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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Mittwoch, 15. Juni 2016

WARCRAFT: THE BEGINNING (3D, 2016)

Originaltitel: Warcraft
Regie: Duncan Jones, Drehbuch: Charles Leavitt und Duncan Jones, Musik: Ramin Djawadi
Darsteller: Travis Fimmel, Paula Patton, Toby Kebbell, Daniel Wu, Ben Schnetzer, Ben Foster, Dominic Cooper, Ruth Negga, Robert Kazinsky, Anna Galvin, Callum Keith Rennie, Burkely Duffield, Clancy Brown, Ryan Robbins, Terry Notary, Callan Mulvey, Patrick Sabongui
 Warcraft: The Beginning
(2016) on IMDb Rotten Tomatoes: 28% (4,2); weltweites Einspielergebnis: $439,0 Mio.
FSK: 12, Dauer: 123 Minuten.

In Azeroth herrscht seit vielen Jahren ein ziemlich stabiler Frieden zwischen den Völkern, vor allem aufrechterhalten von dem menschlichen König Llane Wrynn (Dominic Cooper, "Dracula Untold") und seinen Truppen sowie dem geheimnisvollen magiebegabten Wächter Medivh (Ben Foster, "Pandorum") – wohl vergleichbar mit den mächtigen Zauberern Gandalf, Saruman oder Radagast in Tolkiens Mittelerde. Weniger gut ergeht es den Orks, deren Welt so gut wie tot ist. Deshalb öffnet ihr mächtiger Anführer Gul'dan (Daniel Wu, "Europa Report") mit Hilfe sinistrer Fel-Magie auf Kosten zahlloser Leben von Gefangenen eine Art Portal zu dem nichtsahnenden Azeroth, durch das nach und nach alle Orks geschickt werden sollen – angefangen mit den Elitetruppen. Der frühere Zauberlehrling Khadgar (Ben Schnetzer, "Die Bücherdiebin") erkennt als erster in Azeroth den Einsatz der gefährlichen Fel-Magie, woraufhin er den König und den Wächter unverzüglich auf die drohende Gefahr aufmerksam macht. Des Königs rechte Hand, der edle Ritter Sir Anduin Lothar (Travis Fimmel, TV-Serie "Vikings") will sich die Sache aus der Nähe ansehen. Auch auf Seiten der Orks gibt es kritische Geister wie Durotan (Toby Kebbell, "Planet der Affen: Revolution"), den Anführer des Frostwolf-Clans, der Azeroth nicht erobern, sondern friedlich und im Einklang mit den Einheimischen besiedeln möchte. Und dann gibt es da noch die Halbork-Frau Garona (Paula Patton, "Mission: Impossible – Phantom Protokoll"), die unweigerlich zwischen die Fronten gerät …

Kritik:
Als Blizzard Entertainment im Jahr 1994 das Fantasy-Echtzeitstrategiespiel "Warcraft: Orcs & Humans" für PC und Mac veröffentlichte, da konnte selbstverständlich niemand ahnen, daß es die Basis für ein extrem erfolgreiches und sehr langlebiges Spieleuniversum sein würde. Doch genau das geschah. Es folgten zwei weitere "Warcraft"-Spiele, die SciFi-Variante "StarCraft" samt Fortsetzung, das Online-Sammelkartenspiel "Hearthstone: Heroes of Warcraft" und vor allem der eigentliche Grund für diese Verfilmung: "World of Warcraft", das erfolgreichste Online-Rollenspiel aller Zeiten. Da dieses bereits 2004 erschien und seinen Zenit inzwischen eindeutig überschritten hat (seit 2010 haben sich die Abonnentenzahlen in etwa halbiert), mag man sich fragen, warum man mit einem Film zu diesem globalen popkulturellen Phänomen überhaupt so lange gewartet hat. Die Antwort dürfte in den technischen Voraussetzungen begründet liegen: Für die Massen an Computereffekten, die benötigt werden, war vor ein paar Jahren die Technik einfach noch nicht reif genug – um ehrlich zu sein, ist sie es wohl auch heute noch nicht, denn phasenweise erinnert die Optik von "Warcraft: The Beginning" – mit einem Budget von über $150 Mio. immerhin die teuerste Spieleverfilmung aller Zeiten – mehr an ein Computerspiel als an einen Realfilm. Doch darauf werde ich gleich noch etwas näher eingehen. Anmerken muß ich auf jeden Fall, daß ich – obwohl selbst durchaus passionierter Computerspieler – nie den geringsten Berührungspunkt mit dem "Warcraft"-Franchise hatte, da ich weder mit Echtzeit-Strategiespielen noch mit Online-RPGs viel anfangen kann. Eventuelle falsche Bezeichnungen oder ähnliches seien mir daher verziehen, auch kann ich logischerweise nicht auf Verbindungen oder Anspielungen eingehen, die für Fans vermutlich nicht ganz unwichtig sind (und, wie ich gelesen habe, wohl reichlich vorhanden sein sollen). Für mich ist "Warcraft" also einfach "nur" ein Fantasyfilm und als solcher hat er mir durchaus Freude bereitet, wenngleich es mehr als genügend Ansätze zur Kritik gibt.

Viele professionelle Kritiker betrachten es bei Genrefilmen und speziell – warum auch immer – bei Fantasyfilmen als ein Manko, wenn sie ihre Story ernsthaft und ohne Selbstironie erzählen. Für Fans ist das hingegen eher ein Vorteil (was die häufig große Diskrepanz zwischen Kritiker- und Zuschauerwertungen bei Fantasyfilmen zumindest teilweise erklären dürfte, die auch hier evident ist) und als erklärter Fantasyanhänger finde ich es in der Tat gut, daß der Regisseur Duncan Jones ("Moon", "Source Code") die Geschichte seriös durchzieht – auch wenn sie in Teilen sehr klischeehaft ist. Das sorgt zugegebenermaßen für ein paar unfreiwillig komische Momente, die gerade aus dieser großen Ernsthaftigkeit resultieren, die mitunter arg pathetisch daherkommt, dennoch wird klar: Jones nimmt dieses Fantasy-Universum und seine Fans ernst. Das kommt "Warcraft" besonders bei seinem mit Abstand stärksten Handlungsstrang rund um den ehrenhaften Orkhäuptling Durotan zugute, mit dem Jones den Film mutigerweise sogar eröffnet. So wird dem Publikum gleich klar gemacht, daß es hier nicht wie in so vielen anderen Fantasyfilmen eine klare Schwarz-Weiß-Dichotomie gibt. Natürlich sind die Bösewichter richtig böse und die Helden ausgesprochen heldenhaft, doch ist es nicht so, daß die Menschen die Guten sind und die Orks die Bösen. Einmal handeln die Orks hier ja keineswegs aus reinem Eroberungsdrang, sondern aus der puren Verzweiflung heraus, da ihre eigene Welt stirbt und sie nicht länger ernähren kann. Und dann gibt es auch noch die internen Konflikte zwischen den, sagen wir mal, Traditionalisten (zu denen Durotan zählt) und den vom ruchlosen Gul'dan angeführten Fanatikern, die gewissermaßen an eine Evolution durch die Verbindung mit der Fel-Magie glauben, die den von Gul'dan damit "Gesegneten" übernatürliche Kräfte verleiht. Klar, einen Originalitätspreis gewinnt dieser Konflikt nicht unbedingt, jedoch ist er sehr ansprechend ausgestaltet und verleiht dem ansonsten zu oberflächlichen Drehbuch etwas Tiefe.

Natürlich gibt es aber auch die Menschen in Azeroth, um die sich mehrere Handlungsstränge drehen. Dummerweise ist genau das ein großes Problem, denn "Warcraft" verliert sich in zu vielen Storys und Figuren, ohne diese angemessen behandeln zu können. An die Faszination der Geschichte von Durotan und seiner hochschwangeren Frau Draka (Anna Galvin), die sich erfreulicherweise auch noch recht unvorhehbar entwickelt, reicht der Rest einfach nicht heran. Das Königspaar Llane und Taria (Ruth Negga, TV-Serien "Marvel's Agents of S.H.I.E.L.D." und "Preacher") hat etwa nur wenige Szenen Zeit, um ein wenig Profil zu entwickeln, während die Romanze zwischen dem edlen Ritter Lothar und der Halbork-Frau Garona nicht ansatzweise glaubwürdig daherkommt (wie auch, wenn sie nur zwei oder drei gemeinsame, absolut nicht bemerkenswerte Szenen haben, aus denen dann prompt tiefe Gefühle entspringen sollen …). Und die Geschichte des jungen Ex-Zauberlehrlings Khadgar, den das Schicksal offenbar dazu auserkoren hat, die Welt zu retten, bedient das vermutlich älteste Fantasy-Klischee überhaupt. Das wäre verzeihlich, wenn sie dafür überzeugend gestaltet wäre, wonach es zu Beginn dank der starken Leistung von Ben Foster als Wächter Medivh – der Khadgar für seinen Nachfolger hält – sogar aussieht. Leider entscheidet sich das Drehbuch in der zweiten Filmhälfte jedoch ausgerechnet für die langweiligste und vorhersehbarste Wendung, nach der diese Storyline in der Fantasy-Beliebigkeit versumpft. Ärgerlich ist derweil auch, daß zu viele vielversprechende Figuren (und Schauspieler) im Laufe des Films unnötig entsorgt werden – dabei hätte man die gerade angesichts der Tatsache, daß "The Beginning" dem Untertitel entsprechend deutlich als Einführung in ein großes Filmuniversum gedacht ist, noch brauchen können. Ein richtiges Ende gibt es folgerichtig auch nicht, der erste "Warcraft"-Film dient letztlich nur der Etablierung des Settings und endet dann, wenn es so richtig interessant zu werden verspricht. Für mich kein großes Problem, manche Zuschauer könnte das allerdings verärgern.

Damit zu der visuellen Umsetzung: Die Fantasy-Optik ist generell gut gelungen, gerade die Zaubereffekte sind sehr ansprechend gestaltet, das mittelalterliche Weltendesign liefert zudem viele schöne Panoramen, bei denen auch das (ansonsten eher überflüssige) 3D gut zur Geltung kommt. Dieses Lob gilt allerdings nur, solange ausschließlich Menschen im Bild sind oder die Kamera einigermaßen weit entfernt ist von den nichtmenschlichen Kreaturen. Denn dadurch, daß reale Darsteller als Vorlage dienen, wirken Mimik und Gestik der Nichtmenschen zwar lebensecht, für ihre Körper und die Gestalten in ihrer Gesamtheit gilt das leider nicht. Ich bin kein Technikexperte, aber ich vermute, das hängt vor allem mit den körperlichen Proportionen zusammen. Durch das Performance Capture-Verfahren werden die Bewegungen der Darsteller weitestgehend verlustfrei in die auf der Leinwand zu sehenden nichtmenschlichen Kreaturen übertragen – und bei Gollum in "Der Herr der Ringe", bei Peter Jacksons "King Kong" oder in den "Planet der Affen"-Reboots hat das bekanntlich sensationell funktioniert. Das Problem: Gollum ist letztlich eine humanoide Kreatur und auch zwischen Affen und Menschen gibt es bekanntlich eine sehr enge genetische Verwandtschaft, außerdem existiert die unbegrenzte Möglichkeit, echte Affen und ihre Bewegungen zu studieren. Die muskelbepackten männlichen "Warcraft"-Orks dagegen (bei den schmächtigeren Orkfrauen funktioniert es viel besser) sind zwar ebenfalls humanoid, unterscheiden sich in ihrer ganzen Erscheinung aber doch sehr stark von den Menschen. Wenn also ein Mensch einen Ork spielt, bewegt er sich logischerweise immer noch wie ein Mensch; nach der Performance Capture-Übertragung auf die Leinwand soll er aber ein Ork mit definitiv unmenschlichen Muskelbergen sein – und das funktioniert nicht verlustfrei. Mimik und Gestik passen, die Körperbewegungen wirken dagegen nicht harmonisch. Es ist nur ein kleiner Effekt mit jedoch großer Wirkung, denn das menschliche Auge erkennt sehr genau, wenn etwas nicht ganz paßt, selbst wenn es den Grund dafür vielleicht nicht kennt (auch als "Uncanny Valley" bekannt). Besonders augenfällig wird der qualitative Unterschied anhand des Darstellers Toby Kebbell, der in "Planet der Affen: Revolution" als Bonobo Koba brillierte und auch in "Warcraft" als Durotan eine gute Leistung zeigt – dabei aber eben ohne eigenes Verschulden bei weitem nicht so realistisch wirkt.

Bei Peter Jacksons Mittelerde-Orks kam es zu diesem Problem nicht, weil es sich da letztlich immer noch um menschliche Schauspieler in Maske und Kostüm handelte, die anschließend lediglich teilweise per CGI ein wenig "aufgepimpt" wurden (in der "Hobbit"-Trilogie spielten die Computereffekte eine wesentlich größere Rolle, durch die Menschenähnlichkeit dieser Orks funktionierte es trotzdem) – die "Warcraft"-Orks sind dafür einfach zu un-menschlich. Auch die CGI-Zwerge, die in "Warcraft" ebenso wie die Elfen nur in wenigen Szenen präsent sind, wirken aus diesem Grund irgendwie "falsch" (erneut: bei Jacksons Tolkien-Adaptionen wurden sie von realen Schauspielern verkörpert, für den Rest sorgten raffinierte Kameraperspektiven und nur ein bißchen Computermagie). Langer Rede kurzer Sinn: Vor allem die männlichen Orks sehen in "Warcraft: The Beginning" noch immer eher wie Computerspielfiguren aus und das ist für die Immersion des Zuschauers in die Fantasy-Welt Azeroth absolut nicht hilfreich. Gleiches gilt übrigens dafür, daß die Orks zwar im Kampf betont brutal zu Werke gehen und schon mal mit einem mächtigen Schlag einen menschlichen Gegner zerfetzen – dabei jedoch kein einziger Tropfen Blut zu sehen ist! Zumindest kein menschliches, bei den Orks spritzt wenigstens ab und zu mal etwas grünes Blut … Das ist ein klassisches Problem des Hollywood-Bemühens, die lukrative US-Altersfreigabe "PG-13" zu erreichen. Betriebswirtschaftlich nachvollziehbar, bei Filmen, die inhaltlich eigentlich nicht PG-13-geeignet sind, aber sehr unschön. Man muß nur beispielsweise Zack Snyders "300" mit Brett Ratners "Hercules" vergleichen: Beide basieren auf brutalen Graphic Novels, aber während Snyder die Vorlage kompromißlos umsetzte, wagte Ratner den Spagat zwischen dem für die Geschichte unverzichtbarem Gewaltgrad und einer möglichst unblutigen, jugendfreien Umsetzung. Das Resultat – auch an den Kinokassen – spricht für sich. Zugegeben, die "Warcraft"-Vorlage richtet sich natürlich auch an etwas jüngere Spieler, weshalb es Sinn ergibt, diese bei der Adaption nicht von vornherein auszuschließen. Dennoch bleibt es dabei, daß die Umsetzung der nicht gerade wenigen und dabei durchaus sehenswert choreographierten Kampfsequenzen wenig glaubwürdig ist und so einen negativen Beigeschmack hinterläßt. Ein wenig entschädigt dafür immerhin die musikalische Untermalung durch den fantasyerfahrenen Ramin Djawadi (TV-Serie "Game of Thrones") mit ihren leichten Anleihen bei Basil Poledouris' unerreichtem "Conan der Barbar"-Soundtrack.

Abschließend noch ein Wort zu den angesprochenen geplanten Fortsetzungen: Da "Warcraft" in den USA ziemlich brutal gefloppt ist, sind die noch nicht gesichert. Die guten internationalen Ergebnisse und vor allem ein sensationeller Lauf in China (wo "World of Warcraft" offenbar noch immer besonders populär ist) sorgen jedoch dafür, daß die Chancen für zumindest ein weiteres Abenteuer in Azeroth trotzdem gut sind. Alles andere wäre angesichts der geleisteten Vorarbeit und des Endes von "The Beginning" auch sehr ärgerlich.

Fazit: "Warcraft: The Beginning" ist ein visuell schön gestalteter Fantasyfilm, der ein solides Fundament für die geplanten Fortsetzungen legt, sich dabei aber in zu vielen zu klischeehaften Handlungssträngen verzettelt und zudem bei der CGI-Figurengestaltung Schwächen beweist.

Wertung: Knapp 6,5 Punkte.
 

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