Er war ohne jeden Zweifel einer der größten deutschen Filmemacher aller Zeiten und wenn es um die Anzahl der Zuschauer geht, die seine Filme überall auf der Welt in die Kinos lockten, dürfte ihm höchstens Roland Emmerich Konkurrenz machen: Wolfgang Petersen. Bereits am vergangenen Freitag ist Wolfgang Petersen an seinem Wohnsitz der letzten Jahrzehnte in Kalifornien an den Folgen einer Krebserkrankung verstorben.
Der während des Zweiten Weltkrieges im niedersächsischen Emden geborene Wolfgang Petersen entdeckte früh seine Leidenschaft für die Welt des Films und Fernsehens und nach einigen Kurzfilmen bekam er die Chance, sich bei der damals noch neuen TV-Reihe "Tatort" hinter der Kamera zu beweisen. Das gelang ihm mit insgesamt sechs Folgen, die er zwischen 1971 und 1977 drehte und von denen sein letzter, der damals skandalumwitterte und heute absolut kultige "Reifezeugnis" mit der 15-jährigen Nastassja Kinski, sagenhafte 25 Millionen Zuschauern vor die Fernsehgeräte lockte - Platz 2 in der ewigen "Tatort"-Bestenliste! Auch mit einigen TV-Filmen sorgte Petersen schnell für Aufsehen, darunter die gesellschafskritische Pseudo-Doku "Smog" (1973), die Gaunerkomödie "Vier gegen die Bank" (1976) und das romantische Drama "Die Konsequenz" (1977; nach dem autobiographischen Roman von Alexander Ziegler), das mit seiner gefühlvollen Darstellung einer homosexuellen Liebesgeschichte bahnbrechend für das deutsche Fernsehen war (und vom damals noch erzkonservativen Bayerischen Rundfunk zunächst boykottiert wurde). Sicherlich aufgrund des großen Wirbels rund um den Film kam "Die Konsequenz" interessanterweise einen Monat nach der TV-Premiere sogar noch ins Kino! Petersens erster "echter" Kinofilm wurde allerdings bereits 1974 veröffentlicht, wobei er bei dem Thriller "Einer von uns beiden" wie bereits in einer "Tatort"-Episode und dann bei dem TV-Film "Hans im Glück" (1976) und bei "Die Konsequenz" mit dem jungen, prägnanten Schauspieler Jürgen Prochnow zusammenarbeitete.
Das fünfte gemeinsame Werk von Petersen und Prochnow sollte beider endgültigen Durchbruch bedeuten - und das wohlgemerkt auch international. Die Rede ist natürlich von "Das Boot", der legendären Adaption des Romans von Lothar-Günther Buchheim. Der zweieinhalbstündige U-Boot-Thriller, der den Zweiten Weltkrieg aus der einzigartigen und in mehrfacher Hinsicht beengten Perspektive einer deutschen U-Boot-Besatzung (mit Prochnow als Kapitän) schildert, hält bis heute den Rekord für den deutschen Film (internationale Koproduktionen nicht mitgerechnet) mit den meisten OSCAR-Nominierungen: Sensationelle sechs Stück waren es, darunter zwei für Wolfgang Petersen als Regisseur und Drehbuch-Autor. Zwar ging "Das Boot" letztlich leer aus, da Sir Richard Attenboroughs "Gandhi" groß abräumte, aber alleine die fast vier Millionen US-Kinogänger für den nur untertitelt gezeigten Film zeigen, welch großen Eindruck "Das Boot" und Petersen hinterließen - das gilt natürlich erst Recht für den aktuellen Platz 77 in den IMDb Top 250 der besten Filme aller Zeiten! In den folgenden Jahren wurden noch einige weitere, deutlich längere Fassungen von "Das Boot" veröffentlicht, darunter eine über fünfstündige TV-Serien-Version.
Drei Jahre nach "Das Boot" folgte Petersens erster englischsprachiger Film und ein Werk, das die Kindheit sehr vieler Menschen geprägt haben dürfte, die in den 1980er oder auch noch 1990er Jahren aufgewachsen sind: "Die unendliche Geschichte". Die aufwendige und farbenprächtige Adaption des Jugend-Fantasy-Bestsellers von Michael Ende mit der zehnjährigen Identifikationsfigur Bastian, dem tapferen jungen Krieger Atréju, der lieblichen Kindlichen Kaiserin und natürlich dem freundlichen Glücksdrachen Fuchur sollte in Deutschland Petersens erfolgreichster Kinofilm werden: 4,8 Millionen Kinogänger erreichte er nicht einmal mit seinen größten Hollywood-Blockbustern. In den USA war "Die unendliche Geschichte" im Kino trotz etwa sechs Millionen Zuschauern kein wirklicher Hit, gewann in den folgenden Dekaden aber u.a. durch viele TV-Ausstrahlungen ebenfalls große Popularität. Nach einer weiteren deutsch-amerikanischen Koproduktion, dem soliden, aber nicht übermäßig bemerkenswerten SciFi-Drama "Enemy Mine" mit Dennis Quaid und Louis Gossett Jr. (1985), wechselte Petersen mit seiner eigenen Produktionsfirma endgültig nach Hollywood und zog dafür permanent in die USA.
Petersens erster echter Hollywood-Film ließ jedoch ein paar Jahre auf sich warten. Erst 1991 kam der Thriller "Tod im Spiegel" mit Tom Berenger und Bob Hoskins in die Kinos, der allerdings mit seinem finalen Twist die Kritiker polarisierte und an den Kinokassen floppte. Glücklicherweise nur ein kleiner Rückschritt für den norddeutschen Filmemacher, denn gleich sein zweiter Hollywood-Film etablierte ihn als einen der großen Regiestars der Traumfabrik: "In the Line of Fire" (1993) mit Clint Eastwood als alterndem Secret Service-Agenten, der einen Anschlag auf den US-Präsidenten verhindern will, gelang das Kunststück, massentaugliches Popcorn-Kino mit einem nicht unerheblichen inhaltlichen Anspruch zu kombinieren. Das Resultat begeisterte die Kritiker (es ist Petersens best-rezensierter Hollywood-Film), bescherte Petersen in den USA seinen ersten $100 Mio.-Blockbuster und obendrauf gab es sogar noch drei OSCAR-Nominierungen. "In the Line of Fire" war der Auftakt für fast eineinhalb Dekaden, in denen Petersen einen Hit nach dem anderen fabrizierte. Der Seuchenthriller "Outbreak" (1995), der mit Dustin Hoffman als Actionheld überraschte, traf nicht zuletzt aufgrund eines fast zeitgleichen besorgniserregenden echten Ebola-Ausbruchs einen Nerv und vervierfachte weltweit beinahe sein Budget von $50 Mio.; alleine in Deutschland lockte der Film zweieinhalb Millionen Besucher in die Kinos, die sich auch von den eher mittelmäßigen Kritiken nicht abschrecken ließen, denn einigen Rezensenten war "Outbreak" dann doch etwas zu oberflächlich und actionzentriert.
Zum Kritikerliebling avancierte Petersen fortan nicht mehr unbedingt, dem Publikumsinteresse schadeten die zumeist mediokren bis leicht positiven Kritiken aber nicht. Bestes Beispiel dafür war weitere zwei Jahre später das betont patriotische Actionspektakel "Air Force One", in dem sich Harrison Ford als zupackender US-Präsident alleine mit einem ganzen Haufen von Terroristen anlegt (und in dem Jürgen Prochnow in einer kleinen Rolle als kasachischer Diktator auftritt). Angesichts der Prämisse überrascht es kaum, daß "Air Force One" (zwei OSCAR-Nominierungen) in den USA besonders gut lief, wo er mit einem Einspielergebnis von $173 Mio. Petersens zweiterfolgreichster Film wurde (nach Zuschauerzahl sogar der erfolgreichste). Mit dem auf einer wahren Geschichte basierenden Katastrophenfilm "Der Sturm" (2000, zwei OSCAR-Nominierungen) mit George Clooney und Mark Wahlberg kehrte Petersen ins Wasser zurück und feierte einen weiteren Welthit, in den USA übertraf "Der Sturm" mit knapp $183 Mio. sogar noch "Air Force One". Petersens global größter Erfolg wurde allerdings ein episches Historienspektakel: "Troja" (2004, eine OSCAR-Nominierung) mit Brad Pitt als griechischem Sagenheld Achilles spielte beinahe $500 Mio. ein!
Ironisch mutet es an, daß Wolfgang Petersens Hollywood-Karriere durch "Das Boot" gestartet wurde und mit einem weiteren Film über ein Wasserfahrzeug endete: "Poseidon", ein überflüssiges und weitgehend ideenloses Remake des Katastrophenfilm-Klassikers "Die Höllenfahrt der Poseidon" aus dem Jahr 1972, floppte 2006 auf der ganzen Linie und sollte Petersens letzter Hollywood-Film bleiben. Damit war dann leider auch ein Projekt endgültig gestorben, auf das viele Filmfans sehr gespannt waren: 2002 wurde Petersen nämlich als Regisseur eines "Batman vs. Superman"-Films bekanntgegeben! Petersen zog aber den Dreh von "Troja" vor, weshalb eine Umsetzung des Superhelden-Films bereits sehr fraglich wurde - nach dem "Poseidon"-Desaster war es definitiv passé. Nach "Poseidon" sollte Wolfgang Petersen nur noch einen Film drehen: Ein Kino-Remake seines eigenen TV-Films "Vier gegen die Bank" bedeutete 2016 seine Rückkehr nach Deutschland und verzeichnete mit seiner deutschen Starbesetzung rund um Til Schweiger, Michael Bully Herbig, Matthias Schweighöfer und Jan Josef Liefers immerhin einen Achtungserfolg mit 1,1 Millionen Kino-Zuschauern; mehr aber auch nicht.
Am 12. August 2022 starb Wolfang Petersen im Alter von 81 Jahren in Burbank in Kalifornien an Bauchspeicheldrüsenkrebs. R.I.P.
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