Regie: Robert Rodriguez und Frank Miller, Drehbuch: Frank
Miller, Musik: Carl Thiel und Robert Rodriguez
Darsteller:
Mickey Rourke, Josh Brolin, Joseph Gordon-Levitt, Eva Green, Powers Boothe, Jessica Alba,
Dennis Haysbert, Rosario Dawson, Christopher Meloni, Jeremy
Piven, Jamie Chung, Ray Liotta, Christopher Lloyd, Jaime King, Jude Ciccolella,
Marton Csokas, Stacy Keach, Alexa Vega, Juno Temple, Julia Garner, Lady Gaga,
Billy Blair, Johnny Reno, Bruce Willis, Frank Miller, Robert Rodriguez
FSK: 18, Dauer: 102 Minuten.
Drei weitere Episoden aus Sin City:
"A Dame to Kill For": Seit vielen Jahren versucht der
heruntergekommene Privatdetektiv Dwight McCarthy (Josh Brolin, "No Country for Old Men"), seine frühere Geliebte Ava (Eva Green, "300 – Rise of an Empire") zu vergessen. Das fällt ihm gar nicht leicht, da Ava wunderschön
und verführerisch ist, aber eben auch manipulativ und brandgefährlich. Als sie
eines Tages bei ihm auftaucht und ihn um Hilfe gegen ihren sadisitschen Ehemann
Damien Lord (Marton Csokas, "The Equalizer") und dessen brutale
rechte Hand Manute (Dennis Haysbert, "Goodbye Bafana") bittet, ist
Dwight hin- und hergerissen zwischen der leisen Stimme der Vernunft und seiner
nur mühsam unterdrückten Besessenheit von der grünäugigen Schönheit …
"The Long Bad Night": Der junge Spieler Johnny
(Joseph Gordon-Levitt, "Brick") ist vom Glück verfolgt – was er auch
anpackt, es gelingt ihm. Folgerichtig will er sich am größten Jackpot von Sin
City versuchen, einer hochkarätigen Pokerrunde, der auch der mächtige Senator
Roark (Powers Boothe, "The Avengers") angehört. Am Spieltisch bleibt
Johnny das Glück treu, er nimmt Roark nach Strich und Faden aus – doch den
rachsüchtigen Politiker wünscht sich niemand zum Feind …
"Just
Another Saturday Night" / "Nancy's Last Dance":
Der grobschlächtige Marv (Mickey Rourke, "Krieg der Götter") schlägt sich mit einer Horde randalierender Studenten herum, die
zuerst einem Obdachlosen und dann ihm an den Kragen wollen. Keine gute Idee.
Später bittet Stripperin Nancy (Jessica Alba, "Machete") Marv um
Unterstützung bei der Umsetzung ihrer Rachepläne: Sie will Senator Roark
endlich für den Tod ihres väterlichen Beschützers John Hartigan (Bruce Willis,
"Looper") zur Rechenschaft ziehen, für den sie ihn verantwortlich
macht …
Kritik:
Im Grunde genommen verhält sich "Sin City 2" zu
"Sin City" wie die "Der Hobbit"-Filme zur "Der Herr der
Ringe"-Trilogie. In beiden Fällen können die späteren Filme handwerklich
und schauspielerisch problemlos mit ihren Vorgängern mithalten – dennoch
bleiben sie ingesamt recht deutlich hinter deren Qualität zurück. Der Grund ist
leicht zu benennen: Es liegt an der Handlung. Beim "Hobbit" war das
nicht anders zu ewarten, schließlich ist Tolkiens Prequel-Vorlage nunmal im Kern ein
dramaturgisch recht schlicht gestricktes Kinderbuch, das inhaltlich nicht
annähernd mit der epischen Fortsetzung mithalten kann. Bei "Sin City
2" gab es dagegen durchaus die berechtigte Hoffnung, daß die Stärken des
ersten Teils würden beibehalten werden können. Schließlich ist Frank Miller
anders als Tolkien noch am Leben und künstlerisch aktiv – etwa als Autor und
Co-Regisseur dieses Films –, "Sin City 2" konnte auf bewährte
Storylines zurückgreifen, die in etwa zur gleichen Zeit entstanden wie die
Vorlage für "Sin City", zudem schuf Miller sogar eigens zwei neue Geschichten. Doch die Hoffnung trog: "Sin City 2: A Dame to Kill For"
sieht zwar erneut wunderschön aus (dieses Mal sogar in ordentlichem 3D) und kann mit einem eindrucksvollen Cast
aufwarten, ist aber fast durchgängig eine Klasse schlechter als der grandiose, stilistisch
bahnbrechende erste Teil. Das macht ihn noch nicht zu einem schlechten Film, aber
auf jeden Fall zu einer beträchtlichen Enttäuschung.
Der größte inhaltliche Unterschied zum Vorgänger ist
die stark zurückgefahrene Abgründigkeit. Wo "Sin City" mit seinen
makabren Geschichten über Kannibalen, Serienmörder und korrupte Politiker und
Priester schockierte und faszinierte, wirken die Storylines von "Sin City
2" eher wie konventionelle Thriller-Kost, die leicht im "Sin
City"-Stil mit viel comichafter Brutalität und noch immer beeindruckender
Stylishness aufgepimpt wurde. Auch dank der (enttäuschend) kurzen Laufzeit des
Films sowie der charismatischen Protagonisten der einzelnen Episoden wird das
zwar dennoch nie wirklich langweilig, echte Begeisterung kommt aber genauso
wenig auf. Es mangelt einfach an herausragenden Szenen, irgendwie plätschert
das Geschehen eher so vor sich hin, mit nur wenigen kurzen Höhen. Die
Verzahnung der Storys miteinander gelingt ebenfalls nicht so reibungslos wie in
"Sin City", zudem wird schmerzlich etwas in der Art jener "Klammer" vermißt,
die im Vorgänger die kurze Geschichte um einen von Josh Hartnett verkörperten Auftragskiller
bildete, die den Film hervorragend ein- und ausläutete. "Sin City 2"
endet dagegen ziemlich abrupt und läßt einen eher unbefriedigt zurück, zumal
man nicht das Gefühl hat, daß alle der schillernden Charaktere einen echten
Abschluß bekommen haben.
Die beste der drei Haupt-Episoden ist wohl die untertitelgebende,
stark vom Film noir inspirierte um den Privatdetektiv Dwight
McCarthy (Josh Brolin – in "Sin City" wurde Dwight nach einer
Gesichts-Operation von Clive Owen verkörpert), dessen alte Liebschaft Ava Lord ihn um Hilfe gegen ihren Ehemann Damien
und dessen Handlanger Manute bittet. Eva Green,
daran besteht kein Zweifel, ist eine perfekte Femme fatale – und die wohl
nackteste der Filmgeschichte. Sie strahlt mit jeder genau berechneten Geste,
mit jeder kleinen Gesichtsregung eine raubtierhafte Gefährlichkeit und
Undurchschaubarkeit aus, die gleichermaßen fasziniert und abschreckt. Genau so
ergeht es Dwight mit Ava, und genau aus diesem Grund will er eigentlich nichts
mehr mit der verführerischen Schönheit zu tun haben – doch wenn Ava etwas will,
dann bekommt sie es auch. Und alle, die ihr im Weg stehen, haben ein echtes
Problem. Das gilt nicht allein für Dwight, sondern ebenfalls für den gewissenhaften Detective
Mort (Christopher Meloni, "Man of Steel") und dessen abgebrühten
Partner Bob (Jeremy Piven, der in der Rolle Michael Madsen ersetzt). Der
Verlauf dieser Episode ist zwar relativ überraschungsarm, doch die knisternde Spannung
zwischen Brolin und Green und die dichte Noir-Atmosphäre machen "A Dame to
Kill For" zum Highlight des Films – was übrigens insofern ein bißchen
kurios ist, als ich Dwights Episode im ersten Film als die schwächste (aber
natürlich immer noch gute) empfand.
Als zweitstärkste Episode erweist sich "The Long Bad
Night" mit seiner eigens für den Film geschriebenen Story, in deren Zentrum
der Spieler Johnny steht. Joseph Gordon-Levitt füllt diese Rolle mit der für
ihn so typischen Verschmitztheit aus, wenn er leichtfertig gegen den mächtigen
Senator Roark antritt; selbst, als er kurze Zeit später die Konsequenzen dieser
Dreistigkeit tragen muß, verliert Johnny nicht komplett seine Lässigkeit,
gleichzeitig überträgt Gordon-Levitt aber auch die tiefsitzende, in der Öffentlichkeit gut verborgene Verletzlichkeit
seiner Figur hervorragend auf die Leinwand. Und Powers Boothe, der als Senator
Roark im ersten Film nicht allzu viel zu tun hatte und entsprechend kaum im
Gedächtnis blieb, darf hier zeigen, wie gut er einen Bösewicht verkörpern kann.
Sein (Psycho-)Duell mit Johnny ist das Zentrum dieser Episode, und es sorgt dafür,
daß "The Long Bad Night" insgesamt überzeugen kann. Daß ich das nicht
euphorischer umschreibe, liegt daran, daß der Handlungsverlauf selbst ziemlich
konventionell geraten ist. Es zeigt sich wieder einmal, daß Poker-Spiele in
Filmen einfach nicht dazu taugen, atemlose Spannung zu erzeugen – selbst in dem
James Bond-Film "Casino Royale" sorgten die entsprechenden Szenen
trotz einer rasanten Inszenierung (und unrealistisch hochklassiger "Hände")
kaum für aufgeregtes Mitfiebern. Bei "The Long Bad Night" ist das
ähnlich; was Rodriguez durchaus bewußt zu sein scheint, denn er handelt
die eigentlichen Spielrunden sehr kurz ab – nicht jedoch, ohne dabei auf
Spielereien wie Stapel von Pokerchips zu verzichten, die so angeordnet und
ausgeleuchtet sind, daß sie der Skyline von Sin City entsprechen (zu der sodann übergeblendet wird). Das schindet
Eindruck, es ist aber gleichzeitig bezeichnend, daß solche buchstäblichen
Oberflächlichkeiten für die eigentlichen Highlights dieser gut gespielten, aber dramaturgisch nur mittelmäßigen Episode sorgen.
Am schwächsten schneidet in "Sin City 2" leider
die Doppel-Episode rund um Marv und Nancy ab. In gewisser Weise stellt sie das
Pendant zum schwächsten "Sin City"-Handlungsstrang "The Big Fat
Kill" dar, indem vorrangig auf ebenso temporeiche wie brutale
Actionsequenzen gesetzt wird und das Erzählerische großteils vernachlässigt
wird. Dank Mickey Rourkes noch immer beeindruckender
grobschlächtig-charismatischer Präsenz als Marv sowie einiger kurzer
Gastauftritte von Bruce Willis als John Hartigan in Nancys Vorstellungskraft
sind auch "Just Another Saturday Night" und "Nancy's Last
Dance" keine Totalausfälle, aber über Mittelmaß kommen sie
leider nie hinaus. Zudem leidet dieser Teil von "Sin City 2"
besonders unter den Umbesetzungen, die Anhänger des ersten Films besonders
enttäuschen dürften. Daß der verstorbene Michael Clarke Duncan ersetzt werden
mußte, läßt sich nun einmal nicht ändern, ist hier aber gar nicht so schlimm,
da Dennis Haysbert die Rolle als Manute erstaunlich gut ausfüllt – wobei sich
mein Erstaunen wohlgemerkt nicht auf die schauspielerische Seite bezieht, denn
Haysberts Talent will ich nicht bestreiten. Ich hätte aber nicht gedacht, daß
jemand annähernd an die körperliche Präsenz des fast zwei Meter großen und 150
Kilogramm schweren Hünen Duncan herankommen könnte – dem nur zwei Zentimeter kleineren Haysbert
gelingt das aber ziemlich gut, sicherlich auch unterstützt durch Kameratricks,
die ihn "breiter" erscheinen lassen, als er es eigentlich ist.
Ärgerlicher ist die Umbesetzung der "tödlichen kleinen
Miho", die immerhin aufgrund deutlich freudigerer Umstände vonnöten war als
bei Duncan – denn Devon Aoki mußte ihre Mitwirkung aufgrund einer
Schwangerschaft absagen. Ihr Ersatz Jamie Chung ("Sucker Punch")
bringt die blutigen Actionszenen zwar sauber über die Bühne, es
gelingt ihr jedoch nur sehr bedingt, die Einzigartigkeit und absolute Kaltblütigkeit
dieser wortkargen Badass-Figur zu vermitteln. Letztlich sieht sie dafür auch
einfach zu "normal" aus, Aokis außergewöhnliches Gesicht war definitiv ein Faktor für die Beliebtheit der Figur in "Sin City".
Enttäuschend ist zudem, daß in "A Dame to Kill For"
statt Michael Madsen nun Jeremy Piven als Polizist Bob zu sehen ist (der Grund
dafür ist nicht bekannt). Auch hier gilt: Piven kann man eigentlich nichts
vorwerfen, aber wer sich an die Abgründigkeit erinnert, mit der Madsen als Bob
in der "Sin City"-Episode "That Yellow Bastard" seinen
Partner Hartigan verriet, der wird – wenn er es nicht weiß – nicht auf den
Gedanken kommen, daß es sich in beiden Filmen um die gleiche Person handeln soll.
Während sich bei Miho wenigstens an der Figur selbst nicht viel ändert, wirkt
der "Sin City 2"-Bob deutlich anders als der "Sin
City"-Bob, was den im ersten Film so gekonnt etablierten Eindruck
unterminiert, daß es sich trotz der zahlreichen Handlungsstränge
um ein einziges, großes erzählerisches Universum handelt. Daß manche Figuren prägnant eingeführt und danach komplett wieder fallengelassen werden
(womöglich in der Erwartung eines "Sin City 3", das es aber angesichts der schwachen Einspielergebnisse dieses zweiten Teils wahrscheinlich nie geben wird) – etwa der Gangster
Wallenquist (Stacy Keach, "Das Bourne Vermächtnis") – paßt in das unrunde Bild, das "Sin City
2" insgesamt abgibt. Persönlich finde ich es zusätzlich enttäuschend,
daß es nicht noch mehr Verbindungen zum ersten Film gibt, ganz konkret hatte
ich stets darauf gehofft, daß der von Josh Hartnett verkörperte Auftragskiller
in dieser Fortsetzung zurückkehren und eine größere Rolle spielen würde. Diese
Hoffnung wurde ebenso enttäuscht wie meine Erwartung eines Cameos von Clive
Owen am Ende der Dwight McCarthy-Story oder eines Auftauchens von Carla Gugino als Marvs Bewährungshelferin. Da paßt es letztlich ganz gut, daß anders als im Vorgänger selbst die Filmmusik von Rodriguez und Carl Thiel die meiste Zeit über unauffällig bleibt. Schade.
Fazit: "Sin City 2: A Dame to Kill For" ist
leider keine adäquate Fortsetzung des Kultfilms aus dem Jahre 2005, sondern
wirkt wie ein müder Abklatsch, der zwar visuell erneut beeindruckt und
erzählerisch zumindest phasenweise überzeugen kann, insgesamt jedoch
dramaturgisch enttäuschend konventionell daherkommt.
Wertung: 6,5 Punkte. Die Einzelwertungen: "A Dame to Kill For":
7,5; "The Long Bad Night": 6,5; "Just Another Saturday
Night" / "Nancy's Last Dance": 5,5.
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