonist Jon in dieser Hinsicht
etwas zu kurz: Zu sehr verläßt sich Regisseur Levring ("Wen du fürchtest") auf dessen Stellung als
archetypischer schweigsamer Westernheld á la Eastwood, versäumt es darob aber etwas, diese leidgeprüfte Figur noch interessanter zu gestalten. Auch die
Schauspielkünste Mikkelsens kommen deshalb nicht so zum Tragen wie in vielen
anderen Filmen – Mikkelsen gibt einen sehr soliden Westernhelden ab, aber Jon ist meist einfach zu stoisch, als daß er sich nachhaltig
ins Gedächtnis des Zuschauers einbrennen könnte.
Einige Kritiker werfen "The Salvation" vor, er
sei zwar gut gemacht, aber nicht eigenständig genug, kaum mehr als
eine Kopie der bekannten amerikanischen Western. Meiner Ansicht nach trifft
dieser Vorwurf nicht zu. Obwohl es, wie erwähnt, der Story tatsächlich an
Originalität mangelt, haben Levring und sein Co-Autor Anders Thomas Jensen ("In einer besseren Welt") unter der
Oberfläche doch einige interessante Nuancen eingebaut, die der näheren Betrachtung
wert sind. Vor allem ist die Handlung viel gesellschafts- und auch
amerikakritischer als es bei US-Western in der Regel üblich ist (dafür wird die
Nähe zu den großen Italo-Western eines Sergio Leone in dieser Hinsicht
besonders deutlich). Phasenweise hat man fast das Gefühl, Lars von Trier hätte
doch noch seine "Amerika"-Trilogie abgeschlossen, die nach den ersten
beiden Teilen "Dogville" und "Manderville" seit vielen Jahren
ihrer Fortsetzung harrt, denn "The Salvation" läßt kaum eine
Gelegenheit zur Kritik aus. Auch hier kann man wieder den Mangel an Tiefgang
beklagen, dennoch ist es sehr interessant, wie schonungslos realistisch das raue,
entbehrliche Siedlerleben geschildert wird: Es herrscht auf extreme Weise das
Recht des Stärkeren, Loyalität gibt es eigentlich nur innerhalb von Familien,
die Furcht vor Delarue und seiner Bande sorgt dafür, daß jegliche Moral und
jeglicher Anstand unter dem Mäntelchen des "Wohls der Gesamtheit"
vergessen wird. Korruption und Gier sind allgegenwärtig und durch Delarues
Vergangenheit bleiben auch die Verbrechen an den Indianern nicht unerwähnt (der
Bürgermeister erzählt Jon, früher wäre Delarue ein guter Typ gewesen; daß er
nun ein brutaler Zyniker ist, liege wohl daran, daß er als Soldat zu viele
Indianer getötet habe). Und während sich die Menschen je nach Stellung und
Charakter entweder in ihren Gewalt-, Rache- und Machtphantasien suhlen oder
aber nach Kräften buckeln, um irgendwie am Leben zu bleiben, blubbert im Hintergrund
gemächlich die Ölquelle, deren Existenz überhaupt erst für Delarues Anwesenheit
gesorgt hat ...
Das alles ist handwerklich gut umgesetzt und wirkt stilvoll und authentisch, auch wenn man der Produktion das im Vergleich zu Hollywood geringe
Budget von rund 10 Millionen Euro hin und wieder ansieht und es Kameramann
Jens Schlosser trotz einiger stimmungsvoller Aufnahmen nicht gelingt, solch epische Bilder auf die Leinwand zu bannen,
wie man sie eigentlich von Western gewohnt ist. Dafür ist die relativ spärlich,
aber effektiv eingesetzte Musik von Kasper Winding ausgezeichnet gelungen
und kommt vor allem im unvermeidlichen finalen Shootout gut zur Geltung. Der
ist sehr spannend in Szene gesetzt, generell überzeugend konstruiert und
choreographiert und erinnert ein wenig an das große Finale von Kevin Costners "Open
Range". Ein Fest für Western-Liebhaber.
Fazit: "The Salvation" ist geradliniger
Oldschool-Western für Genrefans, der vor allem mit seiner grimmigen Machart und
einer bis in die Nebenrollen ausgezeichneten Besetzung punktet, auch wenn die
Handlung nicht ganz frei von Klischees ist und die Bildgewalt der großen Vorbilder
nur selten erreicht wird.
Wertung: 8 Punkte.
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