Der deutschstämmige schwedische Schauspieler (später zudem französischer Staatsbürger) Max von Sydow wurde bekannt als ein Lieblings-Mime seines Landsmannes Ingmar Bergman - einer der meisterhaftesten Regisseure und Drehbuch-Autoren der Kinohistorie. Ganze elf Filme drehten Bergman und der später auch in Hollywood erfolgreiche von Sydow gemeinsam, fast jedes davon gilt als ein Meisterwerk. Am Sonntag ist Max von Sydow im Alter von 90 Jahren verstorben und die Welt des Kinos (speziell des europäischen) hat eine weitere Ikone verloren.
Insgesamt stand der blonde, schlaksige 1,93m-Hüne Max von Sydow in etwa 120 Filmen vor der Kamera, dazu kamen Auftritte im Fernsehen und als Sprecher von Computerspielen wie "Ghostbusters" und "Skyrim". Seinen Anfang nahm von Sydows Karriere in den späten 1940er Jahren, als er primär am Theater tätig war, 1949 mit 20 Jahren aber auch bereits sein Filmdebüt gab mit einer Nebenrolle in Alf Sjöbergs beim Festival von Venedig prämierten Drama "Rya-Rya - Nur eine Mutter". Mit Sjöberg drehte er zwei Jahre später den in Cannes ausgezeichneten "Fräulein Julie", doch für seinen großen Durchbruch mußte Max von Sydow bis 1957 warten: Ingmar Bergman, den von Sydow am Theater von Malmö kennenlernte, überantwortete ihm die Hauptrolle in dem philosophischen Historiendrama "Das siebente Siegel". In dem oft zitierten Meisterwerk spielt von Sydow mit beeindruckender Intensität den Kreuzritter Antonius Block, der desillusioniert und stark an seinem Glauben zweifelnd aus den Kreuzzügen zurückkehrt und dessen innere Zerrissenheit von Sydow perfekt einfängt. Als Antonius der personifizierte Tod erscheint und ihm verkündet, daß seine Zeit gekommen sei, überredet Antonius ihn zu einem Schachspiel um sein Leben - denn er will nicht sterben, bevor er einen Sinn in seinem Dasein gefunden hat. Noch im gleichen Jahr legten Bergman und von Sydow mit dem nicht minder grandiosen, inhaltlich nicht ganz unähnlichen (auch hier geht es um die Bilanz eines Lebens) und OSCAR-nominierten Drama "Wilde Erdbeeren" nach, in dem von Sydow allerdings nur eine Nebenrolle als Tankwart spielt.
Dennoch: Mit seinen Rollen in zwei der besten Bergman-Filme (und das will angesichts dessen überragender Filmographie etwas heißen!) sowie in den folgenden weiteren Bergman-Werken "Nahe dem Leben", "Das Gesicht" (beide 1958), "Die Jungfrauenquelle" (1960), "Wie in einem Spiegel" (1961) und "Licht im Winter" (1963) - sowie der Vaterrolle in der populären Kinderbuch-Adaption "Nils Holgersons wunderbare Reise" (1962) - weckte Max von Sydow unausweichlich das Interesse Hollywoods. Dort debütierte er 1965 gleich mit der Rolle des Jesus Christus im Monumentalfilm "Die größte Geschichte aller Zeiten" und obwohl er erklärtermaßen niemals ein großer Anhänger der weit weniger figurenzentrierten Arbeit jenseits des großen Teiches wurde, sollte er fortan regelmäßig in großen und kleinen Hollywood-Rollen zu sehen sein. Ganz in die USA wollte von Sydow jedoch nicht wechseln und so stehen in den 1960er Jahren und der ersten Hälfte der 1970er Jahre Hollywood-Werke wie George Roy Hills "Hawaii" (1966), Michael Andersons "Das Quiller Memorandum" (1966) oder John Hustons "Der Brief an den Kreml" (1970) neben schwedischen Filmen wie "Hier hast du dein Leben" (1966), Jan Troells für sechs OSCARs nominiertem Kino-Zweiteiler "Emigranten" (1971) und "Das neue Land" (1972) sowie Ingmar Bergmans "Die Stunde des Wolfs", "Schande" (beide 1968), "Passion" (1969) und die schwächste und letzte Zusammenarbeit der beiden schwedischen Filmgrößen, "Berührungen" (1971).
Ausgerechnet mit seinen beiden denkwürdigsten Hollywood-Auftritten begann kurioserweise der Abstieg Max von Sydows. Nachdem er als titelgebender Father Merrin in William Friedkins für zehn Academy Awards nominiertem (und mit zwei prämierten) Horror-Klassiker "Der Exorzist" und als Auftragskiller Joubert in Sydney Pollacks Agententhriller "Die drei Tage des Condor" agierte, hätte von Sydow eigentlich endgültig die Filmwelt zu Füßen liegen müssen - einige unglückliche Rollenentscheidungen führten jedoch im Verbund mit seinem zunehmenden Alter und dem Umzug von Los Angeles nach Rom dazu, daß er zumindest kaum noch Hauptrollen in Hollywood-Produktionen erhielt. In Neben- oder Bösewichtrollen speziell in Genrefilmen war von Sydow weiterhin gefragt; er war als skrupelloser Imperator Ming im Science Fiction-Abenteuer "Flash Gordon" (1980) zu sehen, als Kommandant eines deutschen Kriegsgefangenenlagers im Zweiten Weltkrieg in "Flucht oder Sieg" (1981), als König Osric im Fantasy-Klassiker "Conan der Barbar" (1982), als Bond-Bösewicht Blofeld in "Sag niemals nie" (1983) und als Dr. Kynes in David Lynchs "Der Wüstenplanet" (1984). Auch in einigen TV-Miniserien wie "Quo Vadis" und "Christopher Columbus" (beide 1985) wirkte er mit und arbeitete mit Autorenfilmern wie Woody Allen ("Hannah und ihre Schwestern", 1986), Lars von Trier ("Europa", 1991), Wim Wenders ("Bis ans Ende der Welt", 1991) und Bille August ("Die besten Absichten", 1992). Und 1987 wurde von Sydow sogar mit seiner überfälligen ersten OSCAR-Nominierung belohnt für seine einfühlsam interpretierte Hauptrolle als Vater der Titelfigur in Augusts "Pelle, der Eroberer".
Den Goldjungen erhielt er dafür aber ebensowenig wie 24 Jahre später, als er für seine stumme Nebenrolle in Stephen Daldrys "Extrem laut & unglaublich nah" nominiert wurde. In dieser Hinsicht sollte seine großartige Karriere leider unvollendet bleiben. Auch in gehobenem Alter arbeitete von Sydow unermüdlich weiter, wobei vieler seiner italienischen und französischen Filme außerhalb der Heimat kaum Bekanntheit erlangten. Doch regelmäßig war er weiterhin in Nebenrollen in prestigeträchtigen Hollywood-Produktionen wie "Hinter dem Horizont" (1998), Steven Spielbergs "Minority Report" (2002), "Rush Hour 3" (2007), Ridley Scotts "Robin Hood" (2010) und Martin Scorseses "Shutter Island" (2010) zu sehen, wobei er mit seinem Charisma, seiner Ausdruckskraft und der beinahe majestätisch zu nennenden würdevollen Ausstrahlung auch kleine Auftritte erinnerungswürdig gestaltete. Und mit weit über 80 Jahren feierte er sogar noch sein "Star Wars"-Debüt in "Star Wars Episode VII: Das Erwachen der Macht" und spielte in drei Rollen der Kult-Fantasy-TV-Serie "Game of Thrones" als mysteriöser "Dreiäugiger Rabe" mit. Max von Sydows letzter Film wird voraussichtlich Nicholas Dimitropoulos' "Echoes of the Past" sein, der sich in der Postproduktion befindet und demnach auch fertiggestellt werden sollte.
Am Sonntag, 8. März 2020, starb Max von Sydow im Alter von 90 Jahren in Paris. R.I.P.
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