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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

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Mittwoch, 28. August 2019

Klassiker-Rezension: DAS PHANTOM DER OPER (1925)

Originaltitel: The Phantom of the Opera
Regie: Rupert Julian, Drehbuch: Elliott J. Clawson, Musik (Premiere): Joseph Carl Breil, hier: Gabriel Thibaudeau
Darsteller: Lon Chaney, Mary Philbin, Norman Kerry, Arthur Edmund Carewe, Gibson Gowland, Mary Fabian, Virginia Pearson Snitz Edwards, John St. Polis
Das Phantom der Oper
(1925) on IMDb Rotten Tomatoes: 90% (8,3); FSK: 12, Dauer: 91 Minuten.
Die neuen Eigentümer des renommierten, allerdings angeblich verfluchten Pariser Opernhauses staunen nicht schlecht, als die gefeierte Primadonna Carlotta (die echte Opernsängerin Mary Fabian in ihrer einzigen Filmrolle) ihnen einen vom "Phantom" unterzeichneten Drohbrief zeigt. Darin wird gefordert, daß die junge Sängerin Christine Daaé (Mary Philbin, "Der Mann, der lacht") die Hauptrolle im großen Saisonauftakt mit Charles Gounods Oper "Faust" übernimmt, ansonsten werde es Carlotta schlecht ergehen. Zwar wurden die neuen von den alten Eignern bereits vor diesem mysteriösen Phantom gewarnt, das mutmaßlich unter dem Gebäude haust, doch mit einer solchen Drohung hatten sie sicher nicht gerechnet. Tatsächlich kommt daraufhin Christine zum Einsatz und liefert eine fantastische Vorstellung ab – woraufhin sie mit ihrem Geliebten, dem adligen Raoul (Norman Kerry, "Der Glöckner von Notre Dame"), Schluß macht, weil er will, daß sie heiraten und sie ihre Karriere beendet. Das unsterblich in sie verliebte, aber körperlich entstellte Phantom (Lon Chaney, "Die unheimlichen Drei") spricht zu Christine wie ein Mentor und ermutigt sie, und als in der nächsten Vorstellung doch wieder Carlotta auftritt, zeigt sich, daß seine Drohung keineswegs leer war. Daraufhin machen sich der besorgte Raoul und der verdeckt ermittelnde Polizist Ledoux (Arthur Edmund Carewe, "Doctor X") auf die Jagd nach dem Phantom …

Kritik:
Gaston Lerouxs romantischer Schauerroman "Das Phantom der Oper" ist ein echter Evergreen und wird deshalb auch gut 100 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung 1909 immer wieder neu adaptiert. Am bekanntesten und erfolgreichsten ist sicher Andrew Lloyd Webbers scheinbar unkaputtbares Musical, das seit 1986 über die ganze Welt verteilt gezeigt wurde und immer noch wird und im Jahr 2004 mäßig gelungen verfilmt wurde. Zum Glück gibt es weit bessere Filmversionen, die sich direkt – wenn auch teilweise mit etlichen inhaltlichen Änderungen – auf das Buch beziehen, so Arthur Lubins "Phantom der Oper" von 1943 mit dem fabelhaften Claude Rains in der Titelrolle oder eine mit zwei Emmys prämierte TV-Miniserie von 1990 (mit Charles Dance, Teri Polo und Burt Lancaster); Brian de Palma schuf zudem mit seinem "Phantom of the Paradise" eine eigenständige, aber klar von Leroux inspirierte Version der Geschichte. Als beste "Phantom der Oper"-Adaption gilt Kennern trotz einer holprigen Produktionsgeschichte Rupert Julians Stummfilm aus dem Jahr 1925. Als Cineast kann man sich glücklich schätzen, daß der Film nicht wie so viele andere Werke aus der Frühzeit des Kinos (darunter leider einige mit Hauptdarsteller Chaney) verlorenging, denn Julians "Das Phantom der Oper" ist zweifellos ein Meilenstein des phantastischen Kinos, der nicht zuletzt aufgrund seiner handwerklichen Meisterschaft selbst fast ein Jahrhundert später kaum an Faszination verloren hat.

Dabei wurden insgesamt sogar fünf zum Teil sehr unterschiedliche Schnittfassungen erstellt (in einer wird aus dem Film eher eine romantische Komödie, was beim Publikum jedoch gar nicht gut ankam), von denen laut Wikipedia nur noch zwei erhalten sind. Darunter befindet sich die vorliegende Version von 1930, die zwischenzeitlich restauriert und mit einer neuen Musik von Gabriel Thibaudeau versehen wurde. Durch die verschiedenen Fassungen gab es neben dem gebürtigen Neuseeländer Julian ("Rummelplatz des Lebens") noch drei weitere, nicht offiziell genannte Regisseure (darunter der legendäre schwäbischstämmige Filmmogul Carl Laemmle höchstselbst sowie Hauptdarsteller Lon Chaney), und obwohl in Vor- und Abspann gar kein Drehbuch-Autor erwähnt wird, trugen wohl acht Männer zum Skript bei. Eigentlich keine guten Voraussetzungen, zumal es zwischen (Haupt-)Regisseur Rupert Julian und seinem auch hinter den Kulissen einflußreichen Star Lon Chaney mächtig krachte bezüglich der Interpretation des Phantoms. Daß das Resultat trotzdem vollkommen gerechtfertigt zu den großen Stummfilm-Klassikern zählt, ist daher umso bemerkenswerter. Das ist zu einem großen Teil Lon Chaney geschuldet, denn der für seine Schauspielkunst ebenso wie für die von ihm selbst gestalteten, oft furchterregenden Masken als "der Mann mit den 1000 Gesichtern" gerühmte Mime spielt das Phantom, diese tragische, mißgestaltete Figur, mit Leidenschaft und Intensität, mit einem bedrohlichen Furor, mit dem er jede Szene beherrscht. Das ist dramaturgisch nicht immer ganz unproblematisch, denn der eigentliche romantische Held der Story, Raoul, bleibt in Norman Kerrys Darstellung vergleichsweise blaß. Aber dafür hat Chaney eine denkwürdige Filmfigur geschaffen, die das phantastische Kino der kommenden Jahrzehnte – und ganz besonders die legendären Universal-Monsterfilme der 1930er und 1940er Jahre, in denen auch Lon Chaneys gleichnamiger Sohn u.a. als "Der Wolfsmensch" eine tragende Rolle spielte – prägen sollte.

Ganz alleine zeichnen Lon Chaney als Phantom und die von Mary Philbin in ihrer Zerrissenheit zwischen Karriere und Liebe erfreulich ambivalent verkörperte Christine aber natürlich nicht für das Gelingen von "Das Phantom der Oper" verantwortlich. Die aufwendigen Kulissen (die für den Film von 1943 wiederverwendet wurden) und Kostüme und eindrucksvolle Massenszenen tragen ebenso dazu bei wie einige enorm effektive Schockmomente sowie die vom deutschen Expressionismus á la F. W. Murnau ("Nosferatu") geprägte Kameraarbeit. Einen Höhepunkt stellt eine große Kostümballszene in der Oper dar, in der sich das Phantom in der Verkleidung des "Roten Todes" aus Edgar Allen Poes "Die Maske des Roten Todes" zeigt und die auch deshalb besonders ist, weil der Film hier vorübergehend von seiner sonstigen Monochromie in einen von Rottönen dominierten Zweifarben-Technicolor-Film wechselt. Ursprünglich waren alle musikalischen Szenen (also speziell die Opernaufführungen) in Farbe, allerdings ist nur vom Maskenball die Farbversion erhalten geblieben – was durch die Einzigartigkeit diese sowieso eindrucksvolle Sequenz eher noch weiter aufwertet. Inhaltlich muß man konstatieren, daß sich die Figurenzeichnung aufgrund der naturgemäßen Restriktionen des Stummfilms relativ grob entwickelt, doch zumindest beim Phantom und bei Christine ist sie durchaus überzeugend geraten. Insgesamt ist "Das Phantom der Oper" vor allem atmosphärisch noch immer eine Wucht mit durchdachten Bildkompositionen und einigen clever aufgebauten Schockmomenten, die durch die dramatische Musik von Gabriel Thibaudeau, mit der diese restaurierte Fassung unterlegt ist, noch gekonnt verstärkt werden.

Fazit: "Das Phantom der Oper" ist ein opulenter und trotz blasser Nebenfiguren ungemein stimmungsvoller Stummfilm, der mit einem leidenschaftlich aufspielenden Hauptdarsteller Lon Chaney und einigen ikonischen Gruselmomenten kaum etwas von seiner Faszination verloren hat.

Wertung: 8,5 Punkte.

In der Arte Mediathek kann "Das Phantom der Oper" bis 31. Januar 2021 kostenlos abgerufen werden.

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