Regie: Brett Ratner, Drehbuch: Ryan Condal, Evan
Spiliotopoulos, Musik: Fernando Velázquez
Darsteller: Dwayne Johnson, John Hurt, Rebecca Ferguson, Ian
McShane, Rufus Sewell, Aksel Hennie, Ingrid Bolsø Berdal, Reece Ritchie, Joseph
Fiennes, Peter Mullan, Tobias Santelmann, Isaac Andrews, Joe Anderson,
Christopher Fairbank, Karolina Szymczak, Irina Shayk, Robert Maillet, Erika
Marozsán
FSK: 12, Dauer: 98 Minuten.
Gemäß der Legende ist Hercules ein übermächtiger, nahezu
unsterblicher Halbgott, der im Alleingang Hundertschaften menschlicher
Gegner sowie diverse mythische Monstren erledigt. In der Realität (dieser
Geschichte) ist Hercules (Dwayne Johnson, "G.I. Joe – Die Abrechnung") ein erfahrener Söldner, dem eine kleine Gruppe treuer
Kameraden bei seinen Abenteuern zur Seite steht: sein Jugendfreund Autolycus
(Rufus Sewell, "The Tourist"), die Amazone Atalanta (Ingrid Bolsø
Berdal, "Cold Prey"), der (bemerkenswert kampfstarke) Seher Amphiaraus (Ian
McShane, "Scoop"), der stumme Berserker Tydeus (Aksel Hennie,
"Headhunters") – und sein Neffe Iolaos (Reece
Ritchie, "Prince of Persia"), der Hercules' Heldentaten in
Erzählungen ausschmückt und damit zusätzliche Furcht bei den Feinden des
angeblichen Sohnes des Göttervaters Zeus schürt. Als die schöne Ergenia
(Rebecca Ferguson, TV-Serie "The White Queen") Hercules und seine
Freunde bittet, ihrem Vater, König Cotys von Thrakien (John Hurt, "Alien"), gegen eine hohe
Bezahlung im Kampf gegen den gnadenlosen Eroberer Rhesus (Tobias Santelmann,
"Kon-Tiki") beizustehen, zögert die eingeschworene Truppe nicht
lange. Doch Rhesus' Streitmacht ist gewaltig und angeblich durch Zauberei und
übernatürliche Wesen verstärkt – Cotys' Heer dagegen setzt sich primär aus
kaum militärisch trainierten ehemaligen Bauern und Handwerkern zusammen …
Kritik:
Als Kind habe ich – wie vermutlich fast jeder kleine Junge
(zumindest der Prä-Internet-Ära) – die alten italienischen Sandalenfilme
geliebt, die am Wochenende nachmittags im Fernsehen liefen und in denen der von
schauspielerisch wenig begabten Muskelmännern wie Steve Reeves oder Reg Park
verkörperte griechische Halbgott zahllosen Feinden Saures gab. Zu Beginn der
Pubertät übten die notorisch leicht bekleideten Schönheiten in Not, die
Hercules stets retten mußte, einen nicht unbeträchtlichen zusätzlichen Reiz
aus. Auch während meiner gesamten Teenager-Zeit ließ mich die Thematik nicht
los, nun war es die spaßige TV-Serie "Hercules" mit Kevin
Sorbo, die mich gut unterhielt. Doch nachdem die in Neuseeland gedrehte Serie 1999
endete, geriet Hercules – zeitlich passend zum Ende meiner Schulzeit – vorerst ziemlich in
Vergessenheit. Im Kino feierte die Figur ihr vorerst letztes Hurra im Jahr 1997
als Disney-Zeichentrickfigur, im Fernsehen schien es nach der Serie auch keinen
größeren Bedarf mehr zu geben; selbst Videospiele machten einen weiten Bogen um
den armen Kerl. Rund 15 Jahre dauerte es, bis das Kino den noblen Halbgott
wieder für sich entdeckte – der erste Versuch, Renny Harlins "The Legend
of Hercules", ging Anfang 2014 künstlerisch und kommerziell mächtig in die
Hose. Wenige Monate später hatte Brett Ratner mit seiner Graphic
Novel-Verfilmung "Hercules" mehr Glück; die Kritiker zeigten sich
einigermaßen angetan und vor allem das außer-amerikanische Publikum löste
genügend Tickets, um den rund $100 Mio. teuren 3D-Film zu einem ordentlichen
Erfolg zu machen und die Hoffnung der Produzenten auf den Beginn einer Reihe am
Leben zu erhalten. Ein richtig guter Film ist dieser neue "Hercules"
allerdings nicht. Dafür läßt das Drehbuch zu viel zu wünschen übrig, zudem ist
die Produktion zu mutlos am vermeintlichen Massengeschmack ausgerichtet worden.
Letzteres führt dazu, daß der gesamte Film nie wie aus einem
Guß wirkt. Der Versuch, die düstere, relativ realitätsnah gehaltene Graphic
Novel des mittlerweile verstorbenen Autors Steve Moore einerseits möglichst
genau umzusetzen, andererseits aber eine niedrige Altersfreigabe zu erreichen,
die auch 12- oder 13-Jährigen einen Kinobesuch ermöglicht, war im Grunde genommen
von vornherein zum Scheitern verurteilt und hat immer wieder unfreiwillig
komische Szenen zur Folge. Nur ein Beispiel: Wenn man schon prominent in Szene setzt,
wie Hercules mit einem an beiden Seiten mit langen, scharfen Klingen präparierten
Streitwagen durch die Gegnerscharen pflügt, dann wirkt es einfach lächerlich,
daß wirklich jeder einzelne Gegner genau im richtigen Abstand
und Winkel getroffen wird, daß er zwar (relativ unblutig) getötet, aber nicht
zweigeteilt oder sonstwie drastisch versehrt wird. Sir Ridley Scott hat in
seinem Römer-Epos "Gladiator" vorgemacht, wie man solche Szenen
richtig präsentiert. Generell ist es in "Hercules" so, daß zwar immer
wieder theoretisch brutale Kampfszenen gezeigt werden, jedoch so gut wie nie
deren blutiges Resultat. Wohlgemerkt: Ich habe absolut nichts gegen
familienfreundliche Action-Abenteuer mit harmlos-eleganten Kämpfen … gerade
eine Figur wie Hercules eignet sich dafür gut. Aber eine Story, in der der
griechische Halbgott als wenig zimperlicher, über Berge von Leichen eigenhändig
getöteter Feinde schreitender Söldner mit einer tragischen Vorgeschichte gezeichnet
wird, muß man konsequent umsetzen, damit sie funktioniert – und nicht so
halbherzig, wie es hier der Fall ist.
Generell muß man "Hercules" einen eklatanten Mangel
an Raffinesse konstatieren – was nicht allzu verwunderlich ist, da das auf
die meisten Regiearbeiten Brett Ratners ("Aushilfsgangster") zutrifft,
der auf anspruchsloses, aber oft durchaus amüsantes Unterhaltungs-Kino
spezialisiert ist. Bereits der Prolog ist bezeichnend, in dem Hercules eine
Piratenbande auseinandernimmt und schön nacheinander jeder seiner Kameraden in
den Kampf eingreift – das ergibt zwar nicht viel Sinn, aber so können die
Protagonisten eben einer nach dem anderen vorgestellt werden. Was kurz nach dem
Prolog übrigens an König Cotys' Hof überflüssigerweise erneut geschieht, nur
diesmal eben ohne Kampfszenen. Auf solche ärgerlichen Mängel stößt man die
gesamten 100 Minuten über, zudem gibt es viele Logikmängel und
unglaubwürdige Entwicklungen. Wenn etwa Cotys' Amateur-Heer durch ein bißchen
Training innerhalb kürzester Zeit so gut wird, daß es sich selbst gegen eine
dreifache Übermacht problemlos durchsetzt, dann kann man das einfach nicht
mehr ernst nehmen. Und wenn sich Cotys' notorisch schlechtgelaunter General Sitacles
(Peter Mullan, "Gefährten") mitten im größten Nahkampf-Getümmel
ausgerechnet eine Peitsche reichen läßt, kommt man aus dem Kopfschütteln
kaum noch heraus.
Doch natürlich muß man zugeben, daß der Großteil der
Zuschauer von einem Hercules-Film mit Ex-Wrestler Dwayne Johnson in der Titelrolle
kaum ein anspruchsvolles Drama mit Tiefgang erwartet. Was vorrangig zählt, sind
der Spaß und die Action. Beides bekommt man von diesem "Hercules"
reichlich serviert, womit Ratners Film jedenfalls kein totaler Fehlschlag ist. Speziell im Vergleich mit
ähnlich aufgebauten antiken Schlachtplatten der jüngeren Vergangenheit wie
Tarsems "Krieg der Götter" oder Noam Murros "300 – Rise of an Empire" schneidet "Hercules" dennoch mäßig ab. Was wiederum
auch mit der niedrigeren Altersfreigabe zusammenhängt, denn die
Schlachtenszenen sind zwar ordentlich choreographiert (wenngleich mitunter
aufgrund schlechter Ausleuchtung nicht richtig gut zu erkennen) und können mit
etlichen schönen Panoramaaufnahmen der sehenswerten Drehorte in der ungarischen
und kroatischen Wildnis aufwarten. Insgesamt kommen sie aber nicht ansatzweise
an die spektakulären, wuchtig und blutrünstig in Szene gesetzten Kämpfe der
genannten Konkurrenten heran. Auch die Musik von Fernando Velázquez ("The Impossible") ist zu unauffällig geraten, um die Mittelmäßigkeit des Films
noch irgendwie kaschieren zu können – dabei ist gerade bei actionreichen
Fantasyfilmen die musikalische Untermalung ein essentieller Bestandteil,
wie etwa die beiden Genreklassiker "Conan, der Barbar" und
"Gladiator" bewiesen haben.
Apropos: Was haben "Conan, der Barbar" und
"Gladiator" noch gemeinsam? In erster Linie, daß beide Filme einen hervorragenden, markanten
Gegenspieler für den Helden präsentieren. In "Gladiator" erhielt
Joaquin Phoenix für seine intensive Darstellung des bösartigen, aber von glaubwürdigen Motiven getriebenen Kaisers Commodus sogar eine
(sehr verdiente) OSCAR-Nominierung, aber auch Conans Widersacher Thulsa Doom
war ein wichtiger Erfolgsbestandteil des Films von John Milius. Daran mußte ich
im letzten Drittel von "Hercules" immer wieder denken, denn der
Showdown weist stilistisch und inhaltlich so einige Gemeinsamkeiten mit "Conan, der Barbar" auf.
Der Antagonist gehört leider nicht dazu. Während der von Darth Vader-Sprecher
James Earl Jones verkörperte Thulsa Doom ein großartiger Bösewicht ist, weil er
ein Mann mit einer Mission ist, gewissermaßen ein antiker, spirituell
erleuchteter Sektenführer mit beinahe hypnotischer Ausstrahlung, sind Hercules'
Feinde einfach nur machtgierige
Sadisten. Wie öde.
Zu den Vorzügen von "Hercules" zählt dennoch eine
gute, dank einer starken skandinavischen Auffrischung (Hennie, Bolsø Berdal und
Santelmann sind Norweger, Ferguson ist Schwedin) recht unverbrauchte Besetzung.
Die kommt jedoch sträflicherweise kaum zur Geltung, da das lahme Drehbuch auf
Figurenzeichnung weitestgehend generös verzichtet – abgesehen von Hercules' klischeehafter, in teils
uninspiriert eingestreuten Rückblenden erzählter Vorgeschichte um seine tote
Frau Megara (das russische Model Irina Shayk) – und die Qualität der Dialoge
zwischen milde amüsant und banal schwankt. Immerhin stimmt die Chemie zwischen
dem von Dwayne Johnson ebenso sympathisch wie energiegeladen verkörperten Hercules und
seiner munteren Truppe, auch wenn mancher lockere Spruch nicht so ganz in die
Atmosphäre passen will und die verwendete Sprache dank etlicher deutlich
moderner Einsprengsel seltsam unrund wirkt. In den Nebenrollen kann vor allem
Schauspiel-Veteran John Hurt überzeugen (ohne dabei sonderlich gefordert zu werden),
wohingegen man sich ernsthaft fragen muß, welcher Teufel wohl Joseph Fiennes
("Shakespeare in Love") geritten hat, die lachhafte Rolle des
weibischen Königs Eurystheus anzunehmen …
Fazit: "Hercules" ist ein schmuck
anzusehendes, aber arg anspruchsloses antikes 3D-Action-Abenteuer, das aufgrund eines
lahmen Drehbuchs die Fähigkeiten seiner ingesamt gelungenen Besetzung nicht
ausreizen kann – und das zudem nicht in der Lage ist, den düster-brutalen Stil
der Comicvorlage mit der niedrigen Altersfreigabe in Einklang zu bringen.
Wertung: 5 Punkte.
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