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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Mittwoch, 1. Oktober 2014

HERCULES (3D, 2014)

Regie: Brett Ratner, Drehbuch: Ryan Condal, Evan Spiliotopoulos, Musik: Fernando Velázquez
Darsteller: Dwayne Johnson, John Hurt, Rebecca Ferguson, Ian McShane, Rufus Sewell, Aksel Hennie, Ingrid Bolsø Berdal, Reece Ritchie, Joseph Fiennes, Peter Mullan, Tobias Santelmann, Isaac Andrews, Joe Anderson, Christopher Fairbank, Karolina Szymczak, Irina Shayk, Robert Maillet, Erika Marozsán
 Hercules
(2014) on IMDb Rotten Tomatoes: 57% (5,4); weltweites Einspielergebnis: $244,8 Mio.
FSK: 12, Dauer: 98 Minuten.

Gemäß der Legende ist Hercules ein übermächtiger, nahezu unsterblicher Halbgott, der im Alleingang Hundertschaften menschlicher Gegner sowie diverse mythische Monstren erledigt. In der Realität (dieser Geschichte) ist Hercules (Dwayne Johnson, "G.I. Joe – Die Abrechnung") ein erfahrener Söldner, dem eine kleine Gruppe treuer Kameraden bei seinen Abenteuern zur Seite steht: sein Jugendfreund Autolycus (Rufus Sewell, "The Tourist"), die Amazone Atalanta (Ingrid Bolsø Berdal, "Cold Prey"), der (bemerkenswert kampfstarke) Seher Amphiaraus (Ian McShane, "Scoop"), der stumme Berserker Tydeus (Aksel Hennie, "Headhunters") – und sein Neffe Iolaos (Reece Ritchie, "Prince of Persia"), der Hercules' Heldentaten in Erzählungen ausschmückt und damit zusätzliche Furcht bei den Feinden des angeblichen Sohnes des Göttervaters Zeus schürt. Als die schöne Ergenia (Rebecca Ferguson, TV-Serie "The White Queen") Hercules und seine Freunde bittet, ihrem Vater, König Cotys von Thrakien (John Hurt, "Alien"), gegen eine hohe Bezahlung im Kampf gegen den gnadenlosen Eroberer Rhesus (Tobias Santelmann, "Kon-Tiki") beizustehen, zögert die eingeschworene Truppe nicht lange. Doch Rhesus' Streitmacht ist gewaltig und angeblich durch Zauberei und übernatürliche Wesen verstärkt Cotys' Heer dagegen setzt sich primär aus kaum militärisch trainierten ehemaligen Bauern und Handwerkern zusammen …

Kritik:
Als Kind habe ich – wie vermutlich fast jeder kleine Junge (zumindest der Prä-Internet-Ära) – die alten italienischen Sandalenfilme geliebt, die am Wochenende nachmittags im Fernsehen liefen und in denen der von schauspielerisch wenig begabten Muskelmännern wie Steve Reeves oder Reg Park verkörperte griechische Halbgott zahllosen Feinden Saures gab. Zu Beginn der Pubertät übten die notorisch leicht bekleideten Schönheiten in Not, die Hercules stets retten mußte, einen nicht unbeträchtlichen zusätzlichen Reiz aus. Auch während meiner gesamten Teenager-Zeit ließ mich die Thematik nicht los, nun war es die spaßige TV-Serie "Hercules" mit Kevin Sorbo, die mich gut unterhielt. Doch nachdem die in Neuseeland gedrehte Serie 1999 endete, geriet Hercules – zeitlich passend zum Ende meiner Schulzeit – vorerst ziemlich in Vergessenheit. Im Kino feierte die Figur ihr vorerst letztes Hurra im Jahr 1997 als Disney-Zeichentrickfigur, im Fernsehen schien es nach der Serie auch keinen größeren Bedarf mehr zu geben; selbst Videospiele machten einen weiten Bogen um den armen Kerl. Rund 15 Jahre dauerte es, bis das Kino den noblen Halbgott wieder für sich entdeckte – der erste Versuch, Renny Harlins "The Legend of Hercules", ging Anfang 2014 künstlerisch und kommerziell mächtig in die Hose. Wenige Monate später hatte Brett Ratner mit seiner Graphic Novel-Verfilmung "Hercules" mehr Glück; die Kritiker zeigten sich einigermaßen angetan und vor allem das außer-amerikanische Publikum löste genügend Tickets, um den rund $100 Mio. teuren 3D-Film zu einem ordentlichen Erfolg zu machen und die Hoffnung der Produzenten auf den Beginn einer Reihe am Leben zu erhalten. Ein richtig guter Film ist dieser neue "Hercules" allerdings nicht. Dafür läßt das Drehbuch zu viel zu wünschen übrig, zudem ist die Produktion zu mutlos am vermeintlichen Massengeschmack ausgerichtet worden.

Letzteres führt dazu, daß der gesamte Film nie wie aus einem Guß wirkt. Der Versuch, die düstere, relativ realitätsnah gehaltene Graphic Novel des mittlerweile verstorbenen Autors Steve Moore einerseits möglichst genau umzusetzen, andererseits aber eine niedrige Altersfreigabe zu erreichen, die auch 12- oder 13-Jährigen einen Kinobesuch ermöglicht, war im Grunde genommen von vornherein zum Scheitern verurteilt und hat immer wieder unfreiwillig komische Szenen zur Folge. Nur ein Beispiel: Wenn man schon prominent in Szene setzt, wie Hercules mit einem an beiden Seiten mit langen, scharfen Klingen präparierten Streitwagen durch die Gegnerscharen pflügt, dann wirkt es einfach lächerlich, daß wirklich jeder einzelne Gegner genau im richtigen Abstand und Winkel getroffen wird, daß er zwar (relativ unblutig) getötet, aber nicht zweigeteilt oder sonstwie drastisch versehrt wird. Sir Ridley Scott hat in seinem Römer-Epos "Gladiator" vorgemacht, wie man solche Szenen richtig präsentiert. Generell ist es in "Hercules" so, daß zwar immer wieder theoretisch brutale Kampfszenen gezeigt werden, jedoch so gut wie nie deren blutiges Resultat. Wohlgemerkt: Ich habe absolut nichts gegen familienfreundliche Action-Abenteuer mit harmlos-eleganten Kämpfen … gerade eine Figur wie Hercules eignet sich dafür gut. Aber eine Story, in der der griechische Halbgott als wenig zimperlicher, über Berge von Leichen eigenhändig getöteter Feinde schreitender Söldner mit einer tragischen Vorgeschichte gezeichnet wird, muß man konsequent umsetzen, damit sie funktioniert – und nicht so halbherzig, wie es hier der Fall ist.

Generell muß man "Hercules" einen eklatanten Mangel an Raffinesse konstatieren – was nicht allzu verwunderlich ist, da das auf die meisten Regiearbeiten Brett Ratners ("Aushilfsgangster") zutrifft, der auf anspruchsloses, aber oft durchaus amüsantes Unterhaltungs-Kino spezialisiert ist. Bereits der Prolog ist bezeichnend, in dem Hercules eine Piratenbande auseinandernimmt und schön nacheinander jeder seiner Kameraden in den Kampf eingreift – das ergibt zwar nicht viel Sinn, aber so können die Protagonisten eben einer nach dem anderen vorgestellt werden. Was kurz nach dem Prolog übrigens an König Cotys' Hof überflüssigerweise erneut geschieht, nur diesmal eben ohne Kampfszenen. Auf solche ärgerlichen Mängel stößt man die gesamten 100 Minuten über, zudem gibt es viele Logikmängel und unglaubwürdige Entwicklungen. Wenn etwa Cotys' Amateur-Heer durch ein bißchen Training innerhalb kürzester Zeit so gut wird, daß es sich selbst gegen eine dreifache Übermacht problemlos durchsetzt, dann kann man das einfach nicht mehr ernst nehmen. Und wenn sich Cotys' notorisch schlechtgelaunter General Sitacles (Peter Mullan, "Gefährten") mitten im größten Nahkampf-Getümmel ausgerechnet eine Peitsche reichen läßt, kommt man aus dem Kopfschütteln kaum noch heraus.

Doch natürlich muß man zugeben, daß der Großteil der Zuschauer von einem Hercules-Film mit Ex-Wrestler Dwayne Johnson in der Titelrolle kaum ein anspruchsvolles Drama mit Tiefgang erwartet. Was vorrangig zählt, sind der Spaß und die Action. Beides bekommt man von diesem "Hercules" reichlich serviert, womit Ratners Film jedenfalls kein totaler Fehlschlag ist. Speziell im Vergleich mit ähnlich aufgebauten antiken Schlachtplatten der jüngeren Vergangenheit wie Tarsems "Krieg der Götter" oder Noam Murros "300 – Rise of an Empire" schneidet "Hercules" dennoch mäßig ab. Was wiederum auch mit der niedrigeren Altersfreigabe zusammenhängt, denn die Schlachtenszenen sind zwar ordentlich choreographiert (wenngleich mitunter aufgrund schlechter Ausleuchtung nicht richtig gut zu erkennen) und können mit etlichen schönen Panoramaaufnahmen der sehenswerten Drehorte in der ungarischen und kroatischen Wildnis aufwarten. Insgesamt kommen sie aber nicht ansatzweise an die spektakulären, wuchtig und blutrünstig in Szene gesetzten Kämpfe der genannten Konkurrenten heran. Auch die Musik von Fernando Velázquez ("The Impossible") ist zu unauffällig geraten, um die Mittelmäßigkeit des Films noch irgendwie kaschieren zu können – dabei ist gerade bei actionreichen Fantasyfilmen die musikalische Untermalung ein essentieller Bestandteil, wie etwa die beiden Genreklassiker "Conan, der Barbar" und "Gladiator" bewiesen haben.

Apropos: Was haben "Conan, der Barbar" und "Gladiator" noch gemeinsam? In erster Linie, daß beide Filme einen hervorragenden, markanten Gegenspieler für den Helden präsentieren. In "Gladiator" erhielt Joaquin Phoenix für seine intensive Darstellung des bösartigen, aber von glaubwürdigen Motiven getriebenen Kaisers Commodus sogar eine (sehr verdiente) OSCAR-Nominierung, aber auch Conans Widersacher Thulsa Doom war ein wichtiger Erfolgsbestandteil des Films von John Milius. Daran mußte ich im letzten Drittel von "Hercules" immer wieder denken, denn der Showdown weist stilistisch und inhaltlich so einige Gemeinsamkeiten mit "Conan, der Barbar" auf. Der Antagonist gehört leider nicht dazu. Während der von Darth Vader-Sprecher James Earl Jones verkörperte Thulsa Doom ein großartiger Bösewicht ist, weil er ein Mann mit einer Mission ist, gewissermaßen ein antiker, spirituell erleuchteter Sektenführer mit beinahe hypnotischer Ausstrahlung, sind Hercules' Feinde einfach nur machtgierige Sadisten. Wie öde.

Zu den Vorzügen von "Hercules" zählt dennoch eine gute, dank einer starken skandinavischen Auffrischung (Hennie, Bolsø Berdal und Santelmann sind Norweger, Ferguson ist Schwedin) recht unverbrauchte Besetzung. Die kommt jedoch sträflicherweise kaum zur Geltung, da das lahme Drehbuch auf Figurenzeichnung weitestgehend generös verzichtet – abgesehen von Hercules' klischeehafter, in teils uninspiriert eingestreuten Rückblenden erzählter Vorgeschichte um seine tote Frau Megara (das russische Model Irina Shayk) – und die Qualität der Dialoge zwischen milde amüsant und banal schwankt. Immerhin stimmt die Chemie zwischen dem von Dwayne Johnson ebenso sympathisch wie energiegeladen verkörperten Hercules und seiner munteren Truppe, auch wenn mancher lockere Spruch nicht so ganz in die Atmosphäre passen will und die verwendete Sprache dank etlicher deutlich moderner Einsprengsel seltsam unrund wirkt. In den Nebenrollen kann vor allem Schauspiel-Veteran John Hurt überzeugen (ohne dabei sonderlich gefordert zu werden), wohingegen man sich ernsthaft fragen muß, welcher Teufel wohl Joseph Fiennes ("Shakespeare in Love") geritten hat, die lachhafte Rolle des weibischen Königs Eurystheus anzunehmen …

Fazit: "Hercules" ist ein schmuck anzusehendes, aber arg anspruchsloses antikes 3D-Action-Abenteuer, das aufgrund eines lahmen Drehbuchs die Fähigkeiten seiner ingesamt gelungenen Besetzung nicht ausreizen kann – und das zudem nicht in der Lage ist, den düster-brutalen Stil der Comicvorlage mit der niedrigen Altersfreigabe in Einklang zu bringen.

Wertung: 5 Punkte.


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