Regie: Francis Lawrence, Drehbuch: Simon Beaufoy und Michael
Arndt, Musik: James Newton Howard
Darsteller: Jennifer Lawrence, Josh Hutcherson, Woody
Harrelson, Donald Sutherland, Liam Hemsworth, Sam Claflin, Elizabeth Banks,
Philip Seymour Hoffman, Stanley Tucci, Lenny Kravitz, Jena Malone, Jeffrey
Wright, Amanda Plummer, Alan Ritchson, Lynn Cohen, Patrick St. Esprit, Meta Golding, Toby Jones,
Leon Lamar, Willow Shields, Paula Malcomson
Rotten Tomatoes: 90% (7,6); weltweites Einspielergebnis: $865,0 Mio. FSK: 12, Dauer: 146 Minuten.
Präsident Aldous Snow (Donald Sutherland, "Stolz und Vorurteil") ist nicht glücklich. Daß die junge Katniss Everdeen (Jennifer
Lawrence, "Silver Linings") bei den letzten Hungerspielen damit
durchkam, entgegen der Regeln gemeinsam mit ihrem Distrikt-Partner Peeta
Mellark (Josh Hutcherson, "The Kids Are All Right") zu überleben,
indem sie strategisch brillant die Sympathien des Publikums ausnutzte, war ein
Akt der Rebellion, der in den armen äußeren Bezirken Panems ihren Widerhall
findet. Während Katniss, Peeta und ihr Mentor Haymitch (Woody Harrelson,
"7 Psychos") ihre obligatorische Siegestour durch alle Distrikte
bestreiten, wird ihnen schnell klar, daß manche von diesen ganz dicht vor der
Schwelle zur offenen Revolution stehen. Das ist auch Präsident Snow
bewußt, der entsprechend Gegenmaßnahmen ergreift, die vor allem mit brutaler
Gewalt zusammenhängen. Da er erkennt, wie gefährlich für ihn und seine
Machtposition Katniss werden kann, will er sie über kurz oder lang final aus dem Weg
schaffen, doch sein neuer "Spielemacher" Plutarch Heavensbee (Philip
Seymour Hoffman, "Glaubensfrage") hat eine bessere Idee: Das
"Jubel-Jubiläum" der 75. Hungerspiele soll gefeiert werden, indem
sich die Teilnehmer ausschließlich aus vergangenen Siegern rekrutieren – und da
Katniss die einzige lebende Gewinnerin aus Distrikt 12 ist, trifft es sie zu ihrem
großen Entsetzen auf jeden Fall. Nur daß sie diesmal nicht auf in
etwa gleichaltrige Jünglinge treffen wird, sondern auf erfahrene Kämpfer wie
den etwas geckenhaften Finnick Odair (Sam Claflin, "Snow White and the Huntsman"), den hochintelligenten Beetee (Jeffrey Wright, "Ein Quantum Trost"), die leicht durchgeknallte Johanna (Jena Malone,
"Sucker Punch") oder die erprobte Kampfmaschine Brutus (Bruno Gunn, "Bad Teacher") ...
Kritik:
Ich gebe zu, meine Erwartungen an den zweiten Teil der
"Die Tribute von Panem"-Reihe waren nicht die allergrößten. Der
Vorgänger "The Hunger Games" hatte mich nur in der ersten Hälfte
richtig überzeugen können; das, was ich über die Story des Nachfolgers gelesen
hatte, klang ziemlich ähnlich und damit nicht unbedingt aufregend; und daß Regisseur
Gary Ross noch vor Produktionsbeginn das Handtuch warf, weil ihm der vom Studio
gesetzte strikte Zeitplan zu eng erschien, um ihn ohne qualitative Einbußen umsetzen zu
können, weckte auch nicht gerade Vertrauen – zumal sein Ersatz Francis Lawrence
zuvor mit Filmen wie "Constantine", "I Am Legend" und
"Wasser für die Elefanten" zwar solide Unterhaltung geschaffen hatte,
aber ganz bestimmt keine Highlights der Kinogeschichte. Hoffnung machte mir dagegen, daß im ersten Teil die Grundkonstellation insgesamt gut dargelegt wurde und
damit "Catching Fire" mehr ins Eingemachte gehen könnte, zumal das
Budget im Vergleich zum (teilweise in der Tat von der Produktionsseite her etwas
limitiert wirkenden) Vorgänger fast verdoppelt wurde. Zum Glück
wurden diese Hoffnungen voll erfüllt, wohingegen meine Befürchtungen nur
ansatzweise zum Tragen kommen. Und so kann ich verkünden: "Catching
Fire" ist ein richtig gutes dystopisches Abenteuer geworden – eine Klasse
besser als der direkte Vorgänger und sogar ein unverhofftes Highlight des
Filmjahres 2013!
Die erste Stunde von "Catching Fire" ist (wie beim
Vorgänger) ohne Frage die stärkste Phase. Die Handlung setzt einige Wochen nach
dem Ende von "The Hunger Games" mit den durch Katniss und Peeta
gewonnenen Hungerspielen ein, von Euphorie ist bei den sympathischen
Protagonisten jedoch wenig zu sehen. Eine Zeitlang dürfen sie sich in ihrer
Heimat Distrikt 12 aufhalten und sich bei ihren Familien und Freunden
von den Strapazen erholen. Die sichtlich traumatisierte Katniss muß nebenbei auch noch ihren Freund Gale
(Liam Hemsworth, "The Expendables 2") davon überzeugen, daß die bei den Hungerspielen erblühende
Romanze mit Peeta nur gespielt war (zumindest von ihrer Seite aus), damit beide
überleben können. Somit wird die im Vorgänger nur angedeutete
Dreiecksgeschichte zwischen Katniss, Gale und Peeta wieder aufgenommen, die
dieses Mal eine deutlich größere Rolle spielt. Regisseur Lawrence und die
beiden OSCAR-gekrönten Drehbuch-Autoren Beaufoy ("Slumdog Millionär")
und Arndt ("Little Miss Sunshine") finden hier aber die
richtige Balance, um das Teenie-Kernpublikum zufriedenzustellen und
gleichzeitig ältere Zuschauer nicht mit ausgedehnten Liebesschwüren oder ähnlichem
zu nerven oder langweilen. Die romantischen Szenen werden niemals zum
Selbstzweck, sondern dienen neben der weiteren Ausgestaltung der Hauptfiguren
auch der Dramaturgie.
Im Mittelpunkt dieser tollen ersten Stunde stehen aber die
gesellschaftlichen Zustände in Panem. Katniss und Peeta bekommen davon, als sie
zu ihrer großen Siegestour aufbrechen müssen, zwar nur wenig aus erster Hand mit – doch
das, womit sie konfrontiert werden, ist beeindruckend, ja sogar
gänsehauterzeugend inszeniert. Die düsteren, an James McTeigues meisterhafte Graphic
Novel-Verfilmung "V wie Vendetta" erinnernden Szenen, in denen die
Obrigkeit brutal gegen selbst kleinste Andeutungen von Widerstand vorgeht,
haben so gar nichts mit einem harmlosen Teenager-Film zu tun, sondern sind ziemlich
schwere Kost. Im Kontrast zwischen der Dekadenz der inneren Distrikte und der
bitteren Armut der unterdrückten Arbeiterkaste in den äußeren Distrikten wird
natürlich auch eine deutliche Kritik an heutigen Zuständen offensichtlich. Das
ist nicht allzu subtil, wird aber doch dezent genug gehalten, um nicht plump
oder aufdringlich zu wirken. Nebenbei werden einige Nebenfiguren, die im
ersten Teil noch etwas kurz kamen, weiter ausgebaut: Die schillernde Effie Trinket
(Elizabeth Banks, "Movie 43") erhält einige Facetten, die sie
deutlich von der wandelnden Karikatur, die sie bisher war, abheben, vor allem
aber kann sich der von Altstar Donald Sutherland wiederum höchst überzeugend
verkörperte Präsident Snow nun so richtig als ernstzunehmender Bösewicht
etablieren, gerade in einigen beeindruckenden Szenen, die ihn direkt mit
Katniss konfrontieren.
Nach diesem wirklich grandiosen Auftakt läßt die Qualität
von "Catching Fire" ein wenig nach, allerdings bei weitem nicht so
stark wie es bei "The Hunger Games" der Fall war. Das Problem, mit dem
ich schon im Vorfeld am stärksten gerechnet hatte, tritt nun tatsächlich ein:
Die Erzählstruktur von "Catching Fire" ist im Grunde genommen beinahe
identisch zu der des Vorgängers. Das ist den Filmemachern selbstverständlich
bewußt, und so bemühen sie sich sichtlich, gegenzuwirken, indem sie beispielsweise
die Trainingsphase für diese Hungerspiele deutlich kürzer halten.
Tatsächlich ist es interessant, die zahlreichen Detail-Unterschiede zu
"The Hunger Games" zu beobachten und zu analysieren; im ersten Film war
Katniss noch eine krasse Außenseiterin, der es gelang, zum unumstrittenen
Publikumsliebling zu werden – nun muß sie darum kämpfen, trotz der
Gegenbemühungen durch Präsident Snow und den neuen Spielemacher diesen potentiell überlebenswichtigen Status beizubehalten, der sie zugleich aber auch zur Zielscheibe macht. Dies darzustellen ist eine
anspruchsvolle Aufgabe, weshalb es sich gut trifft, daß Jennifer Lawrence
sich seit "The Hunger Games" von der hoffnungsvollen Newcomerin zu einer bewährten OSCAR-Gewinnerin mit herausragenden schauspielerischen Fähigkeiten
entwickelt hat. Nichts gegen Josh Hutcherson, der als Peeta fraglos überzeugt,
aber Jennifer Lawrence dominiert "Catching Fire" mit ihrer Ausstrahlung und ihrer nuancierten Ausdruckskraft von Beginn an.
Angesichts der Zuspitzung der Ereignisse kommt der Humor
erwartungsgemäß recht kurz, doch gibt es speziell in der Phase vor Beginn des
"Jubel-Jubiläums" einige gelungene Gags mit der vielleicht witzigsten
Aufzug-Fahrt der Kinogeschichte als einsamem Höhepunkt (man achte in der
betreffenden Szene auf die Gesichter der Beteiligten!). Auch das ist
dramaturgisch gut durchdacht, denn zwischen dem bedrückenden, dystopischen
Auftakt und den actionreichen, spannungsgeladenen Hungerspielen kann das Publikum eine kurze
Durchschnauf-Phase gut gebrauchen, die auch noch zur Vorstellung der
neuen Charaktere genutzt wird. Angesichts der verkürzten Trainingsphase fällt
diese zwangsläufig ziemlich kurz aus, worunter einige Figuren definitiv leiden (allen voran der neue Spielemacher, der vermutlich in den letzten beiden
Filmen eine deutlich größere Rolle spielen wird, ansonsten wären die Talente
von Philip Seymour Hoffman sträflich verschwendet). Das ist
schade, denn die früheren Hungerspiele-Gewinner entwickeln selbst in ihren
wenigen Szenen fast durchweg mehr Persönlichkeit als es bei den meisten
Teilnehmern in "The Hunger Games" der Fall war. Vor allem Jena Malone
porträtiert ihre Rolle als Johanna – die übrigens maßgeblich an der erwähnten Fahrstuhl-Szene beteiligt ist – wunderbar energetisch, aber auch die anderen
"guten" Teilnehmer machen ihre Sache gut. Die "bösen"
Spieler werden dagegen leider fast komplett vernachlässigt, was sie einerseits zu
undankbaren Rollen macht, andererseits aber während der Hungerspiele völlig unberechenbar erscheinen läßt – was der Spannung wiederum zugutekommt.
Die titelgebenden Spiele waren in "The Hunger
Games" mein mit Abstand größter Kritikpunkt, da mich ihre – gerade im Vergleich mit dem thematisch ähnlich veranlagten japanischen
"Battle Royale" – ein Stück weit weichgespülte und relativ
überraschungsarme Inszenierung schwer enttäuschte. "Catching Fire"
macht seine Sache in dieser Hinsicht weit besser: Die Kämpfe während der
Hungerspiele werden konsequenter und geradliniger ausgetragen und sind viel
selbstsicherer in Szene gesetzt – da kommt sicherlich zum Tragen, daß
Francis Lawrence mehr Erfahrungen im Spannungskino gesammelt hat als es bei Gary Ross (der zuvor nur die satirische
Tragikomödie "Pleasantville" und das Feelgood-Movie
"Seabiscuit" gedreht hatte) der Fall war. Für reichlich Spannung und
Abwechslung sorgt zudem, daß dieses Mal gar nicht unbedingt die anderen
Teilnehmer die größte Gefahr für Katniss und Co. darstellen, sondern die
tropische Umgebung, in der diese Ausgabe der Hungerspiele stattfindet, und die
von Plutarch Heavensbee ersonnenen, ebenso kreativen wie sadistischen Fallen. Daß die Konstellation der einzelnen Figuren innerhalb der Spiele vorhersehbar ist, läßt sich da verschmerzen.
Das alles funktioniert – auch dank des erwähnten
höheren Budgets, das man "Catching Fire" deutlich ansieht –
wunderbar, zumindest bis kurz vor Schluß. Denn mein größter Kritikpunkt ist zweifellos das Finale, das sehr abrupt mit einer
Wendung endet, die ich zwar im Kern erahnt hatte, deren Zustandekommen aber leider ziemlich unlogisch und auch unglaubwürdig wirkt. Normalerweise gehöre ich
nicht zu jenen Zuschauern, die in jedem Film alle Geschehnisse haarklein
erklärt bekommen wollen, eher im Gegenteil (sonst könnte ich kaum David Lynchs
"Mulholland Drive" zu meinen Lieblingsfilmen zählen ...); aber in
diesem speziellen Fall wäre eine wenigstens rudimentäre Erläuterung vor allem der
technischen Hintergründe eindeutig wünschenswert gewesen. So wird das Publikum
mit einem Cliffhanger zurückgelassen, der zwar gekonnt das Verlangen
schürt, wissen zu wollen, wie es im nächsten Film "Mockingjay, Teil 1" weitergeht, dabei aber ärgerlich
effekthascherisch vorgeht. Dabei hätte das dieser alles in allem sehr gute Film gar
nicht nötig.
Fazit: "Die Tribute von Panem – Catching
Fire" ist ein actionreicher Abenteuerfilm vor einer dystopischen Kulisse, der mit seiner hochwertigen
Produktion, der durchdacht präsentierten Gesellschaftskritik und dem von einer fabelhaften Jennifer Lawrence angeführten hochkarätigen Schauspieler-Ensemble trotz einer fast
identischen Erzählstruktur seinen (sehr ordentlichen) Vorgänger
"The Hunger Games" nicht nur ziemlich alt aussehen läßt, sondern sich auch weit von bloßem Teenager-Kino entfernt. Bis auf das
überhastete Finale ist "Catching Fire" definitiv einer der besten
Vertreter seiner Art.
Wertung: 8,5 Punkte.
Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger amazon.de-Bestellungen über einen der Links freuen.
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